Die Kino-Kritiker

«Sausage Party»

von

Seth Rogen und Co. ziehen Pixar durch den Kakao. Durch einen versauten, frechen, verrückten Kakao voller Zoten.

Filmfacts «Sausage Party»

  • Regie: Conrad Vernon, Greg Tiernan
  • Produktion: Megan Ellison, Seth Rogen, Evan Goldberg, Conrad Vernon
  • Drehbuch: Kyle Hunter, Ariel Shaffir, Seth Rogen, Evan Goldberg
  • Story: Seth Rogen, Evan Goldberg, Jonah Hill
  • Musik: Alan Menken, Christopher Lennertz
  • Schnitt: Kevin Pavlovic
  • Laufzeit: 88 Minuten
  • FSK: ab 16 Jahren
Comedystar Seth Rogen ist, wie viele Filmfreunde, bekennender Pixar-Fan. Weshalb sollte er es auch nicht sein? Die zum Disney-Konzern gehörende Trickschmiede produzierte unter anderem mit der «Toy Story»-Trilogie, «Findet Nemo», «Ratatouille» und «WALL·E» diverse moderne Trickklassiker, die nicht nur die jüngsten Kinogänger begeistern, sondern auch erwachsene Cineasten. Doch während sich zahlreiche Pixar-Trittbrettfahrer finden lassen, so sind waschechte Parodien auf das mehrfach preisgekrönte Studio rar gesät. Aus einer Laune heraus nahmen sich Rogen sowie seine Dauerkollaborateure Evan Goldberg (Skript von «Das ist das Ende») und Jonah Hill («Beim ersten Mal») vor, dies zu ändern.

Und zwar, an der Oberfläche betrachtet, auf die denkbar juvenilste Weise: Mit einem Animationsfilm namens «Sausage Party» wollten sie nach dem geheimen Leben von Spielzeugen, Fischen und den Monstern in unserem Schrank das geheime Leben von Lebensmitteln erzählen – inklusive zahlloser Zoten und der unvermeidlichen Erkenntnis: Diese ach-so-magische Grundidee verwandelt sich rasch in eine Horrorvorstellung. Jedoch ließen es Rogen und seine Ko-Autoren als das Projekt nach jahrelanger Vorarbeit in Produktion ging, nicht darauf beruhen: Der Komiker, der bereits mit «The Interview» einen Mix aus Blödelkomödie und Satire verantwortete, unterfüttert seinen an Erwachsene gerichteten, albernen, versauten Film mit so manch überraschend profunden Grundideen. Halt in bester Pixar-Manier – deren aktuellstes Projekt ist ja schließlich auch eine Fischkomödie über Familienverlustängste sowie den Umgang mit psychisch benachteiligten Zeitgenossen

Das Würstchen weiß, was es will …


Das Hot-Dog-Würstchen Frank hat einen Herzenswunsch: Gemeinsam mit seiner Brötchen-Freundin Brenda von den Göttern auserwählt werden, um in einem paradiesischen Jenseits seine Verpackung verlassen zu dürfen, so dass er endlich in Brenda eindringen kann. Eines Tages macht sich jedoch Verwirrung breit: Honigsenf, der von einem Kunden, pardon, Gott ausgewählt und kurz darauf in den Supermarkt zurückgebracht wurde, bebt am ganzen Leib und erzählt voller Schrecken und Wut, dass die Götter brutale Wesen seien, die den Produkten nur Leid zufügen wollen.

Als Brenda und Frank nach Honigsenfs Rückkehr gemeinsam in einen Einkaufswagen gehoben werden, und auch Honigsenf erneut den Laden verlassen soll, knallen bei der süß-herzhaften Soße endgültig die Synapsen durch: Sie verursacht durch ihren Suizid einen schweren Unfall. Brenda und Frank finden sich gemeinsam mit dem muslimischen Teigfladen Kareem Abdul Lavash und dem jüdischen Hefegebäck Sammy Bagel Jr. irgendwo im Supermarkt wieder – und müssen sich nun entscheiden: Wollen sie zurück in ihr Regal, um darauf zu warten, erneut auserwählt zu werden, oder stellen sie ihren Glauben aufgrund von Honigsenfs Warnungen in Frage und machen sich auf die Suche nach der Wahrheit?

Wer braucht schon Vorspiel? Direkt losgelegt und immer härter weitergemacht!


Als Mischung aus derbem Chaoshumor und smarteren Seitenhieben auf größere Themen (etwa auf den Nahostkonflikt) hat «Sausage Party» durchaus eine gewisse Artverwandtschaft mit «The Interview» und vor allem mit «Das ist das Ende». Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied: Während «Das ist das Ende» vor sein postapokalyptisches Chaos eine selbstironische Promiparty schaltet, und sich davor die Zeit nimmt, die Freundschaft der beiden Protagonisten auf bodenständige Weise zu etablieren, und «The Interview» noch als Talkshowparodie beginnt, hechelt «Sausage Party» nahezu sofort in einen Vulgaritätsexzess.

Der Film eröffnet mit einer Parodie auf typische Disneymusical-Eröffnungslieder (für die Musik zeichnet sogar Disney-Hofkomponist Alan Menken zuständig), wobei bereits nach wenigen Takten die glücklichen, naiven Lebensmittel über die verbale Stränge schlagen und garstig Andersdenkende beleidigen. Somit startet «Sausage Party» prompt als Parodie der Marke „Was wäre, wenn Disney/Pixar auf Familienfreundlichkeit scheißen würden?“, statt als konzeptionelle Persiflage, die eine Disney-Grundidee nimmt und durch inhaltliche Entwicklungen nach und nach dekonstruiert. Ob dies nun ein Nachteil ist oder nicht, dürfte eine Geschmacksfrage sein, der Überraschungsfaktor wird dadurch aber de facto arger begrenzt als bei «The Interview» und «Das ist das Ende».

Stattdessen setzt «Sausage Party» enorm auf den Schockfaktor und den Reiz des Kalauerexzesses: Phallische Würstchen reden unentwegt davon, endlich in ein warmes Brötchen eindringen zu wollen. Ein niedliches, kulleräugiges Glas Honigsenf spricht von der Lügenwichserei der Götter. Und eine Intimdusche will nichts sehnlicher, als mit seinem Rohr eine Göttin zu säubern … All dies gewinnt aufgrund der «South Park»-artigen Vehemenz, die auf die immer wieder durchschimmernde Warmherzigkeit trifft, die Rogens Humor üblicherweise ausmacht, einen sehr pubertären, aber naiv-albernen Charme. Denn aller Kodderschnauze zum Trotz zeigen die Autoren ein ehrliches Interesse an der Beziehungsdynamik von Frank und Brenda sowie an der Hassliebe zwischen Lavash und Bagel. Unzählige visualisierte Wortspiele und die pointiert-inkonsistente Filmwelt mit ihren hysterischen Konsequenzen für ihre Bewohner sorgen letztlich auch für humoristische Abwechslung.

Es ist angerichtet


Sobald die handelnden Lebensmittel erstmal in ihr Abenteuer gestürzt werden, denkt «Sausage Party» die „Was wäre, wenn Lebensmittel und Gebrauchsgegenstände leben würden?“-Idee auf stets pointierte Weise weiter – und entwirft eine kranke Welt voller amüsiert-überspitzter Stereotypen, leidender Produkte und der Küche als Folterkammer. Nebenher zanken die Figuren aber auch darüber, ob sie blind ihrer Religion folgen und glücklich-naiv sein sollten, oder lieber aufgeklärt und zynisch – oder ob es einen dritten Weg gibt. Außerdem wird auf humorvoll-aggressive Weise Toleranz beworben: «Sausage Party» reibt frech grinsend seinem Publikum die „Jedem, wie es beliebt“-Message ins Gesicht, was in den besten Momenten trotz (oder gerade wegen) des simplen Designs und der technisch sehr bescheidenen, detailarmen Animation cartoonigen Pepp hat: Wenn die Figuren Schmerzen leiden oder sich gegen Schluss ihrer Leidenschaft hingeben, zeigen die Animatoren Schwung – andere Sequenzen sind derweil nicht nur technologisch karg, auch die Figuren bewegen sich sehr mechanisch.

Verbunden mit den bewusst grotesk gestalteten menschlichen Figuren sieht «Sausage Party» daher stellenweise eher hässlich aus, statt gezielt den Anschein eines Fließband Pixar-Abklatschs zu erwecken. Insbesondere der etwas langsamer erzählte Mittelteil, in dem Teile der Heldentruppe durch den Supermarkt irren, leidet darunter, was angesichts des inhaltlichen Leerlaufs doppelt schwer wiegt – und als Antagonist überreizt die aggressive Intimdusche mehrmals ihren narrativen Nutzen. Die hohe Schlagzahl an durchgeknallten Ideen im klimatischen Finale entschädigt jedoch für einige der Schwächen im zweiten Drittel: Irgendwann lässt der von Anfang an enthemmte «Sausage Party» sämtliche Grenzen hinter sich und steigert sich in einen feucht-fröhlichen Angriff auf etwaige Schamgrenzen – oder eben auf die Lachmuskeln.

Fazit: «Sausage Party» ist das, was passiert, wenn lauter Humor auf Tolldreistigkeit und kunterbunten Ideenreichtum trifft: Ein derber, durch und durch bescheuerter Filmspaß, der sich so genussvoll in kalauernder Dummheit suhlt, dass er einen mit seinen klugen Einfällen gehörig überraschen kann. Anders gesagt: So gaga, dass man es gesehen haben muss!

«Sausage Party» ist ab dem 6. Oktober 2016 in vielen deutschen Kinos zu sehen.

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