Über Ina Ruck
Ina Ruck studierte Slawistik, Politikwissenschaft und Publizistik in Münster, Oxford, Wien und Moskau. Neben diversen Stationen als Reporterin in Washington und Paris war sie vor allem als Korrespondentin in Moskau tätig, wo sie 2009 für fünf Jahre die Leitung des ARD-Studios übernahm. Nach kurzer Zeit als Redakteurin und Reporterin der WDR- Programmgruppe Europa und Ausland kehrte sie in die USA zurück und ist seit Juli 2015 Leiterin des ARD-Studios Washington.Politik spielt im Alltag eine sehr viel größere Rolle als ich es von anderen Wahlen hier kenne. Leute haben auch früher über Politik geredet – aber sie haben das sehr deutlich von anderen Themen getrennt. Da konnte jemand Republikaner sein und sein bester Freund ein Demokrat – und es war völlig egal. Das scheint mir jetzt anders, die Gesellschaft ist gespalten entlang politischer Vorlieben.
Welche Faktoren sind Ihrer Meinung nach zentral für den Erfolg von Donald Trump? Welchen Anteil hatten die Medien?
Die Medien sind absolut zentral für seinen Erfolg. Ein anderer Faktor ist sicher, dass viele sich von der Politik vergessen fühlen. Als ich in Ohio mit ehemaligen Stahlarbeitern geredet habe, ist mir klar geworden, dass viele Trump aus Protest, aus einer Art Notwehr heraus wählen – so sehen sie es zumindest.
In Youngstown, einem einst stolzen Stahlort, hat man immer die Demokraten gewählt. Von deren Versprechungen ist kaum etwas verwirklicht worden. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, viele Fabriken und Zechen sind dicht, die Gegend wirkt wie ein abgewracktes Ruhrgebiet, nur ohne Strukturwandel. Die Demokraten kämen seit Jahren immer vor den Wahlen in die Stadt, schüttelten ein paar Hände, küssten ein paar Babys und rechneten mit den Stimmen, erzählen sie einem dort. Was dazu noch eine wichtige Rolle spielt, ist Trumps Sprache: er redet in simplen Sätzen, jeder versteht ihn sofort. Und er ignoriert die Fakten, baut sich seine Argumente so, wie sie am besten wirken. Ein Wahlkampf im Stil einer Boulevardzeitung.
Donald Trump bekommt massig Medienaufmerksamkeit – für viele einer der Gründe, die für seinen Erfolg maßgeblich sind. Haben ihm auch die deutschen Medien zu viel Aufmerksamkeit geschenkt?
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Es ist aus meiner Sicht politisch unverantwortlich, dass die Fernsehsender Trump eine um ein Vielfaches größere Bühne gegeben haben als seinen Konkurrenten. Wer weiß, ob Trump der Kandidat wäre, wenn Gegner wie Rubio, Kasich oder Bush ähnlich viel Sendezeit bekommen hätten.
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Ina Ruck
Donald Trump ist ein Medienprofi, er weiß, wie er einen neuen Breaking News-Zyklus mit seinen Aussagen in Gang setzt. Wie gehen US-Journalisten mit diesen Manövern um und hat sich im Laufe der Monate etwas im Umgang mit Donald Trumps Aussagen geändert?
Anfangs haben vor allem die Nachrichtensender jedes seiner Manöver bereitwillig mitgemacht – haben sogar akzeptiert, dass Kamerateams bei Trump-Veranstaltungen eingepfercht hinter einer Art Gatter stehen mussten, wo sie von der Bühne herab beschimpft wurden. Bei einer der Vorwahlkampf-Debatten der Republikaner sagte Trump kurzfristig seine Teilnahme ab. Und setzte parallel eine spontan geplante Benefiz-Gala für Kriegsveteranen an. Ein großer Affront: Noch nie hatte ein Kandidat eine Debatte geschwänzt, geschweige denn eine Gegenveranstaltung organisiert. Und was machten die US-Sender? Sie schickten Kamerateams und Ü-Wagen zu Trump und zeigten beide Veranstaltungen live, in dem sie hin- und her schalteten. Das hat die Debatte – und damit Trumps Konkurrenten – viele Zuschauer gekostet.
Die US-Wahl live bei ARD/ZDF
- Das Erste zeigt die US-Wahlnacht am 8. November ab 22.45 Uhr und sendet live aus Köln - bis zur Entscheidung, jedoch mindestens bis 7 Uhr
- Moderation: Susan Link, Matthias Opdenhövel, Jörg Schönenborn
- Sandra Maischberger ist mit eigenen Gesprächsrunden Teil der Sendung
- Das ZDF sendet von 0.15 bis 7 Uhr live die "Nacht der Entscheidung"
- Moderation: Bettina Schausten, Eva-Maria Lemke, Christian Sievers
- Gäste u.a.: US-Botschafter John Emerson, Norbert Röttgen, Walter Sittler
- Mit den ersten Ergebnissen wird jeweils ab 1 Uhr gerechnet
Hat sich Ihre Arbeit als Journalistin angesichts des medienkritischen Trump-Lagers, das durch Aussagen wie „The media is rigging the election“ befeuert wird, verändert?
Zumindest sind die Leute misstrauischer geworden. Immer wieder hören wir pauschale Kritik an den Medien, vor allem im Lager der Trump-Fans. Die meisten reden aber trotzdem mit uns, auch vor der Kamera. Auch Sanders-Unterstützer sind oft skeptisch. Aber als ausländische Journalisten haben wir es sicher leichter.
Spüren Sie eine zunehmende Skepsis an Ihrer eigenen Arbeit, sowohl aus den USA als auch aus Deutschland?
Ja, sicher. Weniger Skepsis, als den Vorwurf, rundweg zu lügen, oft begleitet von wüsten Beschimpfungen. In meinem Fall bezieht sich das oft noch auf meine Zeit als Russland-Korrespondentin, oft aber auch auf die Berichterstattung zu Trump.
„The US-media is rigging the election“ – Wie stehen Sie zu dieser Aussage? Wie parteiisch sind die Medien in den USA während dieser Präsidentschaftswahlen?
Es hat Tradition, dass Zeitungen Wahlempfehlungen abgeben, alle großen Blätter machen das. Allerdings legten sie bislang penibel Wert darauf, dass die Meinung nur in den Kommentarspalten zum Ausdruck kommt, nicht etwa in der Nachrichtenberichterstattung. Diesmal wirkt das anders. Die Washington Post etwa hat sich regelrecht auf Trump „eingeschossen“, so mein Eindruck. In den Kommentaren ohnehin, doch auch die News sind sehr auf ihn fokussiert.
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Es hat Tradition, dass Zeitungen Wahlempfehlungen abgeben, alle großen Blätter machen das. Allerdings legten sie bislang penibel Wert darauf, dass die Meinung nur in den Kommentarspalten zum Ausdruck kommt, nicht etwa in der Nachrichten-berichterstattung. Diesmal wirkt das anders.
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Ina Ruck
Welchen Einfluss hatten die drei TV-Debatten der Präsidentschaftskandidaten, speziell die allgemein als schmutzig wahrgenommene zweite Debatte, auf die Stimmung im Land?
Die dritte Debatte war, denke ich, wahlentscheidend. Trump war schon vorher wegen der Veröffentlichung des frauenverachtenden Videos sehr in Schwierigkeiten, die Debatte wäre seine Chance gewesen, zweifelnde Fans wieder von sich zu überzeugen. Das ist ihm nicht gelungen. Und er hat einen entscheidenden Fehler gemacht – den wohl schwersten seines Wahlkampfes: er hat auch auf Nachfrage nicht zusagen wollen, das Wahlergebnis auch dann anzuerkennen, wenn er verliert. Das klingt nicht nur nach Verschwörungstheorie – das klingt nach schlechtem Verlierer. Und schlechte Verlierer mögen die Amerikaner nicht.
Wenn Sie Donald Trump interviewen könnten: Welche Frage würden Sie ihm zuerst stellen?
Darüber denke ich oft nach. Ob er sich einmal für etwas geschämt hat? Oder: Ob er in seinem Leben schon mal Angst gehabt hat? Aber bei jeder Frage, die mir einfällt, fällt mir gleich eine mögliche Antwort Trumps mit ein. Populisten wie er haben immer eine Antwort, auf alles. Und meist ist die unehrlich – und deshalb nicht interessant. Vielleicht sollte man ihn deshalb einfach fragen, wie der Außenminister von Frankreich heißt.
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