ARD-Quizaufgebot am Vorabend
- «Quizduell» (seit 2014) & «Quizduell-Olymp» (seit 2015)
- «Gefragt - Gejagt» (seit 2015)
- «Wer weiß denn sowas?» (seit 2015)
- «Paarduell» (seit 2016)
- «Rate mal, wie alt ich bin» (seit 2016)
- «Sag die Wahrheit» (vsl. ab 2017)
- evtl. «Flieg mit mir» (mehr Infos zu diesem Projekt hier)
Doch worum geht es überhaupt in der von Brainpool verantworteten deutschen Adaption des französischen Quiz-Hits «Guess My Age»? Pro Sendung stellt sich ein Kandidatenpaar der Herausforderung, das Alter von sieben verschiedenen ihnen völlig fremden Personen zu erraten. Dabei müssen sie sich in erster Linie auf äußere Merkmale verlassen und bekommen pro Spielrunde lediglich einen Hinweis mitgegeben - wobei diese Hilfen teilweise nur daraus bestehen, näher an die betreffende Person herangehen zu dürfen, mitunter aber auch aus wirklich nützlichen Tipps wie einem Hit-Song aus dem Geburtsjahr oder einem wichtigen Ereignis daraus. Je weiter der letztlich abgegebene Alterstipp vom wahren Lebensalter der Probanden entfernt liegt, desto mehr bekommen die Kandidaten von ihrer Einstiegssumme in Höhe von 100.000 Euro abgezogen.
Hoher Mitratefaktor, geringes Grundtempo
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Ob man diesem Austausch aber dermaßen viel Zeit einräumen muss, dass die ersten sechs "normalen" Spielrunden deutlich über eine halbe Stunde Netto-Laufzeit umfassen, kann man schon ein wenig in Frage stellen. Gerade mit Blick auf das äußerst temporeiche «Gefragt - Gejagt» im Vorprogramm wirkt das Geschehen doch eher etwas behäbig und überzogen temporeduziert, zumal es bereits in der Auftaktfolge zu Momenten kommt, in denen die Spieler in eher mäßig zielführende "Nein, älter! - Quatsch, jünger! - Älter, glaub mir!"-Dialoge verfallen - und das, obwohl das Produktionsteam bei der Auswahl der ersten Kandidaten eine sehr gute Wahl getroffen und zwei Menschen ausfindig gemacht hat, die schlagfertig, telegen und gleichzeitig nicht überzogen selbstdarstellerisch agieren. Sollte hier das Pendel allzu sehr in Richtung verbaler Inkontinenz auf der einen oder Verschlossenheit auf der anderen Seite ausschlagen, kann die Sendung schnell mühselig wirken.
Im Hinblick auf diese Gefahr macht aber die Personalie Opdenhövel Hoffnung, die an sich einen weitgehend unspektakulären Job macht und sich eher im Hintergrund aufhält, gleichzeitig aber bereits ein gewisses Gespür dafür erkennen lässt, wann es an der Zeit ist, die Akteure aus ihrem Wortgefecht zu ziehen, um eine Entscheidung einzufordern. Mit einigen launigen Kommentaren lockert er überdies in alter Opdenhövel-Manier das Geschehen immer wieder auf, hat dahingehend aber wegen der ohnehin stets gut gelaunten Kandidaten erstmal noch wenig zu tun.
Das Spielprinzip: Geschmacklos? Uncharmant? Erfreulich offen?
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Zweifelsfrei besitzt das Format jedoch erhöhte Fettnäpfchen-Gefahr, wenn bei einer 47-Jährigen eher darüber debattiert wird, ob ein Alter in den frühen Fünfzigern überhaupt noch in Betracht gezogen werden kann oder die moderne Kleidung die vielen Falten nur übertünchen soll, die in Wahrheit einer stramm auf die 60 zugehenden Person nur in ein jugendlicheres Gewand zu hüllen dient. Nein, einen Preis für besonders großen Charme im Umgang des Fernsehens mit Normalos wird «Rate mal, wie alt ich bin» wohl eher nicht gewinnen. Von klassischem Vorführ-Fernsehen, das die niedersten menschlichen Instinkte weckt, kann allerdings nicht zuletzt aufgrund des offenherzigen Umgangs Opdenhövels auch beileibe keine Rede sein. Eher wird hier eine kleine zivilisatorische Schranke durchbrochen, die im Alltag zumindest bei vielen Menschen auch heute noch herrscht: Den ehrlichen Umgang mit dem eigenen Lebensalter, das Eingehen des Risikos, jemanden älter zu schätzen als er oder sie eigentlich ist - was häufig als peinlicher Fehltritt interpretiert wird - und die Formulierung unverblümter Kommentare zum Aussehen Anderer. Muss man alles nicht machen, kann man aber. Hier ist es eben Teil des Konzepts, genau dies zu tun.
Starkes Handwerk, hohe (potenzielle) Gewinnsummen
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Erfreulich ist auch, dass die ARD offenkundig mittlerweile ein derart großes Vertrauen in ihren Quiz-Vorabend hat, dass man sich auch an höhere Gewinnsummen für erfolgreiche Kandidaten wagt und sie nicht mehr mit ein paar lausigen Hundertern oder Tausendern abspeist. Guten Schätzern dürfte es durchaus möglich sein, mit Verstand und ein wenig Glück bei dieser Sendung einige zehntausend Euro aus dem Studio mitzunehmen - Teilnehmer mit weniger Glück und Verstand können dagegen auch schon mal komplett leer ausgehen, womit die Fallhöhe also recht hoch ist. Forciert wird diese noch durch ein Finalspiel, bei dem das Alter des letzten Kandidaten auf den Punkt getroffen werden muss und bei Misslingen nach jeder Runde ein Viertel des noch vorhandenen Gewinns reduziert wird. Damit baut man zumindest am Ende eine gewisse Spannung und Dynamik auf, die der Sendung in den früheren Runden ein wenig abgeht - nicht zuletzt deshalb, weil die einzelnen Spielrunden kaum Variation aufweisen und eher nach Schema F ablaufen.
Fazit: Solide Vorabend-Kost ohne Glanz- oder Tiefpunkte
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Genug Zeit zur Akklimatisierung mit dem 18:50-Uhr-Slot am Freitag bekommt die neue Sendung jedenfalls: Noch ganze 14 weitere Folgen werden in den kommenden Wochen und Monaten von «Rate mal, wie alt ich bin» zu sehen sein.
Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
05.12.2016 02:04 Uhr 1
Irgendwie erinnert mich das Studio ein wenig an das in der 60er-Jahre-Science-Fiction-Serie "Time Tunnel".