Und so laufen eben seit diesem Montag zwei weitere große Marken aus der "guten, alten Fernsehzeit" der 90er, als das Privatfernsehen sogar noch in der Daytime zu wirklichen Investitionen bereit war und noch nicht das Halbtagsgeschrei der heutigen Zeit dominierte, im neuen Gewand - während die Fortsetzung von «Jeopardy!» und «Familienduell» bereits beschlossene Sache ist. Als Startpunkt des neuen Duos bekleidet «Ruck Zuck» die etwas undankbareren Sendeplätze ab 18:40 Uhr, wo es zunächst darum geht, das Gameshow-Publikum ausreichend anzufixen, dass es sich beide Folgen anschaut und bestenfalls danach ab 19:25 Uhr auch noch bei den zwei «Glücksrad»-Episoden dranbleibt. Nach Sichtung der jeweiligen Auftaktfolgen dürfte sich insbesondere letztere Aufgabe als herausfordernd darstellen, denn Jan Hahn tut sich bei seiner ersten großen Herausforderung nach dem Senderwechsel erst einmal noch ziemlich schwer als Showmaster - und hat darüber hinaus auch noch den konzeptionell schwierigsten Fall des neuen alten Quartetts zu tragen.
«Ruck Zuck»: Geissen gibt richtig Gas - für wenig Geld
«Ruck Zuck»-Historie
- Basiert auf einer US-Show aus dem Jahr 1986, die allerdings nach wenigen Monaten bereits wieder eingestellt wurde
- Lief von 1988 bis 2000 durchgängig auf Tele 5, RTL II und tm3 und kehrte 2004/2005 noch einmal mit neuen Folgen zu seinem Ursprungssender zurück
- Wurde von 1988 bis 1991 von Werner Schulze-Erdel und anschließend von Jochen Bendel moderiert - 2005 präsentierte zudem Matthias Euler-Rolle einige wenige Folgen
- Im Jahr 1992 lief auch kurzzeitig ein Spin-Off mit Kindern unter der Moderation von Desiree Nosbusch
- Gilt mit über 2.300 Folgen als zweithäufigst gesendete Gameshow nach dem «Glücksrad»
- Am Todestag von Franz Josef Strauß (3.10.1988) lief eine Folge, in der sich einer der Kandidaten als dessen Parodist versuchte - die Ausstrahlung der Folge wurde plötzlich abgebrochen
Ohnehin merkt man es der Show doch wieder deutlich an, dass sie letztlich (wie auch die drei anderen) am Fließband produziert wurde. Das Studio ist gewiss kein Hingucker, den Jingles mangelt es an dem Kultfaktor, den «Jeopardy!» und «Familienduell» ohne jede Frage besitzen und für potenziell interessierte Teilnehmer dürfte die erreichbare Gewinnsumme sicherlich nicht das erste Argument sein, sich für die Show zu bewerben: Realistisch gesehen dürfte in den meisten Folgen eine dreistellige Gewinnsumme an das Gewinner-Quintett gehen, selbst bei optimistischer Herangehensweise nimmt man nur wenige tausend Euro mit. Was den potenziellen Pro-Kopf-Gewinn angeht, knausert keiner der Rückkehrer so sehr wie «Ruck Zuck». Da kann man nur froh sein, dass zumindest der Moderator eine gute Figur macht und das Spielprinzip so simpel zugänglich, rasant und unterhaltsam ist, dass man mit etwas gutem Willen über die Schwächen hinwegblicken kann. Wer nach kurzweiligem Vorabend-Spaß sucht, dürfte hier fündig werden.
«Glücksrad»: Steifer Hahn hetzt sich durch das große Sorgenkind
«Glücksrad»-Historie
- Basiert auf der US-Show «Wheel of Fortune», wo das Format noch bis heute läuft
- Lief von 1988-1997 in Sat.1, von 1998-2002 bei kabel eins und schließlich 2004 noch einmal bei 9Live mit neuen Folgen
- In der Sat.1-Zeit wechselten sich Peter Bond und Frederic Meisner ab, später dominierte Meisner - von wenigen Folgen unter der Leitung von Thomas Ohrner abgesehen
- Ist mit über 4.000 Folgen die meistgesendete Spielshow im deutschen Fernsehen
- Die Sat.1-Einstellung erfolgte letztlich trotz Reichweiten von immer noch rund vier Millionen Zuschauern täglich - weil das Publikum vor den Geräten wie auch im Studio dem Sender zu alt war
- 1992 drehte die heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel am Glücksrad
Die Bemühungen um Tempo jedoch wirken hier ganz im Gegensatz zu «Ruck Zuck» eher etwas störend und lassen schnell das Gefühl aufkommen, die Macher könnten die Folgen gar nicht schnell genug im Kasten haben. Zeit zum Nachdenken für die Kandidaten bleibt hier ebenso wenig wie für längere Gespräche - wobei letzteres Argument durch das Auftreten von Jan Hahn wiederum ein wenig relativiert wird. Denn der im «Sat.1-Frühstücksfernsehen» noch so entspannt wirkende Leipziger hat erstaunlich große Probleme, unverkrampfte Gespräche mit seinem Kandidatentrio zu führen und seiner Mimik und Gestik wenigstens ein Mindestmaß an geheucheltem Interesse abzuringen. Das alles wirkt doch eine Idee zu bemüht, als dass sich irgendeine authentische Interaktion entwickeln könnte, das eher deplatziert wirkende Siezen der Kandidaten vergrößert die Distanz zum Moderator noch zusätzlich und die neue Buchstabenfee Isabel Edvardsson bleibt ebenfalls noch relativ blass.
Und auch das kalt, plastisch und lieblos eingerichtete Studio wirkt sich beim «Glücksrad» negativer aus als bei den anderen Remakes, lebte das Original doch viel stärker von Deko und Requisiten: Das mächtige Rad, an dem die Teilnehmer drehen, die Buchstabenwand, an der Maren Gilzer und Co. lasziv rumfriemelten, sobald ein Buchstabe aufleuchtete, die zahlreichen Gewinne und das Publikum im Hintergrund - all das ist durch billigste Imitate ersetzt worden oder sogar überhaupt nicht mehr zu sehen, wodurch der mitunter vielleicht auch etwas spießige Charme des Originals leider weitgehend verloren geht. Immerhin: Die Gewinnsummen sind hier mit bis zu 1.000 Euro pro richtigem Buchstaben ein gutes Stück weniger mickrig ausgefallen, aber das alleine dürfte wohl kaum Argument genug zum Zuschauen sein.
Fazit: Bitte kleine Brötchen backen!
Wer in den vergangenen sechs Wochen schon einmal am Vorabend bei RTLplus reingeschaut hat, dürfte wohl bereits gemerkt haben, dass hier lediglich abgespeckte Versionen der Kult-Gameshows angeboten werden - die dank der weitgehenden konzeptionellen Anlehnung an die Originale zwar dennoch Spaß machen, aber eben schon eine Spur steriler und "billiger" daherkommen als in ihren Hochzeiten. Eingedenk des Umstands, dass alle Formate im gleichen Studio entwickelt und oftmals zahlreiche Folgen am Stück aufgezeichnet werden, verwundert dies nicht, sollte aber ins Bewusstsein gerufen werden. So wirklich schwer wiegt dies einzig beim «Glücksrad», denn bei den drei anderen Formaten waren die visuellen Reize schon früher eher nicht so diejenigen, die im Zentrum des Interesses standen. Wenn sich dann noch Jan Hahn als derjenige Moderator herausstellt, der mit seiner neuen Aufgabe am meisten fremdelt und sogar die alten Jingles durch Random-Chartmucke (als Titelmelodie hat man den Madcon-Titel "Keep My Cool" ausgewählt) ersetzt wird, geht der Show vielleicht etwas zu viel von der Liebe und dem Leben des Originals verloren.
Bei «Ruck Zuck» schlagen sich all diese Problematiken der Fließband-Produktion weitaus moderater nieder: Schon unter Schulze-Erdel und Bendel war das Studio selten der ganz große Hingucker, das Spiel ist theoretisch auch ohne jedes technische Hilfsmittel, ohne jeden Pult und ohne jede Video-Wall spielbar, weshalb es ja auch bei Privatpartys bis heute gerne gespielt wird. Oliver Geissen stört als neuer Moderator vielleicht auch deshalb selbst die Fans von damals gar nicht so sehr, weil er Bendel vom Typus her durchaus ähnelt. Schade sind hier nur die wirklich sehr mickrigen Gewinnsummen. Summa summarum ist die Transferleistung ins Jahr 2016 also hier weitaus besser geglückt als beim «Glücksrad», das zumindest qualitativ der erste Anwärter auf eine erneute Einstellung ist und auf ein breites Publikumsinteresse aller Mängel zum Trotz hoffen muss.
Jeweils zwei neue Folgen der Shows laufen von nun an sechs Wochen lang im Vorabend-Aufgebot von RTLplus. «Ruck Zuck» muss um 18:40 Uhr ran, das «Glücksrad» begleitet sein Publikum ab 19:25 Uhr bis zur Primetime.
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