«American Horror Story – Roanoke»
- Schöpfer: Ryan Murphy, Brad Falchuck
- Autoren: Tim Minear
- Regie: Bradley Buecker, Michael Goi
- Darsteller: Sarah Paulson, Lily Rabe, Kathy Bates, Cuba Gooding Jr., André Holland, Denis O'Hare, Wes Bentley, Angela Bassett, Adina Porter, Colby French
- Producer: Ned Martel,
- Musik: Mac Quayle
- FSK-Freigabe: ab 18
Informationen zu den Folgen eins und zwei
Auch wir möchten darauf hinweisen, dass wir im Folgenden nicht mehr bloß auf den Serientitel, sondern auch auf inhaltliche Details von «Roanoke» eingehen werden. Wer also nicht auf dem Kenntnisstand dieser beiden Episoden ist und sich den Überraschungseffekt nicht nehmen lassen möchte, sollte an dieser Stelle den Artikel verlassen und im besten Falle nach der Sichtung von «Chapter 1» und «Chapter 2» noch einmal zu uns stoßen.
Zunächst einmal ist der Titel «Roanoke» nicht wesentlich aussagekräftiger als die vollkommene Weigerung vor der Weitergabe näherer Informationen. Wusste man im Falle der vorherigen Staffeln «Murder House», «Asylum», «Coven», «Freak Show» und «Hotel» wenigstens im Ansatz, wo man das Geschehen der kommenden Folgen einordnen musste, wird «Roanoke» auf den ersten Blick wohl nur all jenen ein Begriff sein, die im weitesten Sinne aus der Gegend dieser verlorenen Kolonie vor der Ostküste des Bundesstaats North Carolina stammen. Schon bekannter ist da der Begriff CROATOAN; nicht zuletzt deshalb, weil er mehrmals in der beliebten Fantasyhorror-Serie «Supernatural» aufgegriffen wurde. Doch die Roanoke-Kolonie fand auch anderorts popkulturelle Verwendung; zu unheimlich sind die Legenden, die sich um sie ranken. «Andromeda», «Sleepy Hollow», «Haven», aber auch Filme wie «Mindhunters» oder «Die Herrschaft der Schatten» griffen auf, was hier Ende des 16. Jahrhunderts geschah.
Das frühere Wohngebiet der Roanoke-Indianer wurde mehrmals zu besiedeln versucht. Beim ersten Mal folgte auf den falschen Zeitpunkt das Ausbleiben der Ernte, beim zweiten Versuch jedoch verschwanden die rund 120 Sieder spurlos und hinterließen lediglich das in einen Holzpfahl eingeschnitzte Wort CROATOAN, das später wahlweise einem Fluch, einer Krankheit oder einem Indianerhäuptling zugeordnet wurde, in Wirklichkeit aber den Namen einer nahegelegenen Insel beschrieb. Für die sechste Staffel von «American Horror Story» verschlägt es ein Pärchen namens Matt (Cuba Gooding Jr.) und Shelby (Sarah Paulson) in ein verlassenes Herrenhaus in dieses Gebiet; «Roanoke» erzählt unter Berufung auf wahre Ereignisse vom Terror und Spuk, die das junge Paar über sich ergehen lassen musste und lässt die echten Matt und Shelby dieses Geschehen parallel dazu kommentieren.
Zugegeben: Es sind nicht wirklich die echten Matt und Shelby, die in der sechsten Staffel von «American Horror Story» immer wieder aus dem Off oder vor einer Kamera sitzend davon erzählen dürfen, was ihnen einst in dem Anwesen passierte. Die beiden werden von Lily Rabe und André Holland verkörpert. Ein interessanter, inszenatorischer Kniff ist es dennoch, wenn sich die ohnehin schockierenden Schilderungen des Paares mit den noch weitaus drastischeren (nachgestellten) Geschehnissen in der Fiktion abwechseln. Inwiefern sich die Ereignisse abseits dieser True-Events-Behauptung tatsächlich so oder ähnlich zugetragen haben, darüber schweigen sich die Macher des Formats bisher aus. Trotzdem kam es in der Vergangenheit immer wieder zu unheimlichen Vorkommnissen in der Roanoke-Region, sodass es vielleicht gar nicht unbedingt eines konkreten Ereignisses bedürfte, um «Roanoke» mit zusätzlicher Spannung zu unterfüttern, indem man sich auf wahre Ereignisse beruft.
Mit diesem halbdokumentarischen Erzählstil (bei dem, und das dürfte viele Zuschauer sicherlich freuen, nicht auf den hier gern gewählten Ansatz der Found-Footage-Inszenierung zurückgegriffen wird) gelingt es den Machern, eine besondere Form der Authentizität zu wahren. Immer und immer wieder machen uns die „echten“ Matt und Shelby deutlich, wie unglaubwürdig das Geschehen klingt, nur damit die es nachstellenden Matt und Shelby anschließend zeigen, dass es doch sehr wohl so war, wie man es uns erzählt. Denn das, was in «Roanoke» passiert, präsentiert sich in einer Suspense-Dichte, von der sich das moderne Horrorkino eine Scheibe abschneiden kann. Ohne auf allzu vorhersehbare Jump-Scares zu setzen, reihen die Macher einen symbolhaften Schock an den nächsten (vor allem das eigentlich als Liebessymbol und Glücksbote verstandene Schwein scheint hier noch eine große Rolle zu spielen), ohne dabei zu vergessen, dass auch der gruseligste Spuk mit einer Story untermauert werden sollte, damit er noch besser funktioniert. Entsprechend konzentriert sich «American Horror Story – Roanoke» anders als die letzten Staffeln deutlich gezielter nur noch auf wenige Figuren. Neben Matt und Shelby erhält wenig später auch die als Skeptikerin angelegte Lee (Angela Bassett/Adina Porter), Matts Schwester, Einzug in das Anwesen, deren Background als Alkoholikerin und allein erziehende Mutter das Geschehen noch stark beeinflussen wird. Von Kathy Bates gibt es in den ersten beiden Episoden noch wenig zu sehen, doch soviel sei verraten: Die Gute scheint die Seiten gewechselt zu haben.
- © FX
Mit 25 Teasern führten die Macher ihr Publikum konsequent in die Irre. Zuletzt deutete nur eine einzige Kurzvorschau das Geschehen der sechsten Staffel tatsächlich an.
Obwohl wir in den ersten beiden Folgen (die übrigens ohne die kultige Vorspannsequenz auskommen mussten – ein wenig hoffen wir aber schon noch, dass sich das in den kommenden Episoden ändern wird) bereits einen Einblick darin erhielten, auf welche erzählerischen Pfade uns «Roanoke» mitnehmen wird, waren «Chapter 1» und «Chapter 2» so voller verschiedener Nebenschauplätze, dass sich noch überhaupt nicht absehen lässt, wovon die sechste Staffel nun überhaupt handelt. Mit Matt und Shelby sind die Protagonisten als Opfer eines furchtbaren Spuks festgelegt, doch eine unheimliche Legende um zwei mordende Krankenschwestern, grauenhafte Rituale im Wald, Visionen von abgetrennten Schweineschwänzen und eine verschwundene Tochter, die mit einer unsichtbaren Freundin spricht, deuten so viele, mitunter auch überhaupt nicht zusammenhängende Konfliktherde an, dass es uns gar nicht wundern würde, wenn sich letztlich doch herausstellt, dass alle 25 Teaser zu «Roanoke» gehören. Mit der Konzentration auf nur wenige Figuren gehen die Schöpfer und Regisseure hier einen guten Weg, denn im Kern steckte in der Serie schon immer auch ein tiefgreifendes, menschliches Drama. Nie war das Suchtpotenzial von «American Horror Story» höher, als diesmal
«American Horror Story – Roanoke» ist hierzulande ab dem 3. November 2016, donnerstags um 21 Uhr auf dem Pay-TV-Sender FOX Channel zu sehen.
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