Die Kritiker

«Böse Wetter - Das Geheimnis der Vergangenheit»

von

Mit dem deutsch-deutschen Vergangenheitsbewältigungsdrama zeigt Das Erste am Tag der deutschen Einheit Götz Georges letzten Film.

Cast & Crew

  • Regie: Johannes Grieser
  • Darsteller: Matthias Koeberlin, Catherine Bode, Götz George, Gudrun Landgrebe, Liane Forestieri, Claudio Schulte, Alexandra von Schwerin, Joachim Nimtz, Sven Kramer, Alexander Becht, Daniel Flieger
  • Drehbuch: Nicholas Hause, Michael Gebhart – nach einer Idee von Elisabeth Herrmann
  • Kamera: Anton Klima
  • Schnitt: Esther Weinert
  • Produktionsfirma: Radical Movies
Als der Geophysiker Leonard (Matthias Koeberlin) in seine Heimat nahe der früheren deutsch-deutschen Heimat zurückkehrt, hat er Bauchgrummeln. Mit dieser Gegend verbindet er den vorzeitigen Tod seines Vaters – ein Grubenunglück kostete ihm sein Leben. Leonard soll nun die Pleite der Mine von Unternehmer Friedrich Türnitz (Götz George) abwenden, indem er dort nach Silber sucht – genau in der Mine, in der einst sein Vater verunglückt ist. Dabei unterstützt ihn seine Jugendfreundin Kathrin (Catherine Bode). Diese muss ihm schlussendlich aber bei etwas ganz anderem helfen: Sie muss ihm bei einer erschreckenden Erkenntnis Beistand leisten. Denn als die Untersuchungen der Mine zeigen, dass es im Tunnel, der Leonards Vater unter sich begraben haben soll, nie zu einem Einsturz gekommen ist, wird klar, dass mehr hinter seinem Tod steckt. Leonard erfährt bei weiterführenden Recherchen, dass die Stasi etwas mit dem Verschwinden seines Vaters zu tun hat. Spielte womöglich auch Türnitz, dem eine Affäre mit Leonards Mutter (Gudrun Landgrebe) nachgesagt wird, eine Rolle in diesem Drama?

Eigentlich handelt dieser Neunzigminüter von deutsch-deutscher Geschichte. Vom erschreckenden Einfluss der Stasi und von den Widrigkeiten, die Menschen zu durchstehen hatten, die in den Westen fliehen wollten. Eingebettet ist diese filmische Vergangenheitsbewältigung in ein Familien- und Selbstfindungsdrama. Leonard, der als Halbwaise zum Internatskind wurde und eine unterkühlte Beziehung zu seiner Mutter unterhält, lernt durch die Grauen der deutsch-deutschen Vergangenheit auch seine eigene Vergangenheit kennen, wodurch er in der Gegenwart tatkräftiger und entschlossener wird, selbst wenn durch die Erkenntnisse zudem neue Wunden in seiner Seele entstehen. Das Drehbuch von Nicholas Hause und Michael Gebhart (entworfen nach einer Idee von Elisabeth Herrmann) geht in diesem Wechselspiel zwischen nationaler und privater Historie keine originellen Wege, skizziert es aber plausibel. Leider sind gerade in Wendemomenten die Dialoge gekünstelt, wodurch diese Augenblicke nicht still-eindringlich (wie sonst in diesem Film), sondern pathetisch-aufdringlich geraten.

Trotzdem werden diese tragenden inhaltlichen Elemente von «Böse Wetter» durch reale Ereignisse und deren Folgen überschattet. Es ist kaum möglich, dieses Fernsehdrama so zu betrachten wie jedes andere. Schließlich ist es der letzte Film des im Sommer verstorbenen Götz George – dem entsprechend rückt seine Performance stärker in den Fokus der Aufmerksamkeit. Nicht zuletzt auch aufgrund kleiner Wortgefechte darüber, welches Vermächtnis man hinterlassen will. Der alte, grantige Türnitz pfeift auf ein achtbares Vermächtnis, weil er barsch ist und etwas zu verbergen hat.

Dass George diese Aussage mit Wucht und Pfeffer macht, in einem Film, in dem er auch durch dreckige, enge Minentunnel kriecht und in Dialogpassagen wie eh und je seine körperliche Präsenz einzusetzen weiß, gewinnt vor den realen Hintergründen eine weitere Aussage: Ein George hat selbst mit über 70 Jahren noch nicht daran gedacht, behäbige, kalkulierte Filme zu drehen, die seinem Vermächtnis womöglich gut tun könnten. Er hat bis zum Schluss einfach weiter Filme gedreht und sich in diese Projekte reingesteigert – was seinem Vermächtnis letztlich wahrlich nicht geschadet hat.

Regisseur Johannes Grieser hat mit «Böse Wetter» jedenfalls einen Film beigesteuert, der in Georges Vita einen respektablen Schlusspunkt markiert. Die mit dramatischer Musik unterlegte Einführungssequenz, in der ein Tunneleinsturz gezeigt wird, ist auffällig akkurat inszeniert, es lässt sich praktisch vorhersagen, wo im Bild als nächstes ein Brocken niederschlagen wird. Doch davon abgesehen ist die Bildsprache, wenngleich routiniert, stimmig und das Erzähltempo der gebotenen Dramatik angemessen. Während viele der Randfiguren nur Stichwortgeber sind, bleiben die zentralen Darsteller positiv in Erinnerung: Gudrun Landgrebe bringt der Mutterrolle ehrwürdiges emotionales Gewicht mit, Catherine Bode ringt ihrer einfühlsamen Kathrin auch eine dezente Spur Humor ab und Matthias Koeberlin kauft man den besorgten, rätselnden Leonard, der außerdem auf witzige Weise Kathrins Flirtereien übersieht, durchweg ab. Und George verabschiedet sich mit einer kantigen, und dennoch charismatischen, letzten Darbietung.

«Böse Wetter - Das Geheimnis der Vergangenheit» ist am 3. Oktober 2016 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.

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