Popcorn & Rollenwechsel

Ein Feiertag mehr, wär' das so schwer?

von   |  7 Kommentare

Es ist Halloween-lo-ween, Jubelschrei! Und dennoch müssen wir alle arbeiten gehen. Was zur zuckerlastigen Henkersmahlzeit soll das? Immerhin ist heute der große Festtag des Thesen-an-die-Türe-Nagelns!

Die Arbeit ist zwar 'ne Plage, doch es gibt ja Festtage! Wie etwa Weihnachten. Klar, Weihnachten, wer feiert nicht gern Weihnachten? Oder den 3. Oktober, den Tag der deutschen Einheit. Schöne Sache, die da gefeiert wird. Da sollte niemand zur Arbeit gehen müssen. Oder nehmen wir den 1. November. Großer Feiertag. Wichtiger Feiertag. Wer fiebert nicht schon Wochen im Voraus auf den 1. November hin und öffnet die Türchen in seinem Allerheiligenkalender, um die dahinter verborgenen Marzipanfigürchen berühmter Verstorbener wegzuknuspern? Hervorragende Tradition. Möchte ich nie mehr missen!

Und dann ist da natürlich der heutige Tag. Der 31. Oktober. Die Supermärkte waren bereits seit Anfang August voll mit dieser Feierlichkeit gewidmetem Festschmuck. Unzählige Wohnungen und Eigenheime sind festlich eingekleidet, um der heutigen Thematik zu gedenken. In jeder Stadt, die etwas auf sich hält, werden heute entsprechende Partys veranstaltet. Und dennoch müssen wir alle heute arbeiten. Was zur zuckerlastigen Henkersmahlzeit soll das? Verdammte Axt noch eins, wir sollten heute alle frei haben! Schließlich ist heute Reformationstag! Der wohl wichtigste Tag in der Geschichte der protestantischen Kirche. Und nicht nur in ihrer Historie! Die gesamte deutsche Geschichtsschreibung wurde dadurch in neue Bahnen gelenkt, dass Martin Luther seine Thesen an eine Kirchenpforte genagelt hat – und dennoch müssen wir schuften? Ich prangere das an!

An diesem Umstand erkennt man leider, dass die evangelische Kirche heutzutage die SPD unter den Religionen ist. Ihrem größeren, konservativeren Bruder gegenüber unterwürfig ergeben. Die Katholiken? Die kriegen für jeden noch so kleinen Unsinn frei. Die Jungfrau Maria ist gen Himmel gefahren? Feiertag! Jesus Christus hat irgendwann im Mai die Birkenstock-Sandalen erfunden? Feiertag! Martin Luther hat die Kirche reformiert? „Ja, nee, also, wir Protestanten haben kein Problem damit, dessen ungeachtet arbeiten zu gehen … Alles tutti, wirklich …“ Hallo?! Ihr seid Protestanten. Also protestiert, lasst alles stehen und liegen, macht Krach, macht Party, macht frei, macht alles … nur nicht arbeiten! Und wenn ihr dabei seid, zwingt alle, ebenfalls die Füße hochzulegen. Do it like the Katholiken!

Der Reformationstag sollte ein Feiertag sein. Bundesweit. Weltweit. Immerhin wird an ihm viel mehr gefeiert als an anderen vermeintlichen Feiertagen. Überlegt nur: Was sind bitte eure Pfingsttraditionen? Genau. Es gibt keine. Aber der 31. Oktober? Da sind wir alle in Gedanken ganz bei Luther und seinen Taten. Schnitzen hässliche Papst-Fratzen in Kürbisse. Kleben Geistersticker an unsere Fester, in Anlehnung an all die armen Seelen, die durch den Freibrief von der katholischen Kirche geplündert wurden – und zu deren Schutze Luther zur Schreibfeder griff!

Selbstredend schauen wir zudem jede Menge Festtagesfilme. So wie an Weihnachten. Nur dass wir nicht «Die Muppets-Weihnachtsgeschichte» und «Der kleine Lord» gucken, sondern Reformationstagsfilme wie «Die neun Pforten» – als Erinnerung daran, dass Luther an acht Kirchentüren eine Generalprobe seiner revolutionären Tat durchgeführt hat. Selten berichteter Fakt, aber wenn Hollywood es sagt, muss es stimmen! Oder wir schauen «Hocus Pocus», da laut Luther die Sakramente der katholischen Kirche nicht mehr sind als … genau, ihr habt es erraten: «Hocus Pocus»! Und wer möchte schon «Brain Dead» missen, die überaus drastische, metaphorische Darstellung dessen, wie Luther die Anhänger der katholischen Kirche des frühen 16. Jahrhunderts betrachtete?

Und da das Geschäft mit dem Reformationstag so einträglich ist (kein Wunder, bei seiner immensen moralischen Bedeutung), werden Jahr für Jahr unzählige neue Reformationstagsfilme produziert. Wie der wundervolle «Ghostbusters», eine kesse, mutige Neudeutung des Luther-Mythos: Darin kämpfen nun fidele, die Wahrheit erkennende Frauen gegen das Monster des dummen, Übernatürlichkeit fehlinterpretierenden Patriarchats – und nicht Luther gegen den Katholizismus!

Trotzdem geht nichts über die wahren Klassiker. Da wären natürlich «Prom Night» sowie «28 Weeks Later», zwei herrlich-herbstlich-schaurige Filme, in denen «Luther» höchstpersönlich in Erscheinung tritt. Last, but not least: Bei keiner zünftigen Reformationstag-Filmparty darf der Meilenstein «Halloween» fehlen! John Carpenters umstrittene, zeitgenössische Uminterpretation des Wirkens Luthers – nacherzählt als verklausulierte Analogie aus der Sicht der ihn zum Psychopathen hochstilisierenden katholischen Kirche. Fantastischer Film. Harscher Film. Einer der wichtigsten Filme aller Zeiten. Hat er allein doch dem Reformationstag seinen modernen Alternativtitel gegeben: Halloween.

Also. Liebes Bundesministerium für Freizeitplanung, Feiertage und Arbeitsniederlegung: Macht Halloween zum Feiertag, damit wir uns noch intensiver mit der Reformation auseinandersetzen können. Und an alle Anderen: Happy Halloween!

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Säqirjënn
31.10.2016 06:40 Uhr 1
In vorrauseilendem Gehorsam wurde ja beschlossen den 31.10.2017 zum bundesweiten Feiertag zu machen.
Sentinel2003
31.10.2016 08:07 Uhr 2
Der Berliner Senat sollte lieber den Buß - und Bettag wieder einführen, den der Senat uns schon nicht mal 3 Jahre nach der Wende genommen hat, wegen dem angeblichen Solibeitrag oder was das auch immer damals war!!



Das Ding ist mitte November und war der letzte Feiertag vor Weihnachten, das war total cool....





Diese 2 regionalen Feiertage - 31.10. und 1.11. - sind mir als Berliner völlig schnuppe und total egal!



Und, das der 31.10. 2017 einmalig in 2017 ein ganztätiger, bundesweiter Feiertag ist, nur wegen dieser 500 Jahre Reformation, finde ich nun als völligen Quark!
P-Joker
31.10.2016 12:57 Uhr 3
Also irgendwie kommt mir der Kommentar vor wie schlecht gemachte Satire!
Nr27
31.10.2016 13:16 Uhr 4
Natürlich ist es Satire, allerdings keine schlecht gemachte.
Sentinel2003
04.11.2016 10:41 Uhr 5
Allerdings frage ich mich schon seit der Wende, warum zum Teufel der Abend der Wende, der 9.11.1989 bis heute kein Feiertag ist!! Hätte es diesen Tag nicht gegeben, wären Wir vielleicht heute noch 2 Staaten....
P-Joker
04.11.2016 12:28 Uhr 6


Vieleicht ist es besser so! Der 9. November gilt Weltweit nicht umsonst als "Schicksalstag der Deutschen".

In unserer Geschichte gab es unheimlich viele Vorfälle an einem 9.11., die nicht unbedingt zum feiern geeignet sind.



Hier ein paar Beispiele:



9. 11. 1918 – Novemberrevolution in Berlin

9. 11. 1923 – Hitler-Ludendorff-Putsch in München

9. 11. 1925 - Hitler ordnet die Gründung der Schutzstaffel (SS) an

9. 11. 1938 - Reichsprogromnacht bzw "Reichskristallnacht"



Das sind mal nur 4 Fälle unter vielen.



Es gab unter all den Vorfällen nur 2 positive:

1948 in Berlin die Rede des OB Ernst Reuter zur Berlin-Blockade

und eben 1989 der Mauerfall.
Sentinel2003
04.11.2016 13:53 Uhr 7




Das weis ich doch mit dem 9. November alles, trotzdem hat die DDR - Bevölkerung, auch ich, eine friedliche Revolution herbeigeführt....



Das die Mauer nun gerade am 9.11. fiel, dafür können Wir ehemaligen DDR - Menschen nix...
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