Hingeschaut

Deutsches «Masterchef»: Reichen Superlativen allein?

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Mit dem Start von Sky1 beginnt auch der dritte Versuch in Deutschland «Masterchef» zu etablieren. Was die erste Sky-Unterhaltungs-Eigenproduktion über Sky1 verrät, wie sich die neue Jury schlägt und ob auf dem Kochshow-Markt noch Platz ist...

Mexiko, Algerien, Pakistan, Portugal, Saudi Arabien, Slowakei, Slowenien und – genau Deutschland: Eine Kochshow, die einst in England ihren Ursprung fand, erobert die Welt und möchte beim internationalen Siegeszug natürlich auch vor der Bundesrepublik nicht Halt machen. Es ist nicht irgendeine Kochshow, sondern die Kochshow. An Superlativen wird wahrlich nicht gespart und man geniert sich auch nicht, allein in den ersten zwei Minuten von «Masterchef» diese dem Zuschauer deutlich zu machen. Nur damit das für alle auch klar ist: «Masterchef» ist die erfolgreichste Kochshow der Welt. «Masterchef» ist die schwerste Kochshow der Welt. «Masterchef» ist das größte Abenteuer meines Lebens (O-Ton eines Kandidaten) und fast überall auf der Welt kennen die Menschen das größte und härteste Kochcasting überhaupt bereits.

Aber Moment mal…


Wer nun verleitet ist, zu sagen, dass dieses Format nun endlich auch nach Deutschland kommt, darf durchaus kurz innehalten. Streng genommen gab es schon zwei Versuche die Idee hierzulande zu positionieren. Einen bei VOX, einen in Sat.1. In Sat.1 lief «Deutschlands Meisterkoch» im Sommer/Herbst 2010, hielt es aber nur drei Ausgaben lang in der Freitags-Primetime aus. Nach maximal 7,9 Prozent Marktanteil ging es ins Vorabendprogramm am Samstag, wo ebenfalls durch die Bank nur unterdurchschnittliche Quoten verbucht wurden. VOX hatte das Format im Jahr zuvor schon mal gezeigt – allerdings in abgewandelter Form, nämlich als tägliche Vorabend-Sendung. Die Quoten schwankten hier bei in der Regel um fünf Prozent, sodass nach ziemlich genau zwei Monaten wieder Schluss war.

Richtig ist aber, dass das Format hierzulande noch nie mit dem originalen Titel und auch als ziemlich originalgetreue Adaption zu sehen war. Genau mit diesem Rezept will der Kochshow-erfahrene Produzent Endemol Shine (macht auch «Kitchen Impossible» für VOX) und der neue Entertainment-Kanal von Sky, nämlich Sky1, das Publikum verzücken.

Ein bisschen VOX will doch jeder?


Intensiv haben sich die Teams der beiden Unternehmen mit dem Format auseinandergesetzt, USPs ausgearbeitet und darauf geachtet, dem Anspruch, hier die größte und geilste Kochshow unseres Planeten herzustellen, gerecht zu werden. Am Ende arbeitet «Masterchef» mit vielen Outdoor-Aufgaben vor durchaus beeindruckenden Kulissen. Die wichtige Auftaktsendung wurde zu großen Teilen vor einer (typisch-deutschen) Schloss-Umgebung in Neuwied umgesetzt. Ein solches Freiluft-Spektakel bietet die Möglichkeit für noch spektakulärere Bilder, aufgenommen von Drohnen über dem Schauplatz oder von Kamera-Kränen. Letztlich eine Spielerei, aber wie schon im Sterne-Restaurant: Das Auge isst mit. Outdoor ist aber freilich nicht alles. Später in der Sendung wird die so genannte Masterclass in einem „loftigen“ Studio angesiedelt – hinzukommen immer wieder kurze Interview-Passagen der Jury, die ebenfalls in dieser Umgebung eingesprochen werden.

Hier bestimmen eher dunkle Brauntöne, Holzpaletten dienen als Wandverkleidung. Das vermittelt einen urbanen und somit modernen Eindruck – und kommt ziemlich VOXig daher. Was den Look von Unterhaltungsformaten angeht, blickt derzeit eben die ganze Branche zum aufstrebenden Fernsehsender aus Köln; und auch die Sky1-Show scheint etwas davon abhaben zu wollen.

Zacherl, da war doch was


Egal wo, ob in Indien oder in Europa, immer gilt: The Cast is the key.
Christian Asanger, Vice President Entertainment Channel bei Sky
Ankerpunkt der Kochshow ist sicherlich Ralf Zacherl, der ohne Frage einer der bekanntesten TV-Köche des Landes ist. Seit dem Aus der «Küchenchefs» bei VOX vor über einem Jahr war es um den Mann mit dem markanten Kinnbart aber etwas ruhiger geworden. Eine Ruhepause zur rechten Zeit nach an die 15 Jahre im deutschen Privatfernsehen. Zacherl begann als Fernsehkoch bei ProSieben, ging dann zu RTL II und VOX – und trat nebenher in allerhand weiteren Shows quer durch alle Sender auf. Ihm zur Seite gestellt wurde mit Justin Leone ein freundlicher Mann mit kanadischem Akzent sowie die jüngste Sterneköchin des Landes, Sybille Schönberger. Während Leone allein schon seines Akzents wegen deutlich im Gedächtnis bleibt, erscheint Schönberger anfangs noch etwas farblos. Im Verlauf der Sendung taut sie aber mehr und mehr auf. Luft nach oben besteht hier noch. Aufgepasst werden muss, dass Zacherl seine Jury-Kollegen mit seiner Präsenz (und schon vorher erarbeiteten Bekanntheit) nicht vollkommen überstrahlt.

Der Showverlauf


Die ersten Minuten nutzt die Show dazu, einige der zunächst 120 Teilnehmer vorzustellen. Auffallend: Ein Nelson-Müller-Look-Alike namens Louis, den die Kamera wieder und wieder einfängt und ein Abenteurer mit Zacherl-Bart, der sich in der Sendung wie bei MacGyver fühlt. In der ersten Aufgabe, immer das schöne Schloss im Rücken habend, sollen die Teilnehmer aus zehn vor ihnen liegenden Zutaten einen leckeren Gaumenschmaus zaubern. Die Juroren kommentieren aus der Ferne mit Sätzen wie „Ach guck, das sieht jetzt gar nicht mehr so verkehrt aus bei Nummer 6.“ Nach 25 Minuten geht es dann ums Eingemachte, die erfahrene Jury darf zur Bewertung schreiten. Wer seine Arbeit gut gemacht hat, dessen Teller bleibt auf dem Tisch (unter einer Glocke) stehen, andere schauen auf einen leeren Tisch. Und wieder andere – zwölf an der Zahl – haben ein Fragezeichen vorgefunden und kämpfen um die letzten vier Plätze, die zur Teilnahme an der nächsten Runde berechtigen. Ihr Weg dorthin führt über das „leckerste Sandwich“ der Welt. Wieder sieht der Zuschauer flinke Finger, viele Schnitte, teils dramatische Musik. Während sich der (hungrige) Zuschauer fragt, wo man eigentlich die Rezepte dazu herbekommt, schreitet die Jury erneut zur Entscheidung und benennt die letzten Weiterkommenden.

Danach wird der Schauplatz gewechselt, es geht ins eigentliche Studio, wo sich je zwei Teilnehmer unter einer riesigen Uhr, wie man sie in ähnlicher Form auch heute noch am Bahnhof findet, im Duell gegenüberstehen. Wieder setzt dramatische Musik ein, wieder dürfen Zacherl und Co. aus der Entfernung ihren Senf zu den Rezepten dazugeben. Wieder wird geschnibbelt, gemixt, gerührt, und auch improvisiert - während die Uhr unaufhaltsam gegen die Kandidaten arbeitet. In erstaunlichem Tempo schreiten die Duelle voran – eins ums andere – Langweile kommt in dieser Phase der Sendung nicht auf.

Ein zusätzlicher Reiz ergibt sich wohl in den kommenden Wochen, wenn der Zuschauer die Kandidaten besser und länger kennt. Wenn er Lieblinge gefunden hat und wirklich hofft, dass diese auch weiterkommen. Während die erste Folge also einen hochwertigen und durchaus guten Eindruck hinterlässt, bleibt ein Fakt aber bestehen: Die Nummer 1-Kochshow der Welt ist in Deutschland rein von der Chronologie her zunächst einmal eine weitere Nummer in der schon langen Liste von Kochformaten. Sie will in einem Feld bestehen, das zuletzt von vielen Ideen überschwemmt und strapaziert wurde. Dagegen muss «Masterchef» ankämpfen. Das Zeug hat das Format durchaus, doch ob der Siegeszug des Konzepts bald auch wirklich Deutschland umfasst, steht noch auf einem anderen Blatt.

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