Kolumnenanfang nach Schema F
Oft, wenn Kolumnisten sich mit Problemen der Gegenwart befassen, geht der Blick zu Beginn zurück in eine bessere Zeit. Besonders ältere Semester (der Kolumnist schließt sich hier aufrichtig ein) neigen dazu, wehmütig dem Vergangenen nachzuhängen. Das wollen wir heute jedoch nicht tun, werfen aber dennoch auch dieses Mal einen Blick in die Vergangenheit. In eine Galaxie, die uns heute schon so fern scheint – aber nur einen übersichtlichen Schwung Jahre oder Jahrzehnte zurückliegt.
Früher – ja früher, da hatte im TV ein Hans Rosenthal Muße, über seine Showbühne zu hüpfen wenn ihm etwas gefiel und „Das war spitze!“ zu rufen und ein Hans-Joachim Kuhlenkampff quatschte seine Gäste und Kandidaten wieder und wieder mit seinem Charme und seiner Mitteilsamkeit um den Verstand. Weniger früher gab es dann auch noch einen Thomas Gottschalk, der aus kaum ergiebigen Spielen, Musikacts und Stars eine schier endlose Abendshow strickte und damit Zuschauerzahlen im zweistelligen Millionenbereich holte. Heute werden die Shows immer schneller, die Gespräche dürfen niemanden überfordern oder gar vergraulen und auflockernde Elemente sind irgendwie sogar wichtiger als der Kern der Sendung.
Doch auch andere Medien sind längst infiziert. Wie bereits vergangene Woche beleuchtet, werden Serienstaffeln immer kürzer und gar die Laufzeiten von Episoden sind seit Jahren im Sinkflug. Und um allem die Krone aufzusetzen, begeistern sich die Jüngeren dieses Landes scheinbar nur noch für kurze und oft sinnfreie Videos, die sie via Smartphone teilen und auf diese Weise gar Youtube-Stars und Ähnliches erzeugen oder tauschen sich nur noch im zeichenbegrenzten Raum zwischen Twitter und Instagram aus.
Was ist hier los? Ich werde mir das mal anschauen – verspreche aber, mich zeitgemäß kurz zu fassen. #kurzfassen
Handy, Instagram & Konsorten
Der Trend wider einer gepflegten Unterhaltung begann definitiv mit dem Handy-, Smartphone und schließlich Social-Network-Zeitalter. Auf einmal musste man sich nicht mehr so oft treffen, Freundschaften konnten ganz easy vom PC oder Mobiltelefon aus gepflegt werden und die Gesprächskultur verkam mehr und mehr zu kurzen Sätzen garniert mit Emoticons. Warum Gefühle überhaupt noch im persönlichen Gespräch ausdrücken, wenn für jede Regung ein kleines lustiges Bildchen zur Verfügung steht? Warum dem Gesprächspartner, Freund oder Lebenspartner nach einem Fauxpas noch in die Augen schauen und treudoof Sorry sagen, wenn der kleine Gelbe mit den Kulleraugen das doch irgendwie viel besser kann? Virtueller Blumenstrauß natürlich inklusive.
Persönlich ist das alles freilich nicht mehr – und ältere Semester rümpfen über die Smartphone-Zombies in den deutschen Städten oft zu Recht die Nase. Wir an der Schnittstelle zwischen mittendrin und vom Leben überholt können nur versuchen mitzuhalten – und die neuen Medien zu unserem Vorteil zu nutzen. Reflektierter vielleicht. Ein Smartphone-Zombie bin ich aber selber auch oft genug. Leider.
Ach ja – ich wollte mich ja kurzfassen. #maulhalten #labernicht
Eigentlich stimmt hier etwas nicht, oder?
Es gibt aber auch klare Gegenbeispiele, die den vermeintlichen Trend widerlegen: Eine Show wie «Schlag den Raab» oder «Schlag den Star» hat die Langsamkeit und das Durchhaltevermögen zurück in deutsche Wohnzimmer gezwungen. Auf einmal schaute man zu, wie erwachsene Menschen eine halbe Stunde Eierlaufen – lakonisch kommentiert von einem Sportkommentator. Da das Publikum hier oft eher jung als alt war und ist, zeigt, dass die Menschen jüngeren Semesters durchaus noch bereit und in der Lage sind, sich länger auf etwas einzulassen – sofern es denn für sie gut gemacht ist. Oder steckt die Krux hier vielleicht eher im Anspruch? Man muss eben kein Einstein sein, um eine Show dieser Machart zu verfolgen, verstehen oder zu goutieren. Auch ist nicht gesagt, dass bei weiten Teilen der Zuschauerschar nicht nebenbei das Smartphone oder der Twitteraccount glühen und das Schauen nur Mittel zum Multimedia-Overkill-Zweck ist. Wobei dann wieder die Frage nötig wäre: Ist das denn schlimm?
Auch Kinofilme sind heute nicht kürzer als früher – ein Epos bleibt ein Epos und Filme mit Überlänge gehören immer noch zum guten Kino-Ton. Auch ist nicht bekannt, dass die U30-Fraktion heutzutage diese Filme meiden oder gar vermehrt frühzeitig verlassen würde, um das Ende bei Wikipedia nachzulesen. Und auch im Feld der Konzert- oder Musicalbesuche sowie beim Lesen von Büchern (zugegeben heute oft digital und somit böse, böse aus Sicht der ewig Gestrigen) scheint es keine größeren Abnutzungserscheinungen zu geben.
Und schon wieder habe ich das Kurzfassen vergessen – mag altersbedingt sein. #senil #abschalten
Conclusio
Steckbrief
Björn Sülter ist bei Quotenmeter seit 2015 zuständig für Rezensionen, Interviews & Schwerpunkte. Zudem lieferte er die Kolumne Sülters Sendepause und schrieb für Die Experten und Der Sportcheck.Der Autor, Journalist, Podcaster, Moderator und Hörbuchsprecher ist Fachmann in Sachen Star Trek und schreibt seit 25 Jahren über das langlebige Franchise. Für sein Buch Es lebe Star Trek gewann er 2019 den Deutschen Phantastik Preis.
Er ist Headwriter & Experte bei SYFY sowie freier Mitarbeiter bei Serienjunkies, der GEEK! und dem FedCon Insider und Chefredakteur des Printmagazins TV-Klassiker und des Corona Magazine.
Seine Homepage erreicht ihr hier, seine Veröffentlichungen als Autor auf seiner Autorenseite.
Viele Errungenschaften des Kommunikationszeitalters sind schlicht alltagserleichternd und bedeuten im Zweifelsfall sogar den Unterschied zwischen Leben und Tod – wo früher die nächste Telefonzelle gesucht werden musste, reicht heute der Griff in die Hosentasche. Und wenn der verwirrte Ehemann beim Einkaufen das richtige Waschmittel nicht findet, hilft nun der kurze Austausch von Produktbildern via Whatsapp. Nett ist das schon, auf eine sehr triviale Art. Zurechtgekommen sind unsere Eltern, Großeltern und alle weiteren Vorfahren aber natürlich dennoch. Ein Argument ist das zwar im Geiste des Fortschritts nie – immerhin aber eine Feststellung wert.
Dennoch liegt in der beschriebenen Entwicklung eine immanente Gefahr, die besonders den geistig Schwachen (die soll es ja in jeder Gesellschaft geben) zunehmend zu schaffen machen könnte. Und das fällt dann letztlich auch immer auf die restliche Bevölkerung zurück, die zwar die Waage zwischen Versuchung aus technischem Fortschritt und selbstbestimmter Einordnung halten, im Alltag jedoch auch im Diskurs mit Anderen dadurch böse Schiffbruch erleiden kann.
Eigenverantwortung ist hier das Stichwort – Möglichkeiten verstehen und anwenden. Dosiert und clever. Nicht die Zeiten sind schlechter als früher, wir können vielleicht einfach nur schlechter damit umgehen. #isso #sendepause
Der Sülter hat für heute Sendepause, ihr aber bitte nicht – Wie sind eure Erfahrungen? Was nutzt ihr wie? Was denkt ihr über die Smartphone-Zombies, die Mitmenschen eher über den Weg rennen als hochzuschauen? Ist die Aufmerksamkeitsspanne gesunken oder ist das ein Hirngespinst? Denkt darüber nach und sprecht mit anderen drüber. Gerne auch in den Kommentaren zu dieser Kolumne. Ich freue mich drauf.
In 14 Tagen sehen wir uns zur nächsten Ausgabe von «Sülters Sendepause».
Die Kolumne «Sülters Sendepause» erscheint in der Regel alle 14 Tage Samstags bei Quotenmeter.de und behandelt einen bunten Themenmix aus TV, Film & Medienlandschaft.
Für konkrete Themenwünsche oder -vorschläge benutzt bitte die Kommentarfunktion (siehe unten) oder wendet euch direkt per Email an bjoern.suelter@quotenmeter.de.
Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
22.10.2016 12:13 Uhr 1
Um auch noch was zum Thema zu schreiben: Ich (37) freue mich jedes Mal, wenn ich in der S-Bahn jemanden sehe, der tatsächlich noch in einem echten Buch liest. Kommt nicht oft vor, aber doch immer wieder mal.