«Deutschland. Dein Selbstporträt»
- Kinostart: 14. Juli 2016
- Genre: Dokumentation
- FSK: o.A.
- Laufzeit: 103 Min.
- Regisseur: Sönke Wortmann
- Nach einer Idee von Ridley Scott
- OT: Deutschland. Made by Germany (DE 2016)
20. Juni 2015
Der inszenatorische Ablauf von «Deutschland. Dein Selbstporträt» ist rasch erklärt: Auf schnell aneinander geschnittene Momentaufnahmen von solch alltäglichen Dingen wie dem Aufwachen, körperlicher Ertüchtigung, dem Zubereiten von Mahlzeiten oder den Zu-Bett-geh-Traditionen der Deutschen, folgen ausführlichere Videos, in denen sich Sönke Wortmann besonders hervorstechenden Teilnehmern an dieser Aktion widmet. Dazu gehört zum Beispiel der Alltag eines Gefängnisaufsehers, der mithilfe geschickt verwendeter Kameraperspektiven sogar einen kleinen Twist bereithält, eine Liebeserklärung einer jungen Frau an ihren geistig behinderten Bruder oder das Porträt eines HIV-positiven Bauarbeiters mitsamt rührendem Appell an die Gesellschaft, Menschen wie ihn doch bitte ebenso zu akzeptieren, wie solche ohne Erkrankung. Aufgrund ihrer schon den Umständen geschuldeten Authentizität geraten viele dieser längeren Videoclips sehr mitreißend. Trotzdem sind bei Weitem nicht alle ausgewählten Videos von einer inhaltlich solch sehenswerten Qualität. Auch wenn nie der Eindruck entsteht, zwischen all diese selbst bei Nichtgefallen immerhin noch authentischen Filmchen hätten sich auch gescriptete (also vorab geplante) Vertreter geschummelt, so muss man doch festhalten, dass manch ein Clip vielleicht lieber doch vorab hätte aussortiert werden sollen. Ein Video über einen schüchternen Einzelgänger mit Ansätzen zur Autismus-Störung bleibt, wie alle anderen Filmschnipsel auch, unkommentiert und könnte bei weniger aufgeschlossenen Zuschauern für unangebrachtes Schmunzeln sorgen; «Schwiegertochter gesucht» und Co. sei „Dank“.
Auch die der Chronologie geschuldeten Bildcollagen sind selten wirklich gehaltvoll. Gleichzeitig unterstreichen sie die Wertigkeit von «Deutschland. Dein Selbstporträt» als eben das: ein Selbstporträt. Und da der Alltag von uns allen eben nicht immer von spannenden Ereignissen aufgepeppt wird, ist auch Sönke Wortmann darauf bedacht, den Grundton seines Films stets bodenständig zu halten. Dass sein Film dadurch konsequent an Dynamik einbüßt, wann immer er sich an der Beobachtung durchschnittlicher Dinge übt, scheint den Regisseur dabei nicht zu interessieren. Gleichwohl muss man «Deutschland. Dein Selbstporträt» gerade dadurch zugestehen, dass die fehlende Effekthascherei auch dazu beiträgt, dass die Dokumentation zu jedem Zeitpunkt echt wirkt. Qualitativ bedeutet das natürlich ein ständiges Auf und Ab, was nebenher auch für die technischen Qualitäten gilt. Nicht nur die auf der Leinwand natürlich nicht selten äußerst sparsame Bildauflösung trübt – im wahrsten Sinne des Wortes – das Vergnügen, auch die Tatsache, dass viele Aufnahmen verwendet werden, die sich im Hochkant-Format abspielen, sind bisweilen anstrengend für das menschliche Auge. Hier hätte sich Wortmann gern an Ridley Scotts («Exodus – Götter und Könige») Vorlage «Life in a Day» orientieren dürfen, wo noch mehr Wert darauf gelegt wurde, dass das Gezeigte durchgehend den Mindestanforderungen an Bildqualität entspricht.
Von Patriotismus keine Spur
Eines fällt auf, wenn man sich «Deutschland. Dein Selbstporträt» anguckt: Die eingangs kurz angerissene Spaltung zwischen Deutschland-Hassern und Deutschland-Verehrern wird in Wortmanns Film weitestgehend ausgespart. Trotz der Thematik ist die Found-Footage-Dokumentation kein patriotischer Film; ganz so, als sei Wortmann gar nicht daran interessiert, Messages zu generieren. Stattdessen lässt er die vielen Äußerungen der Personen im Film für sich sprechen. In gewisser Weise wirkt «Deutschland. Dein Selbsporträt» dadurch nicht ganz auf der Höhe der Zeit. Zum Zeitpunkt der Dreharbeiten waren Flüchtlingskrise und AFD-Irrsinn noch nicht so selbstverständlich in unseren Alltag integriert, wie heute. Eine einzige Aussage über ein Asylantenheim lässt Wortmann zu, was im Vergleich zu heute natürlich wenig erscheint. Doch dem Regisseur ist nicht an einer politischen Relevanz seines Films gelegen. Es scheint, als wolle er nicht einmal eine Liebeserklärung an das Land aussprechen, als die der Film vielleicht ursprünglich einmal gedacht war. «Deutschland. Dein Selbstporträt» ist alles und irgendwie nichts, unauffällig und bisweilen sehr berührend, mal langweilig, mal superspannend und damit ja irgendwie wie das Land selbst.
Fazit
«Deutschland. Dein Selbstporträt» beeindruckt aufgrund seiner aufwändigen Realisierung und fühlt sich dank des einzigartigen Konzepts durchgehend echt an. Der Unterhaltungswert ist für den Zuschauer allerdings stark von der Qualität der einzelnen Filmchen abhängig – sowohl inhaltlich, als auch visuell.
«Deutschland. Dein Selbstporträt» ist ab dem 14. Juli in den deutschen Kinos zu sehen!
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