Das Programm zum Abschied
Am 18. September um 22.45 Uhr läuft mit Thomas Gottschalk die letzte reguläre Ausgabe von «Zimmer frei». Am 25. September um 22.15 Uhr verabschiedet der WDR die Sendung in einer großen Abschiedsgala mit gleich 17 Gästen: Guido Cantz, Clueso, Kim Fisher, Jorge González, Thomas Hermanns, Maite Kelly, Guido Maria Kretschmer, Mariele Millowitsch, Oliver Mommsen, Katrin Müller-Hohenstein, Jens Riewa, Armin Rohde, Mary Roos, Semino Rossi, Florian Silbereisen, Oliver Welke und Anne Will werden der Sendung die letzte Ehre erweisen.Direkt im Anschluss sendet der WDR ein Making-Of mit einem Blick hinter die Kulissen. Am 2. und 9. Oktober nimmt der WDR ab 22.45 Uhr ein jeweils 60-minütiges «Zimmer frei!»-Best of im Programm mit den kultigsten Ausschnitten aus 20 Jahren.
Da kommt also einer zum Abschied, der mit «Wetten, dass..?» selbst einen Klassiker des deutschen Fernsehens moderierte und als er sich zum letzten Mal vor seinem Publikum verneigte, war das nicht nur ein Abschied von ihm, sondern auch von seiner Sendung. Jetzt kommt Gottschalk und wenn er sich diesmal vor dem Publikum verneigen wird, ist auch diese Sendung zu Ende. Dann ist das Zimmer frei, für immer.
Einmal also noch der klassische Kindergeburtstag, die große Wundertüte am Sonntag Abend, mit einem Moderatorenduo, das 20 Jahre lang auf der Suche nach der richtigen Mischung war zwischen Spiel und Ernst. Zimmer frei war, wenn die Gäste eine kleine Hommage an sich selbst serviert bekamen, gewürzt mit Spielen, die nie peinlich, aber immer auch ein bisschen drüber waren. Zimmer frei war, wenn Götzimausi in Westermanns philosophische Fragen barsch hineingrätschte für die nächste Aktion, aber dann doch noch jeden talentfreien Gesang bei der Hausmusik freundlich musikalisch begleitete.
Klassische Unterhaltung, von Hand gemacht
«Zimmer frei» war, wenn Unterhaltung noch von Hand gemacht wurde, denn selbst dann, als die Bluescreens und die großen Flachbildschirme endgültig in den Fernsehstudios Einzug gehalten haben, blieb Zimmer frei fern von technischen Spielereien. Requisiten und Kostüme werden für Gäste eigens gefertigt, die Aufbauten sind aus Holz und der Keramiklostopf für die Spiele ist und bleibt das "gewaltfrei getöpferte Aboriginees-Gefäß", wie Götz Alsmann es beschreibt.
Klassisches, ehrliches Fernsehen also, in dem nicht über Stunden neugedreht wird, wenn etwas schiefgeht, sondern in dem man weitermacht aus Respekt vor dem Publikum. Und es ging oft etwas schief, aber nur manchmal so richtig. Und so sind da einzig Cherno Jobatey, denen Westermann und Alsmann Buchstabensuppe servierten und Scrabble auftischten, obwohl er Legastheniker ist, der die Sendung kurzzeitig verließ, und Martin Sonneborn zu nennen, der es vorzog, lieber Werbung für seine Satirepartei zu machen und Christine Westermann jeden Zugang zu sich verwehrte. Das Publikum jagte beide aus dem Studio.
Klassisches, ehrliches Fernsehen aber auch, dass sich in den letzten Jahren reihenweise verabschiedet: «Die Harald Schmidt Show» ruht bereits auf dem Fernsehfriedhof, «Domian» wird sich im Dezember verabschieden und wenn im Warm-Up nachher Showhund Wiwaldi sagen wird: "Heute bin ich noch hier - morgen bin ich bei Tiere suchen ein Zuhause", ist das für Puppenvater Martin Reinl sogar schon sein zweiter Abschied in diesem Jahr, nachdem seine «Wiwaldi Show» bereits eingestellt wurde.
Immer volle Hütte am Stadtrand
Markus Lanz, der Gottschalks «Wetten, dass..?» erbte, sagte in der Sendung «Zimmer frei» einmal, dass er im Grunde keine Wahl hatte bei der Übernahme von «Wetten, dass..?» und wahrscheinlich ist das am Ende auch die große Tragik des klassischen Fernsehens: YouTube hatte die Show längst mit all seinen Spaßvögeln eingeholt, die großen Wetten konnte man nach dem Unfall von Samuel Koch nicht mehr machen und selbst die besten US-Stars waren bei Facebook näher als in einer Messehalle. Zuletzt baute man eine riesige Leinwand in die Mitte des Studios und saß auf einem fahrbaren Sofa, aber verlor die Zuschauer damit endgültig. Auch Harald Schmidt renovierte seine Sendung immer wieder: Neuer Sidekick, neues Studio, neue Sender. Aber auch er verlor sich und die Zuschauer. Da machte man es sich mit «Zimmer frei» doch lieber in einer Nische am Sonntagabend gemütlich und spielte weiter Scharade mit Schimpfworten.
«Zimmer frei» überlebte in dieser Nische 20 Jahre lang und manche der eigenen Bewohner. Nicht nur das: «Zimmer frei» wurde eine große Nummer im Kleinen. Es hatte sein kleines Publikum gefunden und das blieb der Sendung treu. Und nahm das junge Publikum gleich mit. Während bei der «Harald Schmidt Show» mitten in Köln trotz Freikarten die Zuschauerreihen immer lichter wurden, war es bis zum Schluss fast unmöglich, Karten für die Aufzeichnungen von «Zimmer frei» zu bekommen, weit draußen am Stadtrand in Bocklemünd. Denn am Ende war das Studio immer voll bis auf den letzten Platz mit jung und alt.
Bei dieser Treue konnte nicht einmal das Sendeschema des WDR der Sendung schaden. Und so versendete der Sender seine Produktion, wie er wollte – mit seiner ganz eigenen Mischung aus neuen Folgen, alten Folgen oder auch gar keinen Folgen, manchmal schon Monate vorher aufgezeichnet, manchmal nur wenige Tage alt. «Zimmer frei» war in seinem Verzicht auf das moderne Spielzeug und dem Beharren auf die eigenen Stärken zeitlos geworden und das einzige Anzeichen für das Alter der Sendung war die Studioeinrichtung und die Frisuren der Protagnisten. Da überrascht es nicht, dass die Aufzeichnung mit Hape Kerkeling eine der meistwiederholten Ausgaben der Sendung ist.
Am Ende kommen die Tränen
Das treue Publikum durfte im Studio mit diesen modernen Smartphones fotografieren und kam am Ende den Gästen und Moderatoren für einen kurzen Small Talk nahe, während der Sicherheitsmann im Studio 449 das Handy nicht einmal ins Studio ließ und Schmidt selbiges nach Ende der Sendung schnell mit seinen Gästen verließ. Dennoch: Schmidt war Entertainer genug, um wie Alsmann und Gottschalk zu wissen, dass man für das Warm-Up keinen peinlichen Anklatscher mit anzüglichen Witzen braucht, um das Publikum einzustimmen. Das macht man noch selbst.
Und so lief Alsmann im feinsten Anzug mit klar ausgerichteter Tolle bis zur letzten Sendung durch die Reihen, um den „infernalischen «Zimmer frei» Drei-Phasen-Simultanapplaus“ einzuüben: „Konventioneller Handflächenapplaus“, Trampeln mit dem „eigens für einen langen Fernsehabend ausgewählten Schuhwerk auf der Bassresonatorentribüne“ und natürlich die verbale Akustik. Und wenn dann noch Westermann die alte Klamotte von Cherno Jobatey aus dem Gefrierfach holte, war sie da: Diese zeitlose Zimmer frei Atmosphäre.
Dieses Wochenende im TV also noch, ein letztes Mal, mit Gottschalk. Ein bisschen zu schroff wird er am Ende sein, aber sie werden die Sendung mit Stil beenden, das Publikum wird lange stehen und applaudieren und wenn Gottschalk sich am Ende zurücknimmt und den Applaus den beiden Moderatoren ganz alleine überlässt, werden die Tränen fließen. Es braucht keine großen Worte, wenn man weiß, dass sich die Studiotüren gleich schließen. Dennoch wird es sie geben und die Studiotüren werden sich nochmal öffnen, wenn viele Bewohner der Fernseh-WG nochmal feiern mit den Moderatoren in einer großen Abschiedsgala: Von jung bis alt werden sie alle kommen, generationenübergreifend natürlich. Zeitlos klassisch eben. Und ein bisschen drüber.
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