Filmfacts «Genius – Die tausend Seiten einer Freundschaft»
- Regie: Michael Grandage
- Produktion: James Bierman, Michael Grandage, John Logan, Tracey Seaward
- Drehbuch: John Logan, basierend auf "Max Perkins: Editor of Genius" von A. Scott Berg
- Darsteller: Colin Firth, Jude Law, Nicole Kidman, Laura Linney, Guy Pearce, Dominic West
- Musik: Adam Cork
- Kamera: Ben Davis
- Schnitt: Chris Dickens
- Laufzeit: 104 Minuten
- FSK: ab 6 Jahren
New York, 1929: Nachdem der extrovertierte Lebemann Thomas Wolfe (Jude Law) bei jedem anderen Verlag auf Granit gestoßen ist, findet sein überdimensionales Manuskript „O Lost“ beim renommierten Verlagshaus Charles Scribner’s Son endlich einen Befürworter. Der Lektor Max Perkins (Colin Firth), der bereits Ernest Hemingway und F. Scott Fitzgerald markttauglich gemacht hat, erkennt in dem verschwurbelten 1.000-Seiten-Manuskript ein literarisches Kleinod. Doch für eine Veröffentlichung sei es noch nicht bereit – also streichen Perkins und Wolfe den Debütroman in mühevoller Kleinarbeit zusammen. Die überarbeitete Fassung wird unter neuem Titel zum Bestseller, was jedoch Wolfes Geliebte Aline Bernstein (Nicole Kidman) aufbringt, schließlich genießt sie als Unterstützerin des ungezügelten Wolfe-Talents nicht weiter eine Alleinstellung. Alsbald stellt Wolfe seine Freundschaft sowie sein Arbeitsverhältnis zu Perkins auf eine beinharte Probe: Er platzt mit einem 5.000-Seiten-Manuskript in das Büro des geachteten Lektors – und kämpft daraufhin um den Erhalt jedes einzelnen Wortes …
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Sobald Perkins und Wolfe eine Bindung zueinander gefunden haben, wandelt sich Laws Spiel im Detail jedoch ab – es bleibt laut, wild, ungezügelt, aber es ist in kleinen Macken dieser stets zwischen Selbstüberzeugung und übertönten Zweifeln schwankenden Rolle verankert. Somit stellt Wolfe mehr dar als einen schalen Stereotypen. Colin Firth wiederum gibt Perkins als das exakte Gegenteil Wolfes, spielt einmal mehr eine dieser perfekt auf ihn zugeschnittenen, galanten, intellektuellen und besonnen Figuren, die Ereignisse ruhig verfolgen und ihr starres Auftreten gelegentlich mit einem dezenten, kecken Lächeln aufbrechen. Dieser Rollentypus fordert Firths Schauspielkünste schon lange nicht mehr, dennoch ist Firth spürbar engagiert. Firth wandelt die minimalistischen Gesten Perkins‘ variantenreich ab, und so wird durch winzige Regungen in Firths Mundwinkeln deutlich, ob er gerade von Wolfe begeistert ist, er sich anstrengen muss, die Contenance zu bewahren oder ob ihm alles gleichgültig geworden ist.
Bedauerlicherweise sind es Law und Firth allein, die die Freundschaft zwischen dem übereifrigen Schriftsteller und dem rationalen Lektor spürbar werden lassen. Das Drehbuch von John Logan («Aviator») spurtet durch Wolfes geschäftigen Jahre, ohne ein Gefühl für den Lauf der Zeit zu gestatten, und reiht dabei schlicht Wendepunkte aneinander. Wie Wolfe und Perkins zueinander stehen, wenn sie nicht gerade eine seitenlange Szene auf einen Halbsatz runterbrechen oder Wolfe seinem Kumpel das „wahre Leben“ zeigt (in Form einer sehr diskutablen „Wow, die Schwarzen wissen, wie man Party macht!“-Jazzclub-Szene), bleibt zumeist offen. Wenn sich die zwei so gegensätzlichen Persönlichkeiten zerstreiten, ist die dramatische Fallhöhe dieses Zwists daher äußerst überschaubar.
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Fazit: «Genius – Die tausend Seiten einer Freundschaft» gibt Literaturbegeisterten einige sehenswerte Sequenzen darüber, wie große Literatur letzten Endes geschaffen wird. Doch abseits dieser Momente hat dieses spröde, lasch erzählte Biopic so wenig zu bieten, das selbst die beiden engagierten Hauptdarsteller nicht genügen, um es auf ein durchschnittliches Genremaß zu heben.
«Genius – Die tausend Seiten einer Freundschaft» ist ab dem 11. August 2016 in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
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