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Jene, die aufgrund von beruflichen Gegebenheiten, geografischen Bedingungen oder gemeinsamen Freunden im Leben des jeweils Anderen bleiben – und unentwegt betonen, nie wieder was miteinander anfangen zu wollen. Nur, um irgendwann (bevorzugt im Suff oder in einer emotional niedergeschlagenen Situation) zugeben zu müssen: „Ich will ihn/sie zurück.“ Und nach langem Hin und Her, Trostbeziehungen auf beiden Seiten sowie viel Drama – kommen sie wieder zusammen. US-Serien lieben diese Dynamik.
Dann gibt es jene, die sich auf den Tod nicht ausstehen können. Du hast mich verlassen. Damit hast du mein Herz gebrochen. Nun werde ich dich brechen, um dich daraufhin aus meinem Leben zu verbannen. Diese Ex-Partner tauchen bevorzugt als gestresste Nebenfiguren in US-Filmen auf. Als atmendes, quasselndes, pechschwarze Zukunftsaussichten malendes Damoklesschwert, das die romantisch veranlagten, frisch verliebten Protagonisten unter Druck setzt: Pass auf, sonst blüht dir sowas!
Liebe Menschheit, sei gewarnt: Die Kino- und Serienwelt spinnt! In Wirklichkeit gibt es Ex-Partner, die in keine dieser Schubladen passen. Und von diesen vermeintlichen Ausnahmen gibt es wahrlich nicht wenige. Sie sind in den Bewegbildmedien nur dramatisch unterrepräsentiert. Ähnlich, wie es laut Hollywood-Filmen deutlich weniger Frauen als Männer gibt, und sich das Leben fast aller Frauen nur um Männer dreht. Eben dies untersucht bekanntlich der Bechdel-Test. Zugegeben: Dieser wird etwas überstrapaziert und geht inhaltlich nicht tief genug. Dennoch zeigt er ziemlich deutlich auf, wie begrenzt Frauen in Filmen eingesetzt werden.
Um den Bechdel-Test zu bestehen, müssen folgende drei Fragen über einen Film positiv beantwortet werden können: „1) Gibt es mindestens zwei Frauenrollen (optional: die einen im Film genannten Rollennamen haben)? 2) Sprechen sie miteinander? 3) Unterhalten sie sich dabei über etwas anderes als einen Mann (oder ihre Beziehung zu einem Mann)?“
Es ist an der Zeit, der Welt aufzuzeigen, welch verzerrtes Bild von Ex-Partnern Film und Fernsehen zeichnen, indem wir einen neuen Test einführen, welcher der Frage nachgeht: „Zeigt der Film auf, dass sich zwei Menschen nach dem Ende einer gemeinsamen Liebesbeziehung weiterhin leiden können?“ Auch hier kann in einem Drei-Stufen-System gearbeitet werden: „1) Kommen Ex-Partner im Film vor? 2) Sehen sie sich aus freien Stücken? 3) Und dies ohne zu beabsichtigen, einander zu schaden oder das alte Feuer wieder zu entfachen?“
Es ist erschreckend, wie viele Filme durch diesen Test durchrasseln. Es gibt eine riesige Auswahl an Produktionen, die von Freunden berichtet, die zum Paar werden. «Freundschaft plus», «Freunde mit gewissen Vorzügen», «Zack and Miri Make a Porno», «The F-Word», «Harry & Sally», «30 über Nacht», «Das erstaunliche Leben des Walter Mitty», «Der perfekte Ex», «Der seltsame Fall des Benjamin Button», «The DUFF», «Keinohrhasen» und Dutzende, Dutzende weitere. Das ist auch schön und gut. Bildet es doch etwas ab, das es ihm wahren Leben gibt (wenngleich es selten so wie in den genannten Filmen abläuft).
Aber was ist mit dem umgekehrten Fall – Liebe, die zu Freundschaft wird (und die auch Freundschaft bleibt, im Gegensatz zu dem, was Sitcoms und Dramedys immer und immer wieder skizzieren)? Da gilt es schon, länger und tiefer zu graben, um Beispiele zu finden. In Woody Allens ausschweifender Filmografie gibt es manche rare Exempel. Die sehr charmante Indie-Produktion «Celeste & Jesse» mit Rashida Jones und Andy Samberg nimmt sich die Frage „Wie gut können sich Ex-Partner verstehen, und wie geht ihr soziales Umfeld damit um?“ sogar so sehr zu Herzen, dass sie zum zentralen Aspekt des 90-Minüters wird.
Im Stile eines Woody Allen dekliniert Regisseurin/Autorin Rebecca Miller in «Maggies Plan» wiederum diverse Formen durch, wie sich Ex-Partner begegnen können. Unter anderem zeigt sie auf wundervoll-unaufgeregte Weise, dass die in einen Älteren (Ethan Hawke) verliebte Titelfigur Maggie (gespielt von Greta Gerwig) im verheirateten Teilzeit-Sauertopf Tony (Bill Hader) ihren besten Freund auf Erden hat. Sie beraten einander über alle wichtigen Dinge im Leben, hängen öfters ab und verzapfen Unsinn. In einem Nebensatz fällt zu Beginn des Films kurz die Info: Die Beiden waren mal zusammen – und haben keinerlei Interesse daran, es erneut zu versuchen. Mehr noch: Die Freundschaft zwischen Maggie und Tony wird mit solch einer Selbstverständlichkeit gezeichnet, dass Maggie eine völlig unkomplizierte Freundschaft zu Tonys Gattin Felicia (Maya Rudolph) führt. Kabbeleien und Misstrauen? Existieren hier nicht!
- © Marvel1 / 2
Benedict Cumberbatch als Marvel-Superheld «Doctor Strange» und eine vom Publikum nicht ausreichend gewürdigte Rachel McAdams als dessen Ex Christine Palmer. Schöne Sache: Rosenkrieg und "Bitte nimm mich zurück"-Betteleien sind in der Comicadaption nicht aufzufinden.
Palmer-Strange
Das vielleicht blühendste, prächtigste Beispiel ist allerdings ausgerechnet in einem Marvel-Film versteckt: Scott Derricksons Fantasyspektakel «Doctor Strange», das dramatischerweise aufzeigt, wie festgefahren die Sehgewohnheiten des Kinopublikums sind. Es existiert ein Wust an Filmbesprechungen – sowohl des zahlenden Publikums als auch von der professionell schreibenden Zunft – in denen die von Rachel McAdams gespielte Chirurgin Christine Palmer als „schon wieder eine blasse Love Interest“ beschrieben wird. Als „die x-te austauschbare Frau an der Seite des Helden, die nur ein bisschen helfen darf und dazu da ist, dass Funken sprühen“.
Mit Verlaub: Was habt ihr euch alle in den Tee getan? Ich würde höchstens zustimmen, dass Palmer wieder einmal eine nur am Rande des Geschehens stehende weibliche Nebenfigur ist – davon hat Marvel einige, während umwerfend-heroische Frauenfiguren in diesem Filmuniversum noch recht rar sind. Dennoch wird Rachel McAdams Unrecht getan, wenn ihre Figur sowie ihre Performance einfach so als Standardware abgetan werden. Sie ist nämlich keine Love Interest, keine angeschmachtete Schönheit, die den Titelhelden erobert.
Palmer und Benedict Cumberbatchs Doctor Strange werden zu Beginn des Films als Ex-Partner eingeführt, die noch immer gerne zusammenarbeiten. Und anders als die restliche Krankenhausbelegschaft hat Palmer den Respekt des überheblichen Protagonisten gepachtet: Sie scherzen miteinander und reden ernstlich, ohne einen Funken der Eifersucht, über Privates. Als Strange einen schweren Unfall hat, kümmert sich Palmer liebevoll um ihn, ohne sich an ihn ranzuschmeißen. Ja, als er sie in einem Anfall von Gefühlstumult aus Depression und Wut anschnauzt, lässt sie ihn eiskalt in seiner kargen Wohnung zurück – Freunde können einander böse sein. Wenn sie sich aber wiedersehen, ist alles so, als sei nie was passiert: Sie helfen einander, blödeln, unterhalten sich über die Veränderungen in seinem Leben.
Ja, als er ihr sagt, wie sehr er seine Fehler bereut, küsst sie eine Wunde, die sich an seiner Wange befindet. Doch die das Optimum aus ihrer wenigen Leinwandzeit rausholende Rachel McAdams spielt dies nicht als Moment der Reue, des romantischen Wiederentfachens einer vergessenen Liebe oder als eine Freundschaft bedrohende Leichtsinnigkeit. Sondern als zärtliche Geste einer engen Freundin, die weiß, dass ihrem aufgekratzten Gegenüber gerade die größtmögliche Zuneigung zukommen muss, um ihn moralisch zu stützen. Eine Umarmung wäre nicht genug. Ein Kuss auf den Mund aber Zuviel, keine Geste, die sich aus der tief empfundenen Freundschaft nährt. Ein Wangenkuss soll es sein, ausnahmsweise.
Cumberbatch und McAdams haben eine fantastische Chemie miteinander als Ex-Paar, das nun freundschaftlich füreinander da ist. Aber weil es ein Superheldenfilm ist, achtet kaum wer auf dieses filigrane zwischenmenschliche Spiel. Und weil Hollywood uns mit Ex-Partnern bombardiert, die wieder zusammen kommen, stempeln viele diese zwei Figuren als flirtende Arbeitskollegen ab. Ein Trauerspiel. Auf dass Marvel Studios diese zwei Figuren so fortführt, wie sie in «Doctor Strange» auftauchen. Auf dass mehr und mehr Filme eine Palmer-Strange-Beziehung vorleben. Auf mehr Repräsentation. Und auf mehr gute Vorbilder!
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