Interview

„Mit linearem Fernsehen ist niemals Schluss!“

von   |  1 Kommentar

Radiomoderator und Fernsehblogger Michael Reufsteck über fragmentiertes Fernsehen, empfehlenswerte Streamingdienste, die Angst vor Spotify beim Radio und zu viele Entscheider bei ARD und ZDF.

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Serien sind der Parademarkt für Streamingdienste, weil das lineare Fernsehen bei Serien den Sendeplatz verschiebt, die Staffeln durcheinanderwirft oder die Serie auch mal mittendrin absetzt.
Dennoch schauen die meisten Menschen Serien noch im linearen Fernsehen. Wenn Sie die Zahlen aller Streamingportale in Deutschland zusammenzählen, sind Sie wahrscheinlich nicht mal bei den Quoten, die ein kleiner linearer Sender in Deutschland hat. Streamingportale geben ihre Zahlen auch nicht ohne Grund nicht bekannt. Netflix und Amazon, die als Underdogs galten und gelten, werden aber daran gemessen, ohne dass irgendjemand die genauen Zahlen kennt. Niemand weiß, wie viele Menschen «House of Cards» wirklich gesehen haben und niemand weiß, wer «Orange is the new black» genau gesehen hat.Sicher haben Streamingdienste ihre Erfolge, aber das auch, weil die Menschen sagen: Das ist das Neue! Der Vergleich ist einfach nicht fair.

Wie viele Abrufabonnements brauche ich momentan?
Das kommt darauf an, wie schnell Sie aktuelles Fernsehen sehen wollen. Wenn Sie bei allem als Erster dabei sein wollen, brauchen Sie erst einmal sehr sehr viel Zeit - und nichts dabei zu verpassen, ist bei der Vielzahl guter Produktionen fast unmöglich. Und dann brauchen Sie: Alle. Ansonsten: Sky Online war immer sehr verzichtbar, schon wegen der völlig indiskutablen Benutzerführung. Und was auf maxdome läuft, können Sie auch gratis auf ProSieben sehen. Amazon und Netflix sind wichtig - und wenn man etwas genügsamer ist, reicht vielleicht auch einer der beiden. Irgendwann ist jede Serie überall mal verfügbar. Sie müssen einfach warten, bis sie älter ist.

Nur kann man genau deswegen nicht mehr über Serien sprechen.
Die wichtigste Frage bei Gesprächen über Fernsehserien ist deswegen auch: In welcher Staffel bist Du gerade und was ist gerade passiert? Man sagt dann meist, eine Serie sei toll, aber spricht nicht über den Inhalt, weil man den Anderen eben nicht spoilern will.

Abseits der Serien haben sich die Großen des Fernsehens alle verabschiedet: Harald Schmidt ist gegangen, «Wetten dass..?» ist beerdigt, «Schlag den Raab» ist zu Ende. «Zimmer frei» feierte kürzlich seinen Abschied und «Domian» hört auf. Was kommt jetzt noch?
Harald Schmidt hat zehn Jahre zu spät aufgehört. Aber es kommen gerade neue Talente nach. Viele nennen da Joko und Klaas, Jan Böhmermann ist ein Beispiel. Sicherlich werden diese neuen Talente nicht mehr die Zuschauerzahlen von früher erreichen, aber Harald Schmidt hatte genau diese großen Zuschauerzahlen nie. In den letzten fünf Jahren seiner Sendung hätte man die jungen Menschen auf der Straße fragen können, ob sie ihn kennen und sie hätten es wohl verneint. Harald Schmidt war ein Star des Feuilletons und hat sich auch einen Spaß daraus gemacht, am Zuschauer vorbeizusenden. Er wollte nie ein Star der Masse sein und war es auch nie. Und Jan Böhmermann oder Joko und Klaas senden von vornherein nur noch für ein kleines Publikum, nur sind sie bei diesem Publikum echte Stars. Der Nachwuchs kommt heute oft von YouTube. Und ob die dann irgendwann zum linearen Fernsehen wechseln oder sie ihre Karriere bei Youtube fortsetzen, wird sich zeigen. Der Verbreitungsweg spielt letztlich keine Rolle.

Das Fernsehen richtet sich derweil auf youtube aus: Die großen Aktionen in der Samstagabend-Show oder die Schnipsel aus den Talkshows dauern meist genau die drei Minuten, die es braucht, um sie danach bei youtube zu verwerten.
Wenn dieser Verbreitungsweg eine entsprechende Resonanz bekommt, ist das ein Erfolg. Die Frage ist, ob man mit dem Hochladen der Schnipsel auf youtube auch das Geld verdient, das die Produktion kostet und ob man das Geld reinholt, dass man im werbefinanzierten Fernsehen verdienen kann. Dass grundsätzlich das Geldverdienen mit YouTube möglich ist, zeigen einige der dortigen Starsbereits.

Der Samstagabend-Show fehlt dann nur die Tiefe, die Ausarbeitung der Aktion und bei der Talkshow die Aussage.
Richtig. Andererseits gibt es dreistündige Samstagabend-Shows, die gar keine Tiefe haben und Talkshows, die auch nach 60 Minuten keine Aussage haben.

Lesen Sie auf der nächsten Seite: Kennt Michael Reufsteck zehn Sendungen, die mit B beginnen? Und wie sieht er die Entwicklung des deutschen Radios? Lässt es sich von Spotify die Butter vom Brot nehmen?


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Sentinel2003
05.10.2016 11:09 Uhr 1
Schönes Interview!

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