Worum geht´s?
Facts
- Regie: Peter Gersina («Der Lehrer»)
- Drehbuch: Matthias Dinter («Alles außer Sex»), Nikolaus Krämer
- Produzenten: Ivo-Alexander Beck («Die Ungehorsame» , «Barfuß bis zum Hals») und Nikolaus Krämer («Dresden», «Vulkan»)
- Maske: Ivan Pohárnok («Der Marsianer» , «Kind 44», «300: Rise of an Empire», «Cloud Atlas»)
- Wissenschaftlicher Berater: Prof. George Church (Harvard University)
- Besetzung: Natalia Belitski, Marc Ben Puch, Ulrich Gebauer, Bernd-Christian Althoff, Ulli Kinalzik u. a.
Getreu ihrem Motto „DNA ist Wahrheit“ macht sie sich auf die Suche nach eben jener. An ihrer Seite: Kommissar Balthaus (herrlich kantig-herb, zeitweise aber zu polterig: Ulrich Gebauer) und Paläontologe Novak (blass: Bernd-Christian Althoff). Mit ihnen macht Taubner sich auf die Reise quer durchs Land und bis nach Polen, um dort illegal gezüchtete und eingesperrte Urmenschen zu befreien.
Zugegeben: Es gibt keine Möglichkeit, diese Inhaltsangabe ohne Schmunzeln zu schreiben.
Man wuchert mit Namen
Was man somit in Sachen Story aus den Giftschränken der TV-Geschichte entnommen hat, steckte man bei den verantwortlichen Personen in Hinblick auf Manpower wieder hinein. Klotzen, nicht kleckern war hier das erklärte Motto. Mit Prof. George Church von der Harvard University brachte man einen wissenschaftlichen Berater ins Spiel, der zumindest im Rahmen des Möglichen und des Gewünschten für den inhaltlichen Unterbau sorgen sollte. Wobei durchaus die kurze Zwischenfrage erlaubt sein muss, ob es bei einer Story dieser Art wirklich auf diesen Faktor angekommen wäre.
In kreativer Hinsicht hatte sich zudem Maskenbildner Ivan Pohárnok nicht erst durch seine Mitwirkung an «Der Marsianer» einen Namen gemacht und Regisseur Peter Gersina sorgt seit Jahren bei «Der Lehrer» für Quotenerfolge. Keine Einwände also, was die Personen hinter dem Projekt angeht.
Trash-Alarm?
Doch geht es hier weder um Lehranstalten oder Hörsäle noch um Marsmissionen. RTL II bringt viel lieber eine längst vergessene Schöpfung der Erdgeschichte zurück: Den Neandertaler.
Wenn eine deutsche Serie beginnt, wie eine neue Staffel von «24», haben die Produzenten sicher schon einmal im Ansatz etwas richtig gemacht. Ausgewaschene Farben, trostlose Landschaft, Uniformierte und ein tragender Score bereiten die Bühne für die erste große Enthüllung noch vor den Credits (die im Übrigen ebenfalls eindeutig US-Style kopieren): Die Geburt eines behaarten Babys, das unnatürlich tiefe Laute von sich gibt. So beginnt die Event-Serie mit der RTL II die Zuschauer zwei Tage um ihren Feierabend bringen möchte.
- © RTL II
Dieser Mann muss sich aufgrund seiner großen Nase und übermäßigem Haarwuchs behandeln lassen. Den Arzt scheint das gar nicht zu erfreuen.
In der Folge wechseln sich routinierte Ermittlungsarbeit des ungleichen Duos Taubner/Balthaus mit Szenen der Gegenseite ab – ein doppeltes Spiel wird hier ebenso wie eine Art Jurassic Park für Neandertaler angedeutet. Oder hat Sat.1 damals einfach vergessen, die Bewohner von «Newtopia» über die Absetzung der Show zu informieren?
Die obligatorische Nebenhandlung um eine schwerkrante Schwester (immerhin ebenfalls in Zügen als Variation des Themas DNA aufgefahren) darf ebenso wenig fehlen wie eine Liebelei – ein Drehbuch bleibt eben ein Drehbuch. Immerhin kann man sich über Längen nicht beklagen, die Dramaturgie ist straff und das Erzähltempo flüssig.
Machart
Keine Fragen lässt auch das Produktionsniveau offen. Die Ästhetik ist über jeden Zweifel erhaben und kann mit aktuellen US-Produktionen weitestgehend mithalten. Der Look ist cool und doch bodenständig, die kleinen technischen und optischen Spielereien sind dreist geklaut, aber passend. So finden sich für den aufmerksamen Serienfreund eindeutige Reminiszenzen an Serien wie «Hannibal», als Taubner die Leichen zu klassischer Musik untersucht oder «Sherlock», wenn die Texte eingehender Handy-Nachrichten eingeblendet werden. Zitieren und Kopieren ist im Zweifelsfall eben doch dasselbe.
Das Make-up der Neandertaler erweist sich als kompetent und überzeugend - man muss hier jedoch auch eindeutig feststellen, dass man Ähnliches über die Jahre schon diverse Male durchaus gleichwertig gewesen hat.
In Sachen Darsteller sieht es dann wieder etwas gutbürgerlicher aus. Das Ensemble chargiert wie man es in einer Produktion dieser Couleur erwarten musste, zeigt damit aber auch sichtlich Spaß an der irren Dramaturgie. Einzig Natalia Belitski hält sich wohltuend zurück und punktet lieber mit dem lässigen Charme einer Chloe O´Brian aus «24».
Fazit
Uga! Da hat RTL II den Freunden von Tele5 dann wohl doch eine Steilvorlage gegeben, sollten Kalkofe und Rütten bei «Schlefaz» irgendwann die Filme ausgehen. Richtig ernstnehmen kann man das, was «Neandertaler» auffährt, nämlich leider nicht – Laune macht es aber trotzdem.
Somit muss die Frage aus der Überschrift dann mit einem klaren Doppel-Ja beantwortet werden: Wer sein Hirn ausschalten kann und Spaß an einer weit hergeholten Story und wild aufspielenden Schnittmusterfiguren hat, darf sich hier gerne vier Stunden unterhalten lassen. Tiefsinn sucht man aber lieber doch nicht ausgerechnet bei RTL II – selbst dann nicht, wenn das Präsentierte so hochwertig aussieht wie hier. In diesem Sinne: Uga uga!
«Neandertaler» läuft am heutigen Dienstagabend ab 20.15 Uhr und am morgigen Mittwoch ebenfalls ab 20.15 Uhr in Doppelfolgen bei RTL II.
Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
20.09.2016 14:08 Uhr 1
Anschließend: "Das ist gut gemacht, das ist gut gemacht, das ist auch gut gemacht, hin und wieder stark geklaut, aber gute Dramaturgie und flüssiges Erzähltempo, doch es ist übelster Trash".
Hä?