Was hatte man für schwere Jahre, wenn man sein Geld damit verdient hat, Serien für deutsche Fernsehsender zu machen. Seit zehn Jahren rennt man entweder gegen verschlossene Türen, wenn man Privatsendern wirklich ungewöhnliche und innovative Stoffe anbieten möchte. Oder man rennt gegen verschlossene Türen, wenn es überhaupt um die Beauftragung einer ordentlichen Stückzahl für eine erste Staffel geht. Oder – und das ist ein anderes Modell: Man bastelt pro Jahr 30 Folgen der «Rosenheim Cops», was kreativ vielleicht nicht gerade anspruchsvoll ist, aber immerhin in der Form befriedigt, dass die Quoten stimmen.
Allzu viel getraut haben sich vor allem die kommerziellen Sender nicht. Für Sat.1 waren «Danni Lowinski» und «Der letzte Bulle» die letzten selbstgemachten Fiction-Hits – erfunden wurden diese übrigens 2007/2008, als der Sender seinen Sitz noch in Berlin hatte. Drüben bei RTL sieht die Lage nicht viel anders aus: Abgesehen von «Alarm für Cobra 11», dem Dauerbrenner seit den 90ern, hat man mit «Der Lehrer» nur eine weitere Drama-Serie am Start. Hier gibt es zumindest Hoffnung. Nachdem zuletzt schon ein Sitcom-Pitch zu gleich vier Beauftragungen führte, testet man beim Kölner Sender nun gleich fünf neue Drama-Serien.
Sat.1 ist da vorsichtiger, hat zwei Formate schon fertig, zögert die Ausstrahlung aber noch hinaus. Vermutlich werden «Einstein» und «23 Cases» nun im kommenden Frühjahr gezeigt. Schwere Zeiten also für den Produzenten, der sich der deutschen Serie verschrieben hat? Sicherlich. Doch die könnten sich nun dem Ende zuneigen. Der beste Freund des Produzenten heißt hier Netflix – und damit ist nicht gemeint, dass der us-amerikanische Streaming-Dienst bis dato eine einzige Serie aus Deutschland bestellt hat. Stattdessen hat er für ein gewaltiges Umdenken beim Konsumenten geführt.
Der will seine Lieblingsserie jetzt dann schauen, wann er Lust drauf hat, in dem Tempo, das seinen Ansprüchen genügt und er will auch sicher sein, dass kein Programmverantwortlicher ihm den Spaß mit einer plötzlichen Absetzung vermiest. Das hat dazu geführt, dass die Flop-Gefahr für US-Serienproduktionen für große deutsche Sender nie größer war als in diesem Herbst. ProSieben und RTL können ein Lied davon singen. Selbst recht sichere Einkäufe wie der 0815-Krimi «Shades of Blue» kommen nicht über einstellige Marktanteile hinaus, bei ProSieben floppen in Mehrfachdosis gezeigte Formate wie «Quantico» und «Containment» und auch VOX kann mit dem Abschneiden von Krimiware wie «Major Crimes» oder «Secret and Lies» nicht mehr zufrieden sein. Auf der Haben-Seite stehen nur einige wenige Formate; etwa «Blindspot» von Sat.1 als Neustart – und Klassiker wie «Bones», «Criminal Minds» und mit Abstrichen auch «Law & Order: SVU» freitags bei VOX. Selbst große Hits wie «The Walking Dead» oder «Game of Thrones» (beides RTL II) hatten in ihren zurückliegenden letzten Staffeln Einbußen zu verzeichnen.
Der Trend ist eindeutig wie selten: Mit US-Lizenzware werden deutsche Free-TV-Sender, nicht zuletzt auch wegen des zeitlichen Abstands zur Erstausstrahlung im Mutterland, auf Dauer keine Bäume mehr ausreißen. Das goldene Zeitalter der Serie aber dürfte anhalten. Und somit bietet sich eine große Chance. Serien können mehr denn je das Bild und Image eines Kanals prägen. Bei RTL wurde das schon verstanden – nicht zuletzt, weil es wieder einmal VOX war, das mit «Club der roten Bänder» vorgemacht hat, welche Energie von eigenen Serien ausgehen kann. Und dennoch ist die Angst vor Fehlschlägen groß. VOX etwa hat noch kein zweites fiktionales Projekt angekündigt. Sat.1 lässt sich nicht in die Karten schauen und spricht vor allem von seinen zwei schon lange bekannten Neustarts. Einzig das ZDF und ZDFneo sind in diesem Bereich momentan experimentell unterwegs.
Die Netflix-Kultur, die gerade die Quoten von amerikanischen Serien in der Primetime der großen Sender crashed, ist also eine echte Chance für Produzenten – ganz egal ob deren Ideen eher 0815 oder ganz außergewöhnlich sind. Es kann nicht mehr lange dauern, bis die Erkenntnis auch in den Chefetagen von Sat.1, VOX und ProSieben angekommen ist. Die Chance ist aber Risiko zugleich. Weiterhin werden eigenproduzierte Serien immer ein Invest in etwas sein, das möglicherweise vom Publikum nicht angenommen wird. Dieses Risiko lässt sich minimieren, wenn man über die deutschen Grenzen hinweg Partner findet. RTL hat das zum Beispiel schon mit der «Transporter»-Serie gemacht und geht diesen Weg auch weiter mit Produktionen wie « Ransom», die auch für TF1 in Frankreich sowie Global in Kanada und CBS in Amerika umgesetzt werden.
Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
24.10.2016 14:32 Uhr 1
Und, was RTL angeht, bin ich da fast deiner Meinung, aber nicht die anderen Sender!!
24.10.2016 15:09 Uhr 2