Filmfacts «Vaiana»
- Regie: Ron Clements, John Musker
- Produktion: Osnat Shurer
- Drehbuch: Jared Bush
- Story: Ron Clements, John Musker, Chris Williams, Don Hall, Pamela Ribon, Aaron & Jordan Kandell
- Musik: Mark Mancina, Lin-Manuel Miranda, Opetaia Foa'i
- Schnitt: Jeff Draheim
- Laufzeit: 107 Minuten
- FSK: ohne Altersbeschränkung
Mit ihrer neusten Produktion beugen sich Clements und Musker nunmehr dem Puls der Hollywood-Zeit. Zwar enthielten ihre Filme stets CG-Tricksereien, aber «Vaiana» stellt den ersten nahezu durchweg am Computer animierten Film des Duos dar. Einen Hauch Nostalgie hat es in das Pazifikabenteuer jedoch hineingemogelt: Der prahlerische, trickreiche Halbgott Maui hat „lebendige“ Tattoos, die von Eric Goldberg (Zeichner des Dschinni aus «Aladdin») handgezeichnet wurden und als die freche „Stimme“ seines Gewissens dienen. Sie symbolisieren außerdem quasi den traditionellen Funken, den sich diese frische Disney-Produktion bewahrt hat.
Familiär und dennoch anders

Vaianas Großmutter spornt die Bestrebungen ihrer Enkelin an, indem sie Erinnerungen an einen Vorfall aus den Kindstagen der wagemutigen Heranwachsenden weckt: Sie wurde vom Ozean auserkoren, das am Strand der Insel Motunui angespülte Herz Te Fitis zurückzubringen. Dazu muss sie Maui ausfindig machen und ihn dazu zwingen, mit ihr davon zu segeln. Vaiana nimmt all ihren Mut zusammen und segelt in dieses aufregende Abenteuer, bei dem es nicht nur darum geht, ihre Heimat zu beschützen, sondern auch darum, zu sich selbst zu finden.
Gespickt ist dies mit einer ordentlichen Prise kecker Selbstironie: Unter anderem nimmt Maui die Position vieler Zuschauer ein, dass ja alle (Disney-)Heldinnen letztlich nur Prinzessinnen wären, während der mit Vaiana reisende Hahn Heihei der unfähigste, dümmste, unnützeste Sidekick der Disney-Filmgeschichte ist. Und Clements/Musker machen sich einen Heidenspaß daraus, dies immer und immer wieder vorzuführen.

Diese Zerrissenheit Vaianas, die zwar abenteuerlustig ist, aber keineswegs leichtsinnig und voreilig, stellen Musker/Clements filigran dar und verbinden dies gekonnt mit dem wiederkehrenden Thema ihrer Story: Man solle seinem Herzen folgen.
- © Disney
Eine Südseewelt, die es zu erkunden lohnt
Die im Kern sehr disneytypische Erzählung wandeln Musker/Clements dadurch ab, dass dieses Mal kein noch so kleiner Romantiksubplot auftaucht und sich diese Produktion zudem wiederholt von der im westlichen Kino kaum geachteten polynesischen Mythologie verschlingen lässt: Gerade gen Schluss geben poetische Bilder der Story einen für Disney ungewohnten Dreh. Auch der Verzicht auf einen abgrundtief bösen, die Strippen ziehenden Schurken lässt «Vaiana» etwas von der Disney-Formel abweichen.

Abgerundet wird das Südsee-Abenteuerfeeling durch die Filmmusik: Mark Manchina («Tarzan») kreiert mittels rhythmischer Percussion, sanft gespielten Holzblasinstrumenten und dezent eingesetzter Gitarre eine perfekt zu den Bildern passende Klangästhetik, die er gewitzt abwandelt – etwa durch überdeutliche «Mad Max: Fury Road»-Einflüsse in einer verrückten Actionszene. Die Songs (an denen neben Mancina «Hamilton»-Schöpfer Lin-Manuel Miranda sowie Opetaia Foa'i beteiligt waren) sind wiederum eine erquickliche Mixtur aus Disney-Musical und polynesischem Folk. Bloß der Eröffnungssong ist enttäuschend – generell fängt «Vaiana» im Vergleich zu den sonstigen Musker/Clements-Filmen etwas holprig an. Er braucht Zeit um sich zu entfalten, endet dafür aber besonders stark.
Der Haken an diesem Paradies

Der einschneidende Fauxpas geschah bei dieser Synchronfassung nicht hinter dem Mikrofon, sondern am Schreibtisch: Strahl und Bourani mögen sich zwar redlich abmühen, sind aber fehlbesetzt. Strahls freundlich-helle Stimme klingt nur in wenigen, kurzen Dialogpassagen so, als könnte sie der durchsetzungsfähigen Südsee-Abenteurerin entspringen. Diese Bild-Ton-Schere mindert die Illusion, dass die Titelheldin eine lebende, atmende, fühlende junge Frau ist – sie ist nunmehr bloß eine Trickfigur, die hastig nachsynchronisiert wurde.
Auch Debby van Dooren, die Strahl täuschend ähnlich klingt und die Gesangspassagen Vaianas übernimmt, trifft zwar die Töne, bringt allerdings nicht glaubwürdig die Stimmfarbe und das Volumen rüber, das zur Titelheldin passen würde. Ähnliches gilt für Bourani, der eine höhere, weniger verbrauchte Stimme mitbringt als Dwayne Johnson, der im Original Maui all seiner Prahlerei und all seinen Lügen zum Trotz Charisma und eine autoritäre Glaubwürdigkeit verleiht.
Bouranis eher jugendlich klingender Maui wirkt viel stärker wie ein frecher Emporkömmling, der längst nicht so mächtig ist, wie er vorgibt. Den für Johnsons Tonlage geschriebene, ironische Vorstellungssong Mauis verliert angesichts dieser Umdeutung der Figur an Launigkeit und Flair. Das ist weniger Bouranis Versagen als das derjenigen, die dieses Casting durchgeboxt haben. Darüber hinaus sind die deutschen Liedtexte ein ständiges Auf und Ab: Tiefpunkt ist der Eröffnungssong, in dem die Bewohner des Eilands Motunui ihre Heimat anpreisen. Dieser Nummer ist anzumerken, wie schwer man sich damit getan hat, die rasante Abfolge kurzer englischer Worte ins Deutsche zu übertragen, ohne aus dem Takt zu geraten.
Höhepunkt ist derweil eine als inhaltlicher und tonaler Wendepunkt daherkommende Glam-Rock-Musicalnummer, die nicht nur die zahlreichen Pointen der englischen Fassung gewitzt und kreativ ins Deutsche rettet, sondern zudem melodiös-verrückt von Tommy Morgenstern («Thor»-Darsteller Chris Hemsworth) gesungen wird. Auch der oft für Disney im Einsatz befindliche Manuel Straube weiß mit seiner Gesangseinlage zu überzeugen – trotzdem sind die teils arg wackligen Songübersetzungen und die unpassenden Besetzungen der Hauptfiguren genug, um «Vaiana» zu einem der am schwächsten synchronisierten Disney-Trickfilme zu machen.
Fazit
Ein herausragend animiertes, sehr lustiges und zugleich zu Herzen gehendes Disney-Abenteuer mit einer liebenswerten, facettenreichen Hauptfigur und einem sie begleitenden, ulkigen Ensemble an Nebenrollen. Wer kann, besucht in diesem Fall jedoch lieber eine OV- oder OmU-Aufführung …
«Vaiana» ist ab dem 22. Dezember 2016 in vielen deutschen Kinos zu sehen – in 2D und 3D.
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