Pro von Björn Sülter
Was habe ich mich gefreut, als Bryan Fuller zum Showrunner für «Star Trek: Discovery» bestellt wurde. Für mich war und ist Fuller einer der weniger kreativen Querdenker Hollywoods, der emotional und inhaltlich zum Kern eines Themas vordringen und etwas Wunderbares daraus zu Tage fördern kann. Fuller hat ein Händchen für Casting und Charakterarbeit und besticht zudem durch eine starke Vision bezüglich der Umsetzung seiner Formate. Dass er auch noch ein leidenschaftlicher Trekkie und Ex-Trek-Autor ist, rundete die Sache für mich nur ab.
Einzig seine Flatterhaftigkeit im Umgang mit seinen Projekten verbreitete auch Sorge. So hatte er mit «Dead like me» zwar eine beliebte und oft urkomische Serie erfunden, verließ sie jedoch wegen kreativer Differenzen bereits in der ersten Staffel. Ein Muster, das sein Wirken prägen sollte. «Wonderfalls» lief nur eine Staffel, das heiß geliebte «Pushing Daisies» immerhin zwei und sein «The Munsters»-Reboot «Mockingbird Lane» kam wie auch «High Moon» für Syfy nicht über den Piloten hinaus. Zuletzt kämpfte er sich drei Jahre lang durch das von Kritikern zu Recht geliebte «Hannibal», welches aber an größter Quotennot krankte und letztlich in die Mottenkiste wanderte. Auch dort war Fuller dem Vernehmen nach am Ende nicht mehr bereit, zu kämpfen, da bereits neue, spannende Projekte auf ihn warteten. Für Starz setzt er den Roman «American Gods» als Showrunner, Autor und ausführender Produzent um und ganz nebenbei soll er ein Revival der «Amazing Stories» mit identischen Aufgabenfeldern betreuen.
Man durfte sich zumindest fragen: Wo bleibt da überhaupt Platz für sein selbsterklärtes Herzensprojekt «Star Trek Discovery»? Eben. Fuller hat sich in seinem Kreativwahn verrannt und vollkommen überlastet. Eine neue Trek-Serie – zudem noch die Trek-Serie, die die Zukunft des Franchise sichern soll und muss – stampft man nicht mal nebenbei aus dem Boden. Einen Showrunner, der auf mindestens drei Hochzeiten tanzt, kann da niemand gebrauchen. Auch nicht, wenn er ein so energetischer und kreativer Kopf wie Fuller ist. Es ist natürlich erfreulich, dass Fuller aktuell dieser Erfolg beschieden ist – und es ist auch nachzuvollziehen, dass er alle seine Ideen umsetzen möchte, letztlich profitiert aber kein Projekt von einem hin-und hergerissenen Boss. Von daher gebührt sowohl CBS, die wohl nicht bereit waren, weitere Verzögerungen hinzunehmen, aber auch Fuller Lob für diesen konsequenten Schritt. Dass Letzterer dem Projekt als Produzent, Ideenlieferant und Autor weiterhin erhalten bleiben könnte, ist dabei positiv zu sehen. Ob es dann wirklich dazu kommt, bleibt jedoch abzuwarten.
Für die Serie und die Fans hat die neue Situation zunächst keine Auswirkungen. Der grobe Plan für die erste Staffel scheint zu stehen und dem Vernehmen nach ist selbst das Casting weit fortgeschritten. In den Händen der beiden Fuller-Vertrauten Gretchen Berg und Aaron Harberts wird die Produktion voraussichtlich ohne großes Brimborium weitergehen. Mit Akiva Goldsman holte man noch einen erfahrenen Autoren (Oscar für «A Beautiful Mind») und Produzenten an Bord, der nicht nur aufgrund seiner «Fringe»-Vergangenheit dem Thema zugeneigt sein sollte. Ob man die zentrale Position dann irgendwann doch noch neu besetzt, sich überhaupt Erfolg einstellt und wer in den Folgejahren welche Vision verfolgen darf, ist ohnehin offen. Man denke hier an «The Walking Dead», eine Serie, die das sehr frühe Ausscheiden von Mastermind Frank Darabont nicht von einem bis heute andauernden Siegeszug abhalten konnte. Und dort ist mit Scott M. Gimple bereits der dritte Showrunner am Werke.
Inhaltlich bleibt Fullers Rücktritt zwar eine traurige Sache, in Hinblick auf die Zukunft ist dieses Ende mit Schrecken jedoch die deutlich bessere Wahl gegenüber der Pulverfass-Variante mit einem kaum fokussierten Anführer.
Contra von Stefan Turiak
Zunächst einmal denke ich nicht, dass an dieser Stelle Panikmodus angesagt ist. Schon gar nicht für mich, denn sobald das neue «Star Trek» - Projekt angekündigt wurde, hatte ich sowieso schon ungefähr 16 Szenarien im Kopf, wie es schief gehen könnte - so funktioniert mein Hirn einfach, schätze ich. Vielleicht ist eine neue «Star Trek»-Serie generell ein no win-Szenario, sozusagen ein Kobayashi Maru-Test für alle Beteiligten (irgendwo musste ich diese Anspielung einfach rein quetschen). Denn wir befinden uns in einer Zeit, in der das Interesse an «Star Trek» nach einem kurzem Aufflackern wieder schwächer wird. Zwar war J.J. Abrams erstes «Star Trek»-Reboot ein großer Erfolg und der letzte Film «Star Trek - Beyond» immer noch erfolgreich, aber wenn man die Einspielergebnisse vergleicht - unabhängig von der Qualität der entsprechenden Filme - sieht man schnell, dass das Interesse an «Star Trek» wieder nachlässt. Die HD-Konvertierung von «Deep Space Nine» und «Voyager» lässt weiterhin auf sich warten und wird immer unwahrscheinlicher, weil die Verkaufszahlen der in HD konvertieren Original-Serie und von «Next Generation» nicht so besonders wunderbar waren.
Das Problem ist, dass solche News nicht gerade Vertrauens erweckend sind. Allerdings ist das „leider“ die Welt, in der wie leben: Uns stehen mehr Informationen zur Verfügung als jemals zuvor. Und das heißt auch, dass wir den einen oder anderen unschönen Blick hinter die Kulissen von Film- und Serienproduktionen werfen können. Jüngstes Beispiel war «Star Wars: Rogue One». Ein Film, der im Dezember startet und bei dem 40 Prozent neu gedreht wurden. Nun sind sogenannte Reshoots nichts Ungewöhnliches in der Film- und Fernsehbranche, auch wenn sie nicht immer so massiv sind, und das heißt auch nicht notwendigerweise, dass ein schlechter Film daraus entsteht, aber die News bleibt weiterhin im Hinterkopf verankert.
Serien sind zum Teil auch Marken oder sogenannte „Brandings“, auch wenn ich nicht unbedingt gerne Marketing-Sprache auf Kreativprojekte anwende. Wir leben nämlich nicht nur in einer Welt, in der wir aus allen Richtungen mit Nachrichten bombardiert werden, sondern auch in einer Welt, in der es mehr hochwertige Serien gibt als jemals zuvor. Zugegebenermaßen ein Luxusproblem, aber die Konsequenz ist, dass wir penibelst darauf achten, wem oder was wir unsere Zeit schenken. Insbesondere ein neues «Star Trek»-Projekt, ein Franchise (schon wieder so ein Marketing-Begriff) mit einer so langen und bedeutungsvollen Historie, wird es trotz des prominenten Namens nicht einfach haben, eine große Masse an Zuschauern anzuziehen.
Selbiges gilt auch für Showrunner. Nicht nur für Branchen-Insider sind die Namen von Showrunnern und Serienautoren ein Begriff. Vielleicht mehr als alle anderen (noch mehr als Regisseure) prägen sie den Ton, die Atmosphäre, die Inhalte einer Serie. Dies kann man an Anthony Weiner bei «Mad Men» erkennen, David Simon bei «The Wire», Vince Gilligan bei «Breaking Bad», aktuell bei David Benioff und D.B. Weiss bei «Game of Thrones», Jonathan Nolan bei «Westworld» und deswegen wird seit «Lost» so ziemlich jedes neue David Lindelof- Projekt skeptisch beäugt. Ich glaube, «Star Trek - Discovery] kann und muss eine dieser Serien sein, die eine klare Auteur-Vision vorgibt, um sich in dieser Serien-Welt behaupten zu können. Und Fuller hat spätestens mit [[Hannibal» bewiesen, dass er eine durchaus klare Vision einer Geschichte zu bieten hat. Diese mag eher alptraumhaft gewesen sein, aber ich bin überzeugt davon, dass er seine kreativen Energien ins Prägnant-Positive hätte ummünzen können.
Was Fullers Flatterhaftigkeit angeht, gebe ich Dir bedingt Recht. Insbesondere wenn wir seine vergangenen Projekte aufgreifen, müssen wir auch die Kontexte in Betracht ziehen, in denen sie entstanden sind. «Dead Like Me» wurde zu einer Zeit produziert, in der das goldene TV-Zeitalter noch an seinem Anfang stand. Es gab Probleme zwischen Sender und produzierendem Studio, in die Fuller hineingeraten ist. Aber er hat auch in den Folgejahren Schwierigkeiten gehabt, seinen speziellen Stil und Humor an den Mann zu bringen. Ich glaube, er ist jemand, der versucht, seine Visionen kompromisslos durchzusetzen. Und auch wenn das in eine Kollaborationsmedium wie Fernsehen manchmal unmöglich und kontraproduktiv erscheint, kann es auch zu großartigen Serien führen. Weiterhin denke ich, dass NBC und Fuller angesichts der schwachen Quoten so lange wie möglich an «Hannibal» festgehalten haben. Und mir ist lieber, man hört an einem guten, oder in diesem Fall absolut wahnwitzigen Höhepunkt auf, als eine kompromittierte Fortführung zu erzwingen. Was seine eventuelle Arbeitsüberlastung angeht, stimme ich Dir jedoch zu: Schon allein eine einzige Serie aus dem Boden zu stampfen, ist ein äußerst schwieriges Unterfangen. Zwei Serien scheinen mir geradezu unmöglich. Aber man muss auch Fuller verstehen. Er ist an einem Punkt in seiner Karriere, an dem er offensichtlich an zwei tollen Projekten arbeiten kann. Ich weiß nur, ich hätte mich wahrscheinlich auch auf beides gestürzt, wenn man mir «Star Trek» und eine Neil Gaiman-Adaption angeboten hätte.
Wenn ich an wechselnde Showrunner denke, fällt mir aber nicht «The Walking Dead», sondern «Community» ein. Showrunner Dan Harmon wurde nach der dritten Season entlassen. Die vierte Staffel wurde neuen Showrunnern übergeben und die Qualität ist massiv in den Keller gegangen. Vor allem weil man fast schon krampfhaft versucht hat, genau seine Qualitäten und seinen Tonfall nachzuahmen. Und ja, Fuller wird in irgendeiner Form noch involviert sein, allerdings bin ich beim Titel „Executive Producer“ immer vorsichtig, denn oftmals kann es sich einfach nur um einen Prestige-Titel handeln.
Was die Qualität der Serie angeht, kann diese Nachricht so ziemlich alles bedeuten: Sie kann gut, besser oder auch schlechter werden. Im Grunde werden wir nicht feststellen können, welche Auswirkungen Fullers Abwesenheit letztendlich haben wird. Und wahrscheinlich ist das auch besser so. Ich habe einfach nur die Sorge, dass sich «Star Trek - Discovery» mit solchen Nachrichten mit dem Phaser in beide Füße schießt, bevor die Serie überhaupt aus dem Turbolift auf die Kommandobrücke tritt.
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