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«Der Tatortreiniger»: Die 3 besten Folgen des ewigen Geheimtipps

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Am Mittwoch startet die mittlerweile sechste Staffel der deutschen Ausnahmeserie, die im linearen Fernsehen noch immer viel zu wenig Beachtung erfährt. Wir sprechen drei Sehempfehlungen aus.

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Staffel 2 – Episode 3: „Schottys Kampf“

Zum Format: «Der Tatortreiniger»

  • Genre: Comedy
  • Produktionsunternehmen: Studio Hamburg / Letterbox Filmproduktion
  • Idee: Arne Feldhusen & Bjarne Mädel
  • Autorin: Mizzi Meyer
  • Musik: Carsten Meyer
  • Kamera: Kristian Leschner
  • Erstausstrahlung: 23. Dezember 2011 (NDR Fernsehen)
  • Episoden: 27 (6 Staffeln)
„Die Guten trifft’s immer zuerst“, verkündet Schotty lapidar seine Anteilnahme, als er zur Reinigung in ein Vereinsheim gerufen wird und auf einen trauernden Anzugträger trifft. Dass es in Schottys Augen beim besten Willen nicht „die Guten“ sind, mit denen er es bei seinem Abstecher in die Zentrale des „Freundeskreis Heimat e.V.“ zu tun bekommt, wird dem «Tatortreiniger» spätestens klar, als er den Raum betritt, in dem sich ein tödlicher Unfall ereignete. Die Aussage des Vorstandsmitglieds, der von einem „Verein politisch Engagierter, die jungen Menschen eine Perspektive geben wollen“ sprach, erscheint in Anbetracht des von unzähligen Nazi-Memorabilia geschmückten Zimmers in einem ganz neuen Licht.

Dass eine deutsche Serie zum zweiten Mal in Folge mit dem Grimme-Preis in der Kategorie Unterhaltung ausgezeichnet wird, ist bereits bemerkenswert. Tatsächlich war es der Grimme Preis-Jury im Jahr 2013 jedoch ein besonderes Anliegen, dem «Tatortreiniger» nach der Auszeichnung im Vorjahr speziell einen weiteren Preis für die Episode „Schottys Kampf“ zu verleihen. „Es ist so ungewöhnlich wie gerechtfertigt“, erklärte Grimme-Chef Uwe Kammann im Rahmen der Preisverleihung, „dass der ‚Tatortreiniger’ schon zum zweiten Mal einen Preis erhält. Die thematisch so ausgefallene, weil hochpolitisch zugespitzte Folge bietet schlicht eine nochmalige Qualitätssteigerung, unkonventionell in jeder Hinsicht.“

„Schottys Kampf“ bildet ungemein pointiert die Augenwischerei rechter Gruppierungen ab, die ihre Organisationen gegenüber der Öffentlichkeit gerne als soziale bis wohltätige Einrichtungen verkaufen. Dabei operiert der „Freundeskreis Heimat“ unter Ausnutzung rechtlicher Hintertürchen am Rande der Legalität, auch was die Aufbewahrung und Zurschaustellung der NS-Devotionalien betrifft. Dass man es aber bei Weitem nicht nur mit aggressiven Dumpfbacken, wie dem von David Bredin gespielten Haudrauf zu tun hat, sondern auch mit hochintelligenten Personen, die gelernt haben, ihren Standpunkt gegenüber kritischen Außenstehenden zu argumentieren, wird im von Holger Stockhaus gespielten Leiter des Vereinsheims deutlich. „Der Nationalsozialismus muss überarbeitet, weitergedacht – und auch ein Stück weit von der Person des Führers abgekoppelt werden“, führt der rhetorisch hochveranlagte Vereinsfunktionär aus, nur um sich wenige Momente später nach angeklungenem Schlager-Klingelton an seinem Handy mit „Heil Hitler“ zu melden.

Trotz aufrechter Moral ist Schotty dessen Ausführungen nicht gewachsen und schafft es bald nicht mehr den vor Fremdenfeindlichkeit und grotesken Verharmlosungen strotzenden Ausführungen zu folgen. Er flüchtet sich in herrlich komisch anzuschauende Gewaltfantasien. Doch Schotty ist Profi, hat sich stets unter Kontrolle und findet letztlich zur Genugtuung der Zuschauer doch noch eine intelligente Lösung, um der Gruppe brauner Gesinnungsgenossen eins auszuwischen. Neben dem Grimme-Preis erhielt „Schottys Kampf“ zudem den CIVIS Medienpreis für Integration und kulturelle Vielfalt.

Staffel 4 – Episode 4: „Der Fluch“
So liebenswert, weil herrlich anders und verquer, kommt „Der Fluch“ aus Staffel vier daher.

Wie einige Leser vielleicht bemerkt haben, wurde dieser erste Satz des gleich folgenden Loblieds in Reimform verfasst, was aufgrund mangelnder Begabung leider nicht über die volle Länge des Abschnitts beibehalten werden kann. Ganz anders verhält sich dies innerhalb der vierten Ausgabe aus Staffel vier, die fast vollständig in Reimen gesprochen wird. Schotty soll in der Eingangshalle eines schlossartigen Anwesens den Fleck eines sehr alten Selbstmords entfernen, der Ursprung eines höchst eigenwilligen Fluchs ist.

„Eine Sache, die dieses Haus betrifft und ich schwöre Ihnen, ich bin nicht bekifft“, begegnet der Schlossherr dem Tatortreiniger. „Ein Fluch belastet diese Villa, übrigens steht hinter ihnen ein Gorilla. Verzeihen Sie, den Gorilla hab‘ ich nur erfunden, um den Reim nach hinten abzurunden. Denn bleibt ein halber Reim am Ende offen, wird man von einem Fluch getroffen.“ Und wird die Reimepflicht ignoriert, wird Schotty zurück vor die Villa transportiert – von wo er auf’s Neue mit dem Putzen anfangen muss.

Steckbrief

Timo Nöthling ist seit April 2013 Teil der Quotenmeter-Redaktion. Sein Arbeitsbereich war von Beginn an breit gefächert und umfasst zahlreiche Schwerpunktthemen, Hintergrundartikel, Interviews oder die wöchentlichen US- und Sport-Checks. Mittlerweile fokussiert der Serienfan vorrangig auf Themen rund um die US-Unterhaltungsindustrie, insbesondere Streaming.
Was am Anfang noch wirkt, wie eine verspielte Übung von Autorin Mizzi Meyer und Regisseur Arne Feldhusen, entspricht inhaltlich bald dennoch der üblichen Herangehensweise der Serie. «Der Tatortreiniger» lernt nämlich den Besitzer der Villa schnell als hoch verunsicherte und neurotische Persönlichkeit kennen, die unter dem Joch des Urururgroßvaters, einem gescheiterten Dichter, sein Dasein zwangsweise ebenfalls als Verseschmied fristen muss. Dabei entwickelt sich schnell sowohl bei Schotty als auch beim Schlossherren ein Wettstreit um die kreativsten Wort- und Versschöpfungen. Als die Reime plötzlich Wirklichkeit werden, erhält die Episode ein herrlich verrücktes, fantastisches Element, das an frühere deutsche Grusel- und Horrorfilme erinnert.

Mit dem ohnehin über jeden Zweifel erhabenen Bjarne Mädel und dem in der deutschen Theaterszene derzeit gefragten und gefeierten Schlossherr Michael Maertens, der sich vom strengen Urururgroßvater emanzipieren will, tragen die Darsteller maßgeblich zum außerordentlichen Sehvergnügen bei, sodass «Der Tatortreiniger» in „Der Fluch“ nicht nur genretechnisch, sondern auch qualitativ zu neuen Ufern aufbricht.

Er ist der Tatortreiniger, der Putztitan, und da wo andere sich übergeben, fängt seine Arbeit an.



Der NDR zeigt die erste Episode der sechsten Staffel des «Tatortreinigers» am Mittwoch, dem 14. Dezember, ab 22 Uhr. In der Folgewoche geht es mittwochs mit zwei neuen Ausgaben weiter.

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