Die Kritiker

«Tatort - Wofür es sich zu leben lohnt»

von

Späte Erkenntnis: Mit ihrem Finale gelingt der Klara-Blum-Reihe ein rührender, ehrlich und authentisch erzählter Stoff.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Eva Mattes als Klara Blum
Sebastian Bezzel als Kai Perlmann
Roland Koch als Matteo Lüthi
Hanna Schygulla als Catharina
Irm Hermann als Isolde
Margit Carstensen als Margarethe
Matthias Habich als Maximilian Heinrich

Hinter der Kamera:
Produktion: SWR
Drehbuch: Sathyan Ramesh und Aelrun Goette
Regie: Aelrun Goette
Kamera: Conny Janssen
Grotesk sieht es aus, wie der tote Josef Krist (Thomas Loibl) in einem Bötchen auf dem Bodensee treibt, seine Leiche von Blumen umringt, mit Schnittwunden am ganzen Körper. Er ist stundenlang ausgeblutet, teilt man Klara Blum (Eva Mattes), Kai Perlmann (Sebastian Bezzel) und ihrem Schweizer Kollegen Matteo Lüthi (Roland Koch) mit. Jemand wollte diesen Mann leiden sehen.

Motive hätten viele: Krist war ein angesehenes Mitglied einer politische Kraft gewordenen neurechten Bewegung, der intellektuelle Überbau des rechtsextremen Gesindels, der dessen radikales Gedankengut in Talk-Shows einen angemessenen Schliff zu versetzen verstand, „ein großer Geist“, wie ihn seine Frau nennt, als man ihr in ihrem luxuriösen Anwesen unweit des Bodensees die Schreckensnachricht überbringt. Sonderlich überrascht scheint sie nicht, dass ihr Mann einen gewaltsamen Tod sterben musste. Ebenso wenig die merkwürdige gemeinsame Tochter, die völlig in der Isolation der Familie lebt.

Klara Blum analysiert derweil die seltenen Blumen, die im Bötchen um den toten Krist drapiert waren, und stößt bei ihren Recherchen auf Catharina (Hanna Schygulla), eine ehemalige Gärtnereibesitzerin, die mit zwei Freundinnen, Isolde (Irm Hermann) und Margarethe (Margit Carstensen), in einer in die Jahre gekommenen Villa im Nirgendwo lebt. Dort haben sich die älteren Frauen in ihrer eigenen Welt eingerichtet: Sie leben zurückgezogen, abgeschieden von allem, physisch wie mental, sind so hochintelligent wie eigensinnig, und begegnen Klara Blum, die sich immer mehr zu ihnen hingezogen fühlt, mit großer Offenheit. Das Drehbuch von Sathyan Ramesh und Aelrun Goette legt ihnen allerhand wenig verklausulierte Lebensweisheiten und –schicksalsberichte in den Mund, die sie angenehm unaffektiert und frei von unnötigem Pathos vortragen dürfen.

Klara Blum hat ihren Beistand auch dringend nötig: Nach zwei unentdeckten Infarkten steht sie kurz vor dem Herzmuskelriss, und obwohl sie sich bemüht, sich zu schonen, wird ihr allerorten schwummrig. Zeit, außer Dienst zu treten: Auch für ihre «Tatort»-Reihe.

Von der gingen in den letzten Jahren freilich keinerlei Impulse mehr aus. Die ambitionslosen Stoffe, diese mütterlich-übergriffige, nicht selten klischeebeladene Hauptfigur, der trutschige Duktus: All das ließ dieses Format wie die Krimi-Reihe von gestern aussehen, die sie war.

Doch wir wollen nicht ungerecht sein: Denn gerade diese letzte Folge zeigt mitunter, welches Potential in dieser Klara Blum steckte: Ihre feinfühlig geschriebene Annäherung an die drei exzentrischen, zurückgezogenen Frauen ist eines der einnehmendsten Untersuchungsfelder, in dem man Blum gesehen hat: die Tragik, die Entrücktheit und nicht zuletzt die traurige Schönheit dieses Beziehungsgeflechts, toll gespielt von den Grandes Dames der Fassbinder-Ära, sorgen für die spannendsten Momente dieses Films. Wer am Ende der Mörder ist, ist gar nicht so wichtig. Das Augenmerk liegt auf einer einnehmenden, ergreifenden Geschichte.

Schade, dass sich Klara Blum erst ganz am Schluss auf das wirklich Wesentliche konzentriert.

Das Erste zeigt «Tatort – Wofür es sich zu leben lohnt» am Sonntag, den 4. Dezember um 20.15 Uhr.

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