So hat es der große Sir Alec Guiness einst ausgedrückt. Bei Vox hat man sich nun das Gegenteil gedacht: Wenn wir schon keine Freunde zum Schweigen vor die Kamera bekommen (wollen), lassen wir doch einfach Fremde drauf los reden. Und am Ende sind dann ganz sicher auch große Gefühle mit von der Partie.
Hätte, wenn und weißte
Zunächst brauchte das Format, das selbstredend nur rein zufällig an «One Night Song - Blind Date im Wirtz-Haus» erinnert, einen sympathischen Gastgeber. Und wer wäre da besser geeignet gewesen, als Frauenversteher und Liebling der Schwiegermütter Guido Maria Kretschmer, der aus «Shopping Queen» oder «Das Supertalent» hinlänglich bekannt und beliebt ist.
Auch das Setting geriet äußerst gediegen. Ein abgelegener Hof, Stille, Einsamkeit, Besinnung auf das Wesentliche. Nun gut - zumindest wenn man vom Kamerateam, dem Regisseur und all den anderen Crewmitgliedern einmal absieht. Fernsehidylle von findigen Autoren.
Zu Beginn trafen zunächst die Prominenten der Reihe nach ein: Heinz Hoenig, einer der großen Charakterschauspieler des deutschen TV, Stefan Kretschmar, streitbar-unterhaltsamer Ex-Handballer sowie Ex-Model Eveline Hall. Als Letzter betrat dann noch der Gastgeber selbst die Bühne - einen malerischen Steg am See - und übernahm die Vorstellung seiner Gäste. Ein paar Komplimente hier, ein paar Anekdoten dort. Kretschmer sorgte schnell und zuverlässig für wohlige Atmosphäre und gegenseitige Wertschätzung. Eine wunderbare Gruppe Menschen. Einfach wunderbar. Und immer wieder das Mantra aus dem Off: Erleben Sie, wie aus fremden Menschen Freunde werden. Ist der Weihnachtsbaum schon an?
- VOX / Morris Mac Matzen
V.l.: Heinz Hoenig, Stefan Kretzschmar, Eveline Hall, Guido Maria Kretschmer
Freie Redezeit für freie Promis!
Der nächste Block ließ dann auch schon deutliche Rückschlüsse auf die inhaltliche Ausrichtung der Sendung zu. Jeder erhielt ausreichend Zeit für seine Lebensgeschichte. Was ich der Welt schon immer mal erzählen wollte. Eine Spur auswendig gelernt, eine Spur ins Reine geschrieben, eine Spur zu viel Selbstdarstellung mit Zuckerguss. Immer wieder positiv verstärkt durch sympathische Einwürfe Kretschmers oder der Kollegen. Wir mögen dich alle, wir sind bei dir. Und das bereits nach einer halben Stunde Sendezeit. Jemand einen Spekulatius?
Und immer wenn man im weiteren Verlauf dachte, nun stünde der unvermeidliche Klimax endlich kurz bevor, wurde es nur noch netter. Ach, die Mama. Ach, der Papa. Ach, damals. Ob am Kamin oder auf dem Fahrrad, beim Kochen oder in der Gartenschaukel - eine harmonische Runde auf dem sicheren Weg in den Hafen der Freundschaft. Natürlich gab das Format auf diese Weise auch durchaus interessante Einblicke, die beispielsweise ein Markus Lanz in seiner narzisstischen Hektik auch in zwei Stunden Talk nicht aus diesen Gästen herausbekommen würde. Authentisch konnte man das Präsentierte dabei aber leider kaum nennen. Vielleicht wäre seitens des Redakteurs ein Glühwein mit Schuss eine gute Idee gewesen.
Fazit
Auch kurz vor Weihnachten erträgt der geneigte TV-Konsument trotz präfestlicher Gefühlsduselei nur einen gewissen Level an kaufmännischem Kalkül. Vox hat hier zwar in Sachen technische Umsetzung erneut eine geschliffene Produktion geschaffen, dennoch fehlt dem Format eine Seele, die aus der Sache an sich erwächst. Keine, die es dem kompetenten Script verdankt.
Profis unter sich, die genau wissen worauf es ankommt und was es zu sagen gilt - auf Autopilot wegmoderiert vom zuverlässigen Guido Maria Kretschmer. Darf man schauen, kann man mögen, muss man aber nicht zwingend in Dauerschleife schicken.
Wie sagte es Sir Alec Guiness noch?
„Es gibt nichts Schöneres, als mit einem Freund über ein interessantes Thema zu schweigen."
Hätte man beherzigen sollen. Weniger ist eben manchmal mehr.
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20.12.2016 08:26 Uhr 1