Die Kritiker

Stereotypen mit Hintersinn

von

Die Kritiker: Der ZDF-Film «Handwerker und andere Katastrophen» wirkt zunächst wie ein billiges Klischee. Doch dahinter steckt mehr.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Tanja Wedhorn («Bianca – Wege zum Glück») als Silke, Oliver Mommsen («Tatort: Bremen») als Stefan, Leopold Schill als Jakob, Gundi Ellert («Sommer in Orange») als Renate, Jürgen Tarrach («Die Musterknaben») als Herr Panter, Ursela Monn («Tierärztin Dr. Mertens») als Sieglinde, Dietrich Hollinderbäumer («Pastewka») als Dietmar, Thilo Prothmann als Trockenbauer Hein und weitere


Hinter den Kulissen:
Regie: Matthias Steurer, Buch: Stefan Kuhlmann, Musik: Eike Hosefeld, Moritz Denis und Tim Stanzel, Kamera: Christoph Poppke, Schnitt: Dagmar Pohle, Produzentinnen: Tanja Ziegler und Kirsten Ellerbrake, Produktion: Ziegler Film

Eine Handwerker-Komödie – wer denkt da schon an Hintersinnigkeit. Zwischen Bauarbeiterdekolleté und Morgenbierchen bleibt in Klischeefilmen meist nicht allzu viel Zeit für tiefschürfende Gedanken. Eine Produktion mit dem Titel «Handwerker und andere Katastrophen» klingt da gerade so, als müsste sie genau in diese Kerbe schlagen. Vom ZDF unter der oben genannten Genrebeschreibung vermarktet, verspricht das Machwerk bestenfalls ein launiges Sommerfest der Stereotypen zu werden und schlechtestenfalls eine Melange aus zurückgebliebenen Ressentiments.

Tatsächlich wird das Gefühl beim Zuschauer auch nicht gerade besser, wenn er das Intro des Films betrachtet, bei dem in Comic Sans-artiger Designlosigkeit lieblose Grafiken hingeklatscht wurden, die jeder zweite DaWanda-Shop-Besitzer schöner hinbekommen hätte. Ähnlich uninspiriert klingt dann auch die Geschichte der Produktion auf den ersten Blick: Silke und Stefan sind eigentlich ein Vorzeigepärchen. Er Anästhesist in einer Berliner Klinik, sie Grundschullehrerin, dazu ein Junge und das zweite Kind ist auch schon im Anmarsch. Wie es sich für eine junge Familie gehört, soll natürlich auch das Eigenheim her. Und weil selbst bauen noch schwieriger ist, wird halt was gekauft. Gäbe es allerdings keinen Konflikt, wäre der Film freilich hinfällig. Also stellt sich das Haus als baufällig heraus und die Handwerker sind nicht mehr zu greifen. Und schon ist der Familienfrieden im Eimer und das Haus eingesturzgefährdet. Dass die Umstandsfigur der Protagonistin dabei eher aussieht wie die eines korpulenten Mitsechzigers: Nebensache.

Der typische Bauarbeiter?


Doch Stefan wäre kein Halbgott in Weiß, wenn er nicht einen Bauleiter aufspießen würde, wobei das trotz ärztlichem Dasein keinesfalls wörtlich zu verstehen ist. Der trotz Herzinfarkt fressende und saufende Herr Panter übernimmt vertrauenswürdiger Weise, bedient natürlich überhaupt kein Klischee und hat als Angestellte unter anderem einen Polen mit starkem Akzent und einen Türken mit nicht vorhandenen Deutschkenntnissen dabei. Falls es bei all den Ressentiments nicht schon klar ist: Natürlich funktioniert rein gar nichts.

Und als wäre alledem nicht schon genug verhält sich Stefan nur so mittelmäßig zuverlässig, fängt einen Flirt mit der blonden Krankenschwester Kim an, die am liebsten gleich dessen Skalpell bearbeiten würde. Und anstatt Überstunden zu kloppen, die die Finanzlage der Familie eigentlich verlangen würde, gibt es ein Konsolenturnier am Arbeitsplatz, während er seiner Holden erzählt, das Gerät bräuchte er für einen kleinen Jungen aus dem Krankenhaus. Bis dahin: Ein Traum in Stereotyp.

Es sind auch die Darsteller, die es sich in ihren Klischeefiguren durchaus gemütlich machen. Oliver Mommsen fühlt sich als geleckter Sympathiebrocken sichtlich wohl, auch wenn er damit nur für kurze Zeit seine Realität verlassen mag. An Tanja Wedhorn gibt es bis auf die seltsam modellierte Figur auch keinen Grund zu meckern. Tatsächlich scheint sie mit dem Klischee aus ihrer Daily-Zeit noch beste Bekanntschaft zu pflegen. Das alles ist der Produktion allerdings angemessen, zumal es offensichtlich einen Sinn zu haben scheint. Nur welchen?

Fehlende Vollendung als Leitmotiv


Steckbrief

Frederic Servatius schreibt seit 2013 für Quotenmeter. Dabei ist er zuständig für Rezensionen und Schwerpunktthemen. Wenn er nicht für unser Magazin aktiv ist, arbeitet er im Verlag der Frankfurter Allgemeinen Zeitung oder schreibt an seinem Blog. Immer wieder könnt Ihr Frederic auch bei Quotenmeter.FM hören. Bei Twitter ist er als @FredericSrvts zu finden.
Es dauert schon ein paar Momente, bis man realisiert was die Intention hinter alldem ist: Die fehlende Vollendung ist ein Motiv. So wird der Flirt zwischen Stefan und Krankenschwester Kim nicht fortgeführt, sondern verläuft sich im Sande, auch der Urlaub von Silkes Eltern, die sich regelmäßig melden, ist nicht wirklich eine runde Sache. Und es sind eben auch die kleinen Sachen, wie ein (möglicherweise bewusst) stümperhaft zusammengemanschtes Intro oder überzeichnete und kaum zu Ende gedachte Handwerker-Figuren.

Und wie soll es letztlich anders sein: Fruchtblase und Wasserrohr platzen in Einem, die Katastrophe ist komplett und alles scheint vor dem Abgrund zu stehen. Nicht so ganz zu diesen Motiven passen will allerdings die Bildsprache, die fast in Hochglanzmanier (leicht überfiltert aber insgesamt ansprechend) die ganze Szenerie abbildet. Sicher, das neue Traumhaus der Protagonisten sieht noch immer schäbig aus – soll es aber ja auch. In der Gesamtbetrachtung allerdings, sieht die Produktion wirklich ganz schick aus. Interessant sind hingegen noch Joghurt-Drinks, die in ähnlicher Manier von einem Großkonzern vertrieben werden. Wäre nicht die Marke abgewandelt, so könnte man dabei an Schleichwerbung glauben, weil die Sinnlosigkeit der Inszenierung ins Unermessliche wächst. Doch dass es dazu keine Erklärung oder Auflösung gibt, macht dann sogar richtig Sinn und birgt mitunter Einiges an Witz. Und dann ist da letztlich natürlich noch das Haus von Silke und Stefan.

Herausstechend ist ferner die Arbeit der Kamera, die gelegentlich eine kreative Perspektive gewählt hat, nicht nur wenn aus dem Klodeckel gefilmt wird. Und ja, auch das bewusst verarbeitete Klischee ist so manches Mal lustig. Ob Silke überzeugend-drastisch anfängt zu heulen als sei sie ein Kleinkind oder sie sich über eine Schülerin aufregt, die sie mit der Bauzeit von Pyramiden (bis zu 30 Jahre) konfrontiert und die Familienmutter sich in Folge selbst vor einer ewig währenden Bauzeit wähnt, vor allem die Dame des Hauses weiß die Lacher auf ihrer Seite. Aber auch die Eltern von Silke transportieren aus der Ferne Witz. Der trockene Dietrich Hollinderbäumer macht sich als pensionierter Mann vom Fach Sorgen um den Baufortschritt und ruft ein ums andere Mal aus dem Urlaub an, während seine Frau nur ihre Ruhe haben will.

Und so ist es vielleicht nicht die tiefgründigste aller Botschaften, die die Produktion transportiert. Aber gut, wer hätte das bei der Betitelung „Handwerker-Komödie“ schon erwartet. Doch die Vollendung bleibt so konsequent aus und wird in so liebevollen Einzelelementen betrachtet, dass die Fehler tatsächlich so erkannt werden, wie sie gemeint sind: Als bewusst integriertes Element, als unbestrafter Fehltritt, als konsequenzlose Handlung. Fast schon inkonsequent ist da die Konfrontation, die Stefan aufgrund seines Konsolenspiels erfährt. Wobei: So läuft es halt im realen Leben auch wieder ab. Manches wird bestraft, manches nicht. Und wenn ein Großprojekt wie ein Pannenflughafen es ob der ewigen Bauzeit auch auf das Titelblatt einer fiktiven Boulevardzeitung schafft, wieso sollte dann ein runtergekommenes Haus flott fertig werden? Eben. In diesem Sinne: Ab ins Wohnmobil.

«Handwerker und andere Katastrophen» gibt es am Donnerstag, 28. Juli um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.

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