So sehr in Hollywood auch auf einprägsame Marken gesetzt wird: Die jeweiligen Studios sind in ihrer Identität recht austauschbar. Branchenportale mögen durchblicken lassen, dass sich zum Beispiel Warner Bros. sehr darin gefällt, sich als Haus für Regisseure mit eigener Handschrift zu positionieren. Trotzdem dürfte es selbst für große Filmverrückte nicht leicht sein, ohne Hilfe einen Paramount-Film von einer Universal-Produktion oder einem Warner-Projekt zu unterscheiden.
Zu den raren Labels mit eigener Identität zählt seit jeher Walt Disney Pictures, außerdem lassen sich Filme der seit einigen Jahren ebenfalls zum Disney-Konzern gehörenden Marvel Studios in der Masse an Superheldenstorys recht problemlos ausfindig machen. Und in seinen Glanzzeiten hatte auch MGM als Haus der frohen, bunten Erzählungen für ein etwas älteres Publikum eine individuelle Handschrift. Insbesondere die MGM-Musicals haben sich bei Cineasten als eigenes Genre etabliert.
Es scheint so, dass es aktuell zu einer ähnlichen Entwicklung kommt. Denn so, wie alle Musicals aus dem Hause MGM einst einen ähnlichen Charakter aufwiesen, kristallisiert sich seit wenigen Jahren heraus, dass Sony Pictures seinen eigenen Komödienstil durchsetzt. Die typische moderne Sony-Komödie ist vor allem gaga – sie spielt in einer etwas abgedroschenen Wirklichkeit mit aufgekratzten Figuren. Statt aber eine reine Blödelkomödie darzustellen, wie sie die Schauspieler Adam Sandler und Kevin James sowie Jim Carrey oder Regisseur Shawn Levy («Nachts im Museum», «Im Dutzend billiger») meist fabrizieren, ist die neue Sony-Komödie trotz ihrer flinken Art und schrägen Attitüde unerwartet hell im Kopf.
Paradebeispiel für diesen Stil sind die Meta-Polizistenkomödie «21 Jump Street» und dessen noch geistreichere Fortsetzung «22 Jump Street». Das Regie-Duo Phil Lord & Chris Miller nimmt darin liebevoll das Genre der Buddy-Cop-Actionkomödien aufs Korn, nimmt dabei aber den Kernplot ernst genug, um keine reine Persiflage abzuliefern. Verquickt mit cartoonigen Performances von Channing Tatum und Jonah Hill sowie geschliffenen Schnellfeuerdialogen und mehreren herrlich schrägen inszenatorischen Einfällen sind diese Metaspäße quasi die Blaupause für bescheuert-smarte Komödien. Lord & Miller verantworteten für Sony auch (als Regisseure) die klug-verrückte Animationskomödie «Wolkig mit Aussicht auf Fleischbällchen» sowie (als Produzenten) dessen überdreht-aufgewecktes Sequel.
Aber es sind nicht Lord & Miller allein, die Sony mit derartigen Komödien beliefern. Seth Rogen und sein Schreib- sowie Regiepartner Evan Goldberg starteten mit der postapokalyptischen Partykomödie «Das ist das Ende» einen ähnlichen Lauf. Nach ihrer Auseinandersetzung mit Hollywood-Egos und dem Image ihrer befreundeten Kollegen folgte mit dem hoch kontroversen Irrsinn «The Interview» ein filmischer Culture Clash aus Rüpelkomödie, Propagandaparodie und Journalistenkomödienquatsch, ehe der von ihnen verfasste Animationsfilm «Sausage Party» Pixar durch den Kakao zog, das Publikum mit Schockhumor attackierte und zugleich über Glauben sinnierte.
Auch die Seth-Rogen-Weihnachtskomödie «Die Highligen drei Könige» operierte bei Sony auf einer aufgedrehten Logikebene, während sie mit ihrem wilden Festtagschaos das Genre der Weihnachtsspäße quasi mit einer Hand demontierte, um es mit der anderen Hand zu rekonstruieren. Der Familien-Monsterspaß «Gänsehaut» derweil verballhornte liebevoll mit cartoonhafter Energie das gleichnamige Franchise an Kindergruselgeschichten – und Paul Feigs «Ghostbusters» schien in derselben Welt voller schräger Menschen zu spielen. Und wie schon bei allen genannten Sony-Produktionen zuvor, so sorgten hier Meta-Späße über den Stand des Franchises, ein ehrliches Interesse der Filmemacher am Wohlbefinden ihrer Figuren sowie raffinierte Skriptpassagen dafür, das schräge Geschehen pfiffig zu unterfüttern.
Gewiss – dieser hier beschriebene Stil ist nicht Sony-exklusiv. Lord und Miller verantworteten für Warner mit «The LEGO Movie» einen Film, der bei Sony nunmehr bestens zuhause wäre, unterdessen ist bei Sony vor nicht all zu langer Zeit die seelenlose, dümmliche Komödie «Pixels» entstanden. Dennoch: Es ist faszinierend, wie sich das Studio, das für vorübergehende Zeit im Komödienbereich hauptsächlich Adam-Sandler-B-Ware ablieferte, im Komödienbereich mauserte. Und es wird diesen neuen Stil voraussichtlich nicht so schnell aufgeben.
So wurde kürzlich öffentlich, dass Sony einen Barbie-Realfilm plant … mit Comedy-Star Amy Schumer in der Hauptrolle! Die nicht gerade Barbie-Maße aufweisende Entertainerin soll in diesem augenzwinkernden Film aufzeigen, dass man sich das Format der steifen Ankleide-Puppe wahrlich nicht zum Vorbild nehmen muss – in den richtigen Händen könnte aus diesem Konzept ein neues «21 Jump Street» entstehen.
Hollywood setzt auf den Marken-Effekt. Wir sollen bestimmten Namen mehr vertrauen. Und manchmal funktioniert das nicht nur für Franchises und Regisseure, sondern auch für Produktionsschmieden. Sony hat’s geschafft, sich diesen Bonus für seine Komödien zu erarbeiten. Wenn eine neue Sony-Komödie angekündigt wird, zucke ich nicht mehr mit einer „Mal abwarten“-Haltung mit den Schultern. Sondern sage mir vorsichtig-vorfreudig: „Oh. Hoffentlich zieht Sony seine Sache weiter durch!“
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