Die Kritiker

«Tatort - Die Kunst des Krieges»

von

Fellner und Eisner finden zurück zu alter Stärke: mit einer schonungslosen Narrative und einem schwierigen Sujet.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Harald Krassnitzer als Moritz Eisner
Adele Neuhauser als Bibi Fellner
Hubert Kramar als Ernst Rauter
Kristina Sprenger als Daniela Vopelka
Michael Fuith als Andy Mittermeier
Janina Rudenska als Viktoria Oshchypko
Daniel Wagner als Ramazan Tagaev

Hinter der Kamera:
Produktion: Superfilm
Drehbuch und Regie: Thomas Roth
Kamera: Robert Oberrainer
Dem Mordopfer wurde bei lebendigem Leibe die Zunge herausgeschnitten. Seine Hände sind abgetrennt und am Tatort von der Spurensicherung nicht aufzufinden. Moritz Eisner und Bibi Fellner haben in ihrer Karriere schon Einiges sehen müssen, aber das hier stellt vieles in den Schatten.

Die Wohnung, in der der Tote gefunden wird, war wahrscheinlich ein illegales Puff. Die grauselige Bluttat trägt die verklausulierte Handschrift der organisierten Kriminalität: Menschhandel, Zwangsprostitution. Die Türken, die Albaner, die als besonders grausam geltenden Tschetschenen: Alle sind gerade gut im Geschäft. Und Bibis Erfahrung bei der Sitte leistet treue Dienste.

Schnell trifft sie auf einen alten Bekannten: Andy Mittermeier, den sie vor vielen Jahren, als sie noch am Saufen war, dingfest gemacht hatte. Im Dönerladen, den das Mordopfer betrieben hatte, geht der Mann mit seinem dubiosen Personal ein und aus. Die Spürnasen von Eisner und Fellner schlagen Alarm: Mittermeier will das Revier übernehmen und schlachtet alles ab, was ihm im Weg steht.

Informationen aus erster Hand kann die Ukrainerin Victoria liefern, die vor drei Jahren mit dem Versprechen auf ein besseres Leben in der Europäischen Union nach Österreich verbracht worden war. Dort angekommen, standen ihr drei Jahre Prostitution bevor; während der ganzen Zeit verließ sie die zum illegalen Bordell umfunktionierte Wohnung kein einziges Mal.

Brutale Morde im Menschenhandel-Milieu: Das klingt schon eher nach dem Wiener «Tatort», den wir in den letzten Jahren zu schätzen gelernt haben, als dieses elende Gestammel, diese oberflächlichen Figuren und didaktischen Mitfühlkrimis mit ihren fahrigen Dialogen und der unausstehlichen Unterforderung von Krassnitzer und Neuhauser, die der ORF in letzter Zeit von sich absonderte.

„Die Kunst des Krieges“, eine Referenz auf den Titel eines berühmten Werks über Militärstrategie des Chinesen Sun Tzu, dessen chinesische Schriftzeichen sich Zuhälter Mittermeier auf die Finger hat tätowieren lassen, mutet seinen Zuschauern dieselbe narrative Schonungslosigkeit zu, die wir aus der Hochphase von Eisners und Fellners Schaffen kennen. Das Alleinstellungsmerkmal ist zurück – und mit ihm die erzählerische Raffinesse, die einnehmenden Figurenzeichnungen, die intellektuell-dramaturgische Ambition, die weit über die schematischen Was-haben-wir-bis-jetzt-Krimis des «Tatort»-Regelbetriebs hinausgeht.

Dass sich dieser Film bei der Zeichnung seiner Gangster-Figuren manchmal zu stark den Klischees verschreibt, schmälert den positiven Gesamteindruck ein wenig: Zu oft hat man ausladend ausgekungelte Seilschaften in Wien schon treffsicherer erzählt, als dass man in dieser manchmal etwas eindimensionalen Mafia-Geschichte nicht Raum für eine größere intellektuelle Schärfe ausmachen könnte. Bibi und Moritz haben vor einigen Jahren mit äußerst gelungenen Filmen die Messlatte sehr hochgelegt – die Kehrseite davon ist, dass sie sich nun daran messen lassen müssen. Dass das mit „Die Kunst des Krieges“ um Welten besser gelingt als mit ihren jüngsten Krimi-Versuchen, ist ein dickes Plus für die ersten Wochen der neuen «Tatort»-Saison.

Das Erste zeigt «Tatort – Die Kunst des Krieges» am Sonntag, den 4. September um 20.15 Uhr.

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