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Steven Gätjen: 'Wenn eine Sendung schlecht ist, ist immer der Moderator schuld'

von   |  2 Kommentare

Moderator und Kinofan Steven Gätjen spricht mit Quotenmeter.de über seine Herangehensweise an Filmkritik, seinen Umgang mit Kritik an ihm und die Lektionen aus seinem Quotenmisserfolg «I can do that!».

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Ich verfolge die Kritiken an meinen Sendungen, denn mir ist dieser Austausch sehr wichtig. An Kritiken ist ja sehr oft was Wahres dran. Das Problem ist nur, dass es so viel einfacher und attraktiver ist, etwas Böses zu schreiben als was Positives. Wer einen Verriss schreibt, am besten mit einer unter die Gürtellinie zielenden Schlagzeile, der erreicht mehr Klicks oder verkauft mehr Exemplare .
Steven Gätjen
Um da nun den Bogen zu machen: Sie sind ja nicht nur gewissermaßen Kritiker, Sie sind auch jemand, über den Kritiken verfasst werden. Wie gehen Sie mit Kritik um, lesen Sie das Social-Media- und Feuilleton-Feedback?
Ich verfolge die Kritiken an meinen Sendungen, denn mir ist dieser Austausch sehr wichtig. An Kritiken ist ja sehr oft was Wahres dran. Das Problem ist nur, dass es so viel einfacher und attraktiver ist, etwas Böses zu schreiben als was Positives. Wer einen Verriss schreibt, am besten mit einer unter die Gürtellinie zielenden Schlagzeile, der erreicht mehr Klicks oder verkauft mehr Exemplare als derjenige, der meint „Über den Witz habe ich mich beömmelt, das komplizierte Spiel hat der Gätjen verständlich erklärt, das war schön gemacht …“ Daher kommt es schon vor, dass ich vier Kritiken lese und dann erstmal eine Verschnaufpause brauche, weil so viel Böses darin vorkommt. Und trotzdem setze ich mich weiter mit den Reaktionen auf meine Arbeit auseinander, denn nur, wer Kritik an sich zulässt und ihr Beachtung schenkt, kann daraus lernen, wenn sie konstruktiv war. Das merke ich an mir selber: Ich moderiere heute ganz anders als vor 20 Jahren, und das hat nicht allein mit dem Alter zu tun, sondern auch mit der Mischung aus wachsender Erfahrung und gelernten Lektionen aus Feedback. Dinge, aus denen ich eine Lehre ziehen kann, nehme ich mir nämlich zu Herzen – versuche dabei aber, dennoch authentisch und ich selbst zu bleiben. Warum sollte ich mich auf der Bühne völlig verstellen, das will ja auch keiner …

Wie sieben Sie aus, was konstruktive Kritik ist und was nicht? Bei Artikeln lässt sich das ja anhand der Schlagzeile erahnen, aber bei Twitter und Facebook erkennt man erst, ob in den wenigen Sätzen gepöbelt wird oder nicht, wenn man es gelesen hat …
Da muss man sich halt durchbeißen. Das habe ich spätestens gelernt, als ich Matthias Opdenhövels Nachfolge bei «Schlag den Raab» angetreten habe. Stefan meinte vorher noch zu mir: „Du musst wissen: Völlig egal, wie gut du bist, es wird ein Jahr dauern, bis sich die Leute beruhigt haben!“ Und dennoch war ich vollkommen davon erschlagen, was da auf mich hereingebrochen ist. Ich wurde angepöbelt, weil ich nicht wie Matthias bin. Entschuldigung, aber ich bin nun einmal nicht Matthias!

Da muss man sich halt durchbeißen. Das habe ich spätestens gelernt, als ich Matthias Opdenhövels Nachfolge bei «Schlag den Raab» angetreten habe. Stefan meinte vorher noch zu mir: „Du musst wissen: Völlig egal, wie gut du bist, es wird ein Jahr dauern, bis sich die Leute beruhigt haben!“ Und dennoch war ich vollkommen davon erschlagen, was da auf mich hereingebrochen ist. Ich wurde angepöbelt, weil ich nicht wie Matthias bin. Entschuldigung, aber ich bin nun einmal nicht Matthias!
Steven Gätjen darüber, wie er gelernt hat, mit Pöbelkritik umzugehen
Freunde, Familie und Kollegen sowie mein Management meinen, wenn haltlose und harsche Reaktionen auf mich hereinbrechen, immer: „Steven, dann lies das alles einfach nicht mehr!“ Aber das sagt sich als Außenstehender so leicht. Denn wenn ich meinen Beruf gut machen will, muss ich ja aus meine Fehlern lernen und ständig an mir arbeiten. Da hilft es nun einmal, Kritiken und Kommentare zu lesen, um dann im Nachhinein zu bemerken: „Oh, ich bin der Kandidatin mehrmals über den Mund gefahren. Ach, ich habe dieses Spiel vollkommen verwirrend beschrieben. Das kann ich besser machen!“ Michael Jordan hat das vorgemacht: Er war der beste Basketballer aller Zeiten, und dennoch gab es eine Phase in seiner Karriere, in der er gesagt hat: „Ich muss dringend an meinen Fähigkeiten in der Defense arbeiten“, weil er dort für Patzer kritisiert wurde. Wenn schon ein Michael Jordan Kritik gebraucht hat, dann natürlich auch jemand wie ich – ich muss erfahren, wo ich sachlicher und wo ich lustiger sein sollte. Und die ehrlichsten, unabhängigsten Rückmeldungen bekommst du von außen, nicht von innen.

Was ich daher versuche, ist, unsachliche Kritik, also Sachen, die niemand jemanden ins Gesicht sagen würde, sofort gedanklich abzuhaken. Ob das klappt, ist auch ein wenig Stimmungssache. Wie gehe ich selbst aus der Sendung raus, wie ist die Stimmung intern? Sind die Quoten gut, und kann daher mit dem Gedanken die Kritiken lesen „Naja, manchen hat’s ja doch gefallen!“ oder sind die Quoten mies – dann fühlen sich die Kritiken zunächst an, als würde jemand auf einen am Boden liegenden Boxer eintreten. Dann warte ich lieber ein paar Tage, ehe ich das Internet durchforste … Andere Male bin ich so selbstbewusst, dass ich auf gemeine Kommentare antworte, und nachhake: „Wenn die Show scheiße war, kannst du mir vielleicht auch sagen, was genau man verbessern sollte?“ Leider kommt da oft keine Antwort zurück …

Als gebührenfinanzierter Sender steht das ZDF nochmal unter besonders strenger Beobachtung. Und wenn da was nicht astrein abläuft, also vermeintlich unser Geld zum Fenster rausgehauen wird, dann werden Ventile gesucht. Das sind dann Personen, und nicht abstrakte Dinge wie der Sender oder Produktionsabläufe. Wenn eine Sendung schlecht ist, ist immer der Moderator schuld. Wenn eine Sendung gut ist, dann liegt es am tollen Konzept, und das würde mit jedem funktionieren.
Steven Gätjen
Hat sich die Art an Feedback, die Sie erhalten, geändert, seit Sie beim ZDF sind? Das Publikum ist ja schon ein anderes …
Ja, durchaus. Aber wenn Sie nun denken: „Oh, die ZDF-Zuschauer sind nicht ganz so jung wie die von ProSieben, also sind sie bei Facebook was ruhiger“, dann muss ich widersprechen. Als gebührenfinanzierter Sender steht das ZDF nochmal unter besonders strenger Beobachtung. Und wenn da was nicht astrein abläuft, also vermeintlich unser Geld zum Fenster rausgehauen wird, dann werden Ventile gesucht. Das sind dann Personen, und nicht abstrakte Dinge wie der Sender oder Produktionsabläufe. Wenn eine Sendung schlecht ist, ist immer der Moderator schuld. Wenn eine Sendung gut ist, dann liegt es am tollen Konzept, und das würde mit jedem funktionieren.

Bei «Circus HalliGalli» haben Sie vor wenigen Wochen ihr Quotenpech beim ZDF auf die Schippe genommen – nehmen Sie die Zahlen wirklich so auf die leichte Schulter?
Berechtigte Frage. Natürlich haben wir uns alle erhofft, dass mein Einstand beim ZDF erfolgreicher ist. Wieso sollte ich mich nicht freuen, wenn die «Versteckte Kamera» aus dem Stand mit mehr als fünfeinhalb Millionen Zuschauern zurückkehrt, weshalb sollte ich es nicht begrüßen, wenn «I can do that!» ein neuer Showrenner wird? Dennoch: Es ist ja auch nicht die Katastrophe, zu der man das vorschnell stilisieren würde. Man muss es in Verhältnisse setzen.

Mit «Die versteckte Kamera» hatten wir 3,62 Millionen Zuschauer gegen Biathlon und tolle 8,4 Prozent bei den Jüngeren. Bei «Deutschlands Superhirn» ging die Reichweite von 2,03 auf 2,91 Millionen Zuschauer nach oben – ein Aufwärtstrend, selbst wenn die Zahlen besser sein könnten. Und bei «I can do that!» haben wir uns von einem sehr schwachen Start auf wenigstens 3,02 Millionen Zuschauer gesteigert – und das auf einem schwierigen Sendeplatz. In der ersten Woche liefen wir gegen den «ESC»-Vorentscheid. In der zweiten Woche sind wir gegen das stets so beliebte Umstyling bei «Germany’s Next Topmodel» angetreten … Das war nicht leicht. Gleichzeitig muss ich ein sehr zufriedenes Gesamtfazit über das ZDF ziehen. Denn erstens hat das ZDF nicht übereifrig «I can do that!» abgesetzt, sondern bis zum Ende durchgehalten. Und zweitens: Wir haben uns alle zusammengesetzt und versucht, aus den begangenen Fehlern zu lernen. Es macht wirklich viel Spaß, sich mit den ZDF-Köpfen auszutauschen und zu brainstormen, wie unsere gemeinsame Strategie aussehen sollte und welche Sendungskonzepte man ausprobieren möchte.

Wir dachten, es sei klug, damit zu beginnen, eine alte Marke wie «Versteckte Kamera» neu zu beleben, danach ein kompaktes, kürzeres Showformat zu starten – da fiel letztlich die Wahl auf «I can do that!». Und danach sollte ich mit «Deutschlands Superhirn» eine jüngere Marke übernehmen. Das hat als Gesamtstrategie, wie man sieht, nicht so optimal geklappt, wie wir uns das vorgestellt haben. Und vielleicht haben wir diese Vorgehensweise auch nicht gezielt genug kommuniziert, so dass es nach außen zwischendurch aussah, als wüsste man nicht, wohin mit mir.
Steven Gätjen über seinen quotentechnisch durchwachsenen ZDF-Einstieg
Welche Fehler haben Sie und das ZDF sich eingestanden und welche Lektionen haben Sie daraus gelernt?
Es fing bei unserem Plan an, wie man mich ins ZDF einführt. Wir dachten, es sei klug, damit zu beginnen, eine alte Marke wie «Versteckte Kamera» neu zu beleben, danach ein kompaktes, kürzeres Showformat zu starten – da fiel letztlich die Wahl auf «I can do that!». Und danach sollte ich mit «Deutschlands Superhirn» eine jüngere Marke übernehmen. Das hat als Gesamtstrategie, wie man sieht, nicht so optimal geklappt, wie wir uns das vorgestellt haben. Und vielleicht haben wir diese Vorgehensweise auch nicht gezielt genug kommuniziert, so dass es nach außen zwischendurch aussah, als wüsste man nicht, wohin mit mir.

Dann genauer auf die einzelnen Sendungen geblickt: «Versteckte Kamera». Hatte ein geiles Opening, das war Rock 'n‘ Roll, weshalb es ja auch mehrmals kopiert wurde. Das Line-up an teilnehmenden Promis war auch klasse. Die Jury hat am Ende nicht funktioniert. Die hatte von den Regularien her überhaupt nichts zu sagen, und das führte dann auch dazu, dass die Jurymitglieder nichts von Wert sagen konnten. Ich kann den Juroren da auch keinen Vorwurf machen – welchen Ansporn hast du, einem Branchenkollegen was um die Ohren zu hauen, wenn es überhaupt keinen Einfluss auf die Show hat? Außerdem waren die Einspieler zu lang, sie sind teilweise ausgeplätschert, statt jeweils mit einem Knall zu enden und oft waren die Ideen für die Streiche von Anno Dazumal.

Bei «I can do that!» war die Kandidatenzusammenstellung vielleicht etwas unausgewogen, dann war natürlich der Sendeplatz problematisch – und wir haben viel zu wenig vom Training gezeigt, so dass die Lernkurve der Promis nicht deutlich wurde. Das sind alles Lektionen, die wir gemacht haben, genauso, wie bei «Deutschlands Superhirn» Folge drei und vier besser waren als die ersten beiden, wir sind viel besser auf die Kandidaten eingegangen. Und es war schön, dass das ZDF willens war, da am lebenden Objekt zu operieren.

Das ist das Schöne am Fernsehen: Wir wissen alle nicht, was funktioniert, wir wissen vorab alle nicht, wie eine Sendung auf dem Bildschirm letztlich rüberkommt. Und meiner Meinung nach sollte man es daher einfach ausprobieren. Ich denke, ich spreche für alle Zuschauer, wenn ich sage: Man muss sich die Experimentierfreude erhalten, statt von Angst getrieben nach der eierlegenden Wollmilchsau zu suchen.
Steven Gätjen
Werden diese Lerneffekte nun ausschließlich in «4 geben alles!» fließen, oder hat «I can do that!» noch eine Chance? Die «Versteckte Kamera» erhält sie ja angeblich ..?
Ja, das habe ich auch gelesen. (lacht) Aber nur, weil es in der großen Boulevardzeitung mit vier Buchstaben steht, muss es nicht der Wahrheit entsprechen. Entweder wissen die mehr als ich, und man wird mich hoffentlich noch offiziell informieren, oder sie haben gut geraten oder es stimmt gar nicht. Mal schauen. (lacht) Das ist aber auch das Schöne am Fernsehen. Wir wissen alle nicht, was funktioniert, wir wissen vorab alle nicht, wie eine Sendung auf dem Bildschirm letztlich rüberkommt. Und meiner Meinung nach sollte man es daher einfach ausprobieren. Ich denke, ich spreche nicht nur für mich und für Sie als Kritiker, sondern für alle Zuschauer, wenn ich sage: Man muss sich die Experimentierfreude erhalten, statt von Angst getrieben nach der eierlegenden Wollmilchsau zu suchen.

Um daher auf unsere Kritiker-Diskussion zurückzugreifen: Einerseits wird immer gefordert, wir sollten in Film und Fernsehen mehr wagen. Dann macht das ab und zu jemand, und wird dafür in Grund und Boden geschrieben, weil es ja nicht angehen kann, was er da Komisches treibt. Und, klar, manchmal sind solche Experimente nicht gelungen und es braucht daher konstruktive Kritik. Aber keinen Generalverriss. Ich sage mir: Habt doch wenigstens etwas Nachsicht mit diesem kleinen Pflänzlein und lasst es noch etwas wachsen, bevor ihr völlig die Hoffnung aufgebt.

Herzlichen Dank für das interessante Gespräch.

Die erste Ausgabe «Gätjens großes Kino» ist in der ZDF-Mediathek abrufbar. Folge zwei läuft in der Nacht auf den 22. November um Mitternacht im ZDF.

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Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
martina.kröger
18.10.2016 21:34 Uhr 1
Ich persönlich bin sehr gespannt auf die neue Sendung von Steven. Erinnert mich ein bischen an " 4 gegen Willi".

War aber auch ein aufschlußreiches Interview, mit klaren Antworten.
Familie Tschiep
19.10.2016 01:05 Uhr 2
Nur von Namen her erinnert das an 4 gegen Willie. Ich kann mich an keine 4 gegen Willie-Folge erinnern, aber nach Fernsehrückblicke zu urteilen, ging es darum, Gameshows zu verulken, das sehe ich bei der Gätjen nicht.



Man würde es sich zu einfach machen, wenn man alle Schuld auf den Moderator ablädt. Er ist zwar das Gesicht der Sendung, aber nur ein Teil des Teams. Ein mieses Konzept kann selbst der beste Moderator nicht verkaufen und ein gutes Konzept kann auch ein durchschnittlicher Moderator nicht versauen, deswegen hat auch SDR trotzdem noch mit Gätjen funktioniert. Gätjen ist für mich ein durchschnittlicher Moderator, der wirklich auf gute Konzepte angewiesen ist, die ihn tragen, das waren alle Showversuche nicht, vielleicht ist ein Kinomagazin etwas für ihn, was länger trägt.



Und ich bin mir sicher, Lernkurven hat man auch bei erfolgreichen Formaten. Die erste Folge ist meist nie die beste, es braucht etwas, was die die Zuschauer darüber hinweg sehen lässt.
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