Der Verkehrsfunk im Radio sieht sich mittlerweile mit immer mehr digitalen Alternativen konfrontiert. Bleibt er trotzdem relevant? Wir fragten sechs große Radio-Stationen.
Unsere Gesprächspartner
- Dr. Lutz Oehmichen: Leiter Prozess-Management Rundfunk Berlin Brandenburg
- Harald Gehrung: Geschäftsführer radio ffn
- Roel Oosthout, Programmchef HIT RADIO FFH
- Ralf Zinnow, stellv. Programmdirektor und Chefredakteur von ANTENNE BAYERN
- Verkehrsredaktion 1LIVE (WDR)
- Marzel Becker, Geschäftsführer und Programmdirektor Radio Hamburg
Die bunte Welt der Apps und Internet-Dienste ist mittlerweile kaum noch überschaubar. Neben Spielen, Spaß-Anwendungen oder Nachrichtenseiten, sind zahlreiche Apps dieser Tage jedoch unverzichtbar, weil sie die schnellstmögliche Alternative bieten, Probleme zu lösen, mit denen sich der moderne Mensch konfrontiert sieht. Ein altes Problem mit mittlerweile zahlreichen solcher Lösungen findet sich in Stau- und Verkehrs-Apps oder speziell dafür eingerichteten Internet-Diensten, die Fahrer in ganz Deutschland über Verkehrsbehinderungen und Stauzeiten informieren oder auf Alternativrouten umleiten. Fast jeder Deutsche unter 50 besitzt dieser Tage ein Smartphone mit Diensten wie Google Maps, durch die er die Möglichkeit besitzt, Umwege und Verzögerungen im Verkehr auf ein Minimum zu reduzieren. Bis Mitte der "Nuller Jahre" hatte für die Lösung dieser Probleme noch der Verkehrsfunk das Monopol. Droht dieser überflüssig zu werden?
Quotenmeter.de begab sich auf Spurensuche bei sechs großen Radio-Stationen in der Bundesrepublik. Keinem der Sender war das Thema fremd, bereits seit Aufkommen konkurrierender Dienste beschäftigen sich die großen Sender mit der Herausforderung, die Stellung des Verkehrsfunks, der auf deutschen Autobahnen eine große Tradition hat, zu erhalten. Die Bedrohung dieses Ziels durch Apps und entsprechende Services im Internet ist realer denn je, dass der Verkehrsfunk in den heutigen Zeiten nicht mehr notwendig sei, glaubt dieser Tage jedoch keiner der Radio-Verantwortlichen.
Verkehrsfunk - die bequeme Variante?
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Vor einer Fahrt einfach das Radio anzuschalten und nebenbei den Verkehrsfunk zu hören, ist nach wie vor einfacher und bequem
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Harald Gehrung, Geschäftsführer radio ffn
Auch heute sei der Verkehrsfunk noch eine feste Größe, der Verkehrsservice im Radio werde neben dem Wetter als wesentlicher Bestandteil kontinuierlich gesendeter Nachrichten wahrgenommen, betont beispielsweise Dr. Lutz Oehmichen, Leiter Prozess-Management beim Rundfunk Berlin-Brandenburg. Harald Gehrung, Geschäftsführer des niedersächsischen radio ffn betrachtet den Verkehrsfunk ebenfalls als alles andere als überflüssig: „Erstens sollte das Handy während der Autofahrt in der Tasche bleiben, zweitens zeigen Navis meist zwar die Staus auf der eingegebenen Route, alle anderen Infos aber muss man durch umständliches Scrollen und Suchen in zahlreichen Menüs herausfinden“, erklärt Gehrung. Navis berücksichtigten des Weiteren nur die Staus auf der Autobahn und nicht die Verkehrsbehinderungen auf den Umleitungsstrecken, die häufig nur Land- oder Kreisstraßen seien. Sein Schluss: „Vor einer Fahrt also einfach das Radio anzuschalten und nebenbei den Verkehrsfunk zu hören, ist nach wie vor einfacher und bequem.“
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Für 80 Prozent unserer Hörer ist der Verkehrsfunk ein Top-Bedürfnis – das gilt für alle Altersgruppen
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Roel Oosthout, Programmchef von HIT RADIO FFH
Und dennoch: Gerade die jungen, technik-affinen Zuhörer, die im Auto ohnehin Musik aus dem MP3-Player oder Smartphone vorziehen und eine niedrigere Bindung zum klassischen Radio haben, vertrauen bei Fahrten mit mindestens einem Beifahrer auf die mittlerweile vielfältigen Alternativen – so die landläufige Meinung. Die Radio-Verantwortlichen halten dagegen. Roel Oosthout, Programmchef von HIT RADIO FFH, unter anderem mit Zahlen aus der sendereigenen Marktforschung: „Für 80 Prozent unserer Hörer ist der Verkehrsfunk ein Top-Bedürfnis – das gilt für alle Altersgruppen.“ Gerade im „Stau-Land Nr.1“ NRW sei das Thema Verkehr Teil des täglichen Lebens und häufiges Gesprächsthema im Beruf oder im privaten Umfeld, heißt es von Seiten 1LIVEs. Harald Gehrung fasst die Zielgruppen hingegen etwas enger: In erster Linie sei der Verkehrsfunk für alle Berufstätigen interessant, „aber auch für Familien, die ihre Urlaubsreise planen.“ Gerade das junge Publikum, dem zahlreiche andere Möglichkeiten der Informationsbeschaffung zur Verfügung stehen, ist auf den Radio-Dienst jedoch zumindest nicht mehr angewiesen wie es vor Aufkommen der Apps noch der Fall war und heute noch bei älteren, weniger digital vernetzten Autofahrern Realität ist. Gerade das sehr gute Image und der damit verbundene, enorme Vertrauensvorsprung, spiele in diesem Fall eine große Rolle, sagt Ralf Zinnow, stellv. Programmdirektor und Chefredakteur von ANTENNE BAYERN.
Mehr als ein Datendienst
Um die jungen Technik-Fans (wieder) auf ihre Seite zu ziehen, fallen den Sendern einige Argumente ein. Für Dr. Lutz Oehmichen sei dies „die interaktiv recherchierte Verkehrsinformation, die gegebenenfalls über die reine Information hinaus gehend live erklärt wird und eventuell weitere Möglichkeiten zur Mobilität aufzeigt“, für Harald Gehrung vor allem die Faktoren Schnelligkeit und die kostenlose Verfügbarkeit der Informationen. „Jegliche Nutzung von Datendiensten oder Navigations-Apps auf mobilen Endgeräten kostet schließlich Datenvolumen und damit Geld“, argumentiert Gehrung. Vertreter von Radio Hamburg, HIT RADIO FFH, ANTENNE BAYERN und 1LIVE sind sich einig: Der Mehrwert liegt vor allem in der redaktionellen Aufbereitung der Informationen. „Es ist hilfreich zu wissen, wo der Stau ist, aber es ist noch besser zu hören warum und wie lange noch“, meint Marzel Becker, Geschäftsführer und Programmdirektor Radio Hamburg. Dies gehe weit über die Eckdaten zur Verkehrslage hinaus, heißt es vom
WDR. „Der Verkehrsfunk ist kein Datendienst und konkurriert deshalb auch nicht mit solchen.“ Einige Zusatzdienste können und dürfen App teilweise gar nicht leisten, so Ralf Zinnow, der Informationen über Geisterfahrer oder Blitzer als Beispiel nennt.
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Je mehr Anbieter es gibt, desto höher ist die Erwartungshaltung an die Genauigkeit der Verkehrsmeldungen.
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Marzel Becker, Geschäftsführer und Programmdirektor Radio Hamburg
Und dennoch: Keiner der Gesprächspartner streitet ab, dass sich die Ansprüche an den Verkehrsfunk massiv geändert haben. Je mehr Anbieter es gebe, desto höher sei die Erwartungshaltung an die Genauigkeit der Verkehrsmeldungen, so Marzel Becker, dessen Sender immer häufiger auch auf die noch schnelleren und genaueren Meldungen seiner Hörer zurückgreift. Dort sieht auch radio ffn einen großen Vorteil. „Wir verfügen schon immer über einen Rückkanal. Unsere Hörer melden uns über eine kostenlose Hotline eben auch, wenn Verkehrslagen nicht aktuell sind oder präzisieren Meldungen, die wir gesendet haben“, betont Harald Gehrung. Man experimentiere zudem mit Staumelder-Communities und neben dem UKW-Verkehrsfunk, Navteq-/HERE-Informationen für intelligente Navis, der ffn-App, Social Media und der eigenen Website auch mit immer neueren Technologien.
Lesen Sie auf der nächsten Seite: So wollen die Radio-Sender der wachsenden digitalen Konkurrenz begegnen.
Es gibt 8 Kommentare zum Artikel
25.10.2016 16:35 Uhr 1
25.10.2016 18:41 Uhr 2
Tut dies denn "jeder"? Ich beispielsweise nicht und die Mehrzahl meines Umfeldes auch nicht. Das ist sicher nicht repräsentativ, aber dort wird Radio während der Fahrt hauptsächlich aufgrund dieser Meldungen gehört. Möchte ich Musik hören, dann ist es doch genauso ein Leichtes, seine eigene anzuschalten.
Ich bin jedenfalls überzeugt davon, dass diese Meldungen noch einige Zeit für zumindest einen größeren Teil der Hörer relevant und wichtig bleiben werden.
25.10.2016 20:01 Uhr 3
25.10.2016 20:05 Uhr 4
25.10.2016 20:51 Uhr 5
25.10.2016 21:09 Uhr 6
25.10.2016 21:19 Uhr 7
26.10.2016 09:38 Uhr 8