First Look

«Jean-Claude van Johnson» - Wann ist ein Mann van Damme?

von   |  12 Kommentare

The Muscles from Brussels - Der Mann, der mit «Bloodsport», «Universal Soldier» oder «Timecop» viel, aber sicher keine schauspielerischen Glanzlicher vorzuweisen hat, ist zurück. In einem überraschend gelungenen Hybrid aus «Californication», «Breaking Bad» und «Chuck» - wie geht das denn bitte?

Die guten Zeiten sind vorbei


Cast & Crew

  • Regie: Peter Atencio
  • Drehbuch: Dave Callaham
  • Produzenten: David W. Zucker, Ridley Scott, Jean-Claude van Damme u. a.
  • Musik: Joseph Trapanese
  • Darsteller: Jean-Claude Van Damme, Kat Foster, Moises Arias, Phylicia Rashad u. a.
Ein Mann, der kaum mehr als Schatten seiner selbst durchgeht. Ein Mann, der sich in seinem zynischen, lebensverneinenden Anfangsmonolog wie ein Bruder von Kevin Spaceys Lester Burnham aus «American Beauty» inszeniert, und dabei offenlegt, wie wenig er sich selbst ernst nehmen oder ertragen kann. Ein Mann, der in seiner feudalen aber auch tristen Villa umgeben von Produkten seiner eigenen Kollektion dahinvegetiert, jedoch mit einem kleinen Elektroroller zur Straße fahren muss, um seine Zeitung mit einem Teleskopgreifer aufzuheben.

Nein – dieser Mann kann doch nicht wirklich der einst gefeierte Actionheld Jean-Claude van Damme sein? Als er später mit Cap, Brille und Dreitagebart in einem Diner sitzt, verwechselt ihn der nerdige Kellner dann auch glatt mit einem anderen gescheiterten Ex-Star: Nicholas Cage. Nur um kurz darauf noch einen nachzulegen, und den ebenfalls abgehalfterten Val Kilmer in ihm zu erkennen glaubt.

Van Damme spielt die frustrierte Version seiner selbst mit lakonischem Charme und kaum erkennbaren Regungen. Diese reichen jedoch aus, um den Ton der Serie perfekt zu setzen. Hier hat jemand größten Spaß daran, sich und sein wirkliches Leben genüsslich zu sezieren und durch den Kakao zu ziehen.

Der hier gezeigte Van Damme hat sich inzwischen vollständig aus dem Showgeschäft zurückgezogen und trauert verweichlicht und um Jahre gealtert seiner Ex-Flamme hinterher. Als diese ihn in besagter Diner-Szene erneut abblitzen lässt und zu einem Auftrag nach Bulgarien aufbricht, beschließt van Damme sein Leben neu zu justieren – und seinen Ruhestand zu beenden.

Direct-to-Oblivion


Zugestanden – man muss in den Achtzigern und Neunzigern schon ein ausgeprägtes Faible für das Genre besessen haben, um freiwillig mehr als einen Film mit Michael Dudikoff, Dolph Lundgren, Jean-Claude van Damme oder ähnlichen Null-Mimen der guten alten Ära simpler Hau-drauf-Stoffe zu konsumieren. Für die verschiedenen Akteure waren diese zwei Jahrzehnte mehrheitlich die beste Zeit – danach ging es über kleinere Rollen, B-Movies oder Direct-to-DVD-Produktionen langsam aber sicher dem Ende entgegen.

Auch besagter Jean-Claude van Damme hatte seine Zeit im Rampenlicht genau zu dieser Zeit. «Bloodsport», «Universal Soldier», «Timecop» oder «Street Fighter» blieben im Gedächtnis. Dann jedoch dauerte es bis ins Jahr 2012, als man ihn für «The Expendables 2» und somit für die große Leinwand wiederentdeckte und gar in zwei «Kung Fu Panda»-Filmen Synchronarbeit verrichten ließ. Dennoch: Van Damme war festgelegt und konnte einfach nicht aus den engen Fesseln seiner Rollenklischees ausbrechen – mit einer Ausnahme: Als er 2008 im belgischen Crime-Drama «JCVD» als leicht entrückte Version seiner selbst mitwirkte und damit nicht nur Kritiker überzeugte, legte er in gewisser Weise das Fundament für die nun vorliegende Serie.

Altersweise, Altersmilde, Altersgut


Somit könnte man annehmen, die Serie folge einem alternden Ex-Hollywood-Star zurück in die große Maschinerie des Filmemachens – auf der Suche nach sich selbst und seiner großen Liebe. Alleine diese Versatzstücke hätten vermutlich ausgereicht, um Gedanken an Hank Moody (auf seinem ewigen Weg zurück zum Erfolgsautor und dem Kampf um seine große Liebe) aufkommen zu lassen.

Die Produzenten ließen es sich jedoch nicht nehmen, noch ein zweites Versatzstück in den Mix zu werfen, das zwar ebenfalls nicht neu ist, hier aber durch die Vermengung mit einer realen Person einen ganz eigenen Charme entwickelt: Wir erfahren, dass Jean-Claude van Damme neben seiner Betätigung als Schauspieler schon lange als eine Art Spezialagent aktiv war – und seine Filmkarriere somit stets vornehmlich als Tarnung benutzte. Herrlich verrückt. Sicher werden an dieser Stelle dann auch Assoziationen zu «Chuck» geweckt. Die Story um den tölpelhaften Computerspezialist, der unfreiwillig in Spionagegeschichten gezogen wird, fortan ein Doppelleben führt und um die Gunst seiner Kollegin buhlt, klingt dem Setting von «Jean-Claude van Johnson» definitiv nicht unähnlich.

What can we do to make it fly?


Die Frage, ob ein derartiges Konzept in Serienform tragfähig ist, darf sicherlich gestellt werden. Was geschieht, wenn man einen Protagonisten über Jahre hinweg letztlich erfolglos hinter der gleichen Frau herlaufen lässt (siehe erneut «Californication» oder «Chuck») ist bekannt. Die Muster wiederholen sich, die Vorgänge büßen drastisch an Relevanz ein.

Diese Story alleine wird die Show also nicht tragen können, taugt aber immerhin als emotionaler roter Faden – zeigt van Damme in der sensiblen letzten Szene des Piloten doch, wie tief dieser Verlust ihn bewegt. Nebenbei ein auch schauspielerisch überraschend starker Moment.

Viel eher könnte das Augenmerk auf die Traumfabrik Hollywood gerichtet werden. Der Start mit dem herrlich verdrehten Remake von «Tom Sawyer und Huckleberry Finn» machte da bereits einen guten Anfang. An dieser Front könnte van Damme von einem filmischen Desaster ins nächste taumeln und dabei den einen oder anderen faustdicken Seitenhieb und bissigen Kommentar auf die Probleme des heutigen Filmgeschäfts verteilen. Es gibt doch bestimmt irgendeinen Historienfilm über die Sklavenbewegung, in dem alle farbigen Charaktere mit Weißen besetzt wurden?

Zudem kann man selbstverständlich auch weiterhin van Dammes Kernkompetenz nutzen und ihn krachende Spezialeinsätze mit irren Stunts, Humor und coolen Sprüchen rund um den Erdball erleben lassen.

Auch die persönliche Geschichte des Hauptdarstellers könnte man in Rückblenden ausloten, die Emotionalität der Figur ergründen und im Bereich Humor auch weiterhin seine eigenen filmischen Werke zitieren, nachstellen und persiflieren. Auftritte prominenter Gaststarts als sie selbst in van Dammes Filmen oder anderem Kontext sind zudem mehr als denkbar.

Potential ist mehr als genug vorhanden. Wenn das Produzententeam darf, will und kann haben wir es hier mit einem echten Überraschungshit zu tun.

Fazit


Amazon hat endlich einmal richtig geliefert: «Jean-Claude van Johnson» erfindet zwar gar nichts neu, erfrischt aber mit einem unterhaltsamen Flickenteppich und einem herrlich selbstironischen Star. Die Optik ist edel und hochwertig, die Zitierfreude und die vielen Anspielungen treffsicher. Sollte diese Perle von den Zuschauern grünes Licht erhalten und Amazon in Serie gehen, wäre das ein tolles Geschenk für die Fans und Jean-Claude van Damme. Auf in den zweiten Frühling!

Der Pilotfilm steht bei Amazon Prime im Rahmen der diesjährigen Pilotseason zum Abruf bereit. Wahlweise mit Untertiteln.

Kurz-URL: qmde.de/87745
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Es gibt 12 Kommentare zum Artikel
Sentinel2003
30.08.2016 11:19 Uhr 1
Amazon hat "endlich einmal richtig geliefert"?? Was soll das denn bitte?? Sind die anderenn Serien auf Amazon etwa scheiße oder Müll??
björn.sü
30.08.2016 11:52 Uhr 2
@Sentinel:

"Scheiße" oder "Müll" hat ja niemand geschrieben (außer dir).

Amazon-Serien sind halt wie alles andere Geschmackssache - für mich ist es schlicht die bisher vom Ansatz her beste.
Sentinel2003
30.08.2016 16:44 Uhr 3
Dann siehst du aber Amazon Serien sehr selten oder garnicht!! Bosch oder The Affair oder FDWD sind ALLESAMT Klasse Serien!!
Zach
30.08.2016 16:53 Uhr 4

Bis auf Bosch sind das aber keine Amazon Serien.
TomR.
30.08.2016 16:53 Uhr 5


Er hat ja auch nicht geschrieben, dass die nicht klasse sind.
acid
30.08.2016 21:00 Uhr 6
Amazon hat schon einige gute Serien hervorgebracht, nach meinem persönlichen Geschmack wurde da schon geliefert. :wink:

Wie im Artikel erwähnt, mit einer selbstironischen Note um Van Damme und seinen Filmen und ein wenig Hollywood im Hintergrund, wäre es eine Serie, die ich mir anschauen würde.
Scarface
31.08.2016 00:35 Uhr 7
Als Fan find ich die Serie einfach nur geil.



Ein Steven Seagal könnte sich nie selbst verarschen dafür is der viel zu stolz.



Das Einzige Problem was ich sehe wenn man die Witze verstehen will muss man seine Filme gesehen haben und ich denke die jüngeren wissen gar nicht wer Van Damme eigentlich ist.



PS: Der Seitenhieb mit Channing Tatum is auch super damals bei der Volvo Werbung haben die sich schon gegenseitig verarscht.
Sentinel2003
31.08.2016 00:46 Uhr 8




Er hat aber geschriben, das diese Serie das erste richtig gute ist, was Amazon rausgebracht hat!
kauai
31.08.2016 08:39 Uhr 9


The Affair hab ich nicht gesehen, aber FTWD ist stinklangweilig, was aber nicht viel mit Amazon zu tun hat, da es eingekaufte Serien sind! Grundsätzlich gebe ich dir aber Recht, daß die Behauptung, Amazon habe endlich Mal richtig geliefert, etwas vermessen ist. Bosch oder The Man in the High Castle sind jetzt nicht so schlecht.
björn.sü
31.08.2016 09:22 Uhr 10
@Sentinel:

Das habe ich nirgendwo geschrieben. Du interpretierst zu viel.



@kauai:

Es handelt sich dabei um eine subjektive These, die ich mir im Rahmen dieser Besprechung erlaubt habe - nicht um die Bibel. Dass mir persönlich Bosch und TMITHC nicht als absolute Volltreffer durchgehen ist eben auch nur subjektiv.
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