Die Kritiker

«Die Lebenden und die Toten - Ein Taunuskrimi»

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Ein Scharfschütze, der Jagd auf scheinbar unschuldige und unscheinbare Bürger macht. Doch der Schein trügt, denn irgendwie saugt der Taunuskrimi jegliche Spannung aus dem Plot.

Cast & Crew «Die Lebenden und die Toten - Ein Taunuskrimi»

  • Regie: Marcus O. Rosenmüller
  • Darsteller: Tim Bergmann, Felicitas Woll, Ulrich Tukur, Michael Schenk, Kai Scheve, Simon Schwarz, Sybille J. Schwill, Mira Bartuschek, Saskia Rosenthal
  • Drehbuch: Kris Karathomas
  • Kamera: Stefan Spreer
  • Schnitt: Raimund Vienken
  • Musik: Florian Tessloff
Schon seit ein paar Jahren versucht sich das Zweite Deutsche Fernsehen an den Adaptionen der Krimi-Romane von Nele Neuhaus. Mit manchmal mehr und manchmal weniger inszenatorischem Erfolg. «Die Lebenden und die Toten» ist die siebte Adaption, die auf ambitionierte zwei Episoden verteilt wurde. Was auch immer in der Buchvorlage steht, die übereifrige Inszenierung von Marcus O. Rosenmüller hat nicht unbedingt geholfen, um einen spannenden, modernen Thriller daraus zu machen.

Eine Rückblende in verwaschenen Farben: Einer Joggerin läuft durch eine idyllische Landschaft. Eigentlich wollte sie mit ihrer Tochter für den New York-Marathon trainieren. Die liegt allerdings nach einer durchzechten Nacht noch verkatert im Bett. Erst später schafft sie es, sich aus dem Bett zu erheben und zu ihrer Mutter zu stoßen. Vielleicht zu spät. Denn die liegt schon aus zunächst ungeklärten Gründen bewusstlos auf der Joggingstrecke. Ein Ereignis, das erst einmal nicht erklärt wird, aber von Bedeutung sein wird, da es noch etwa drei- bis viermal wiederholt werden soll. Ein simpler Drehbuchkniff, um den Zuschauer bei der Stange zu halten. „Aber was hat das mit dem vorliegenden Fall zu tun?“, soll die Frage lauten, die sich durch das Geschehen zieht. Zurück in der Gegenwart: Ein Scharfschütze treibt sein Unwesen und erschießt wahllos, aber kaltblütig, methodisch und präzise unbescholtene Mitbürger.

Natürlich ist nichts so wie es scheint und sowieso ist alles anders, als man denkt, denn das erfordert das Gesetz des Genres, insbesondere wenn es sich um einen Zweiteiler handelt. Irgendwo existiert eine Verbindung, vielleicht noch eine Verschwörung, wenn man besonders ehrgeizig sein möchte. Ein Fall, dem sich die Ermittler des K11 Hofheim annehmen. Allerdings stehen Oliver von Bodenstein (Tim Bergmann), Pia Kirchhoff (Felicitas Woll) und Kai Ostermann (Michael Schenk) mitsamt Unterstützung des LKA-Profiler Andreas Neff (Simon Schwarz) unter massivem Druck, den Schuldigen zu finden, bevor er das nächste Mal zuschlägt.

Auch die Presse stürzt sich auf den Fall, stets hoffnungsvoll, eine neue reißerische und Panik machende Schlagzeile aus den tragischen Ereignissen ziehen zu können und die Auflage zu steigern. Schnell wird der Scharfschütze zum „Taunus-Sniper“ getauft und die Printzeitung symbolträchtig in die Kamera gehalten. Die moralisch fragwürdige und sensationsgeilen Reporter sind dem Klischee entsprechend unsympathisch und werfen mit nervtötenden Anglizismen um sich.
Scheinbar soll hier so etwas wie Journalismus- und Medienkritik mit einfließen oder Drehbuchautor Kris Karathomas versucht, eine zusätzliche Dimension für den Fall zu schaffen. Beides verläuft allerdings wegen der geradezu karikaturhaften Figurenzeichnung im Sande.

Hinzu kommen sogenannte „Sniperblogs“, die sehr schnell das Internet infizieren. Das ist anscheinend schlecht, allerdings erklärt der Film nicht, warum es so schlimm ist. Das ist symptomatisch für einen Krimi, der geradezu verzweifelt versucht, modern zu wirken, dem aber weder das richtige Werkzeug noch das Vokabular zur Verfügung steht. Es hat fast den Anschein, dass hier Stichpunkte aus einem Journalismus- oder Internet-Thriller der 90er gefunden und wiederverwertet wurden. Keines dieser Themen wird jedoch tiefer gehend erforscht, geschweige denn geschickt mit dem Hauptplot verwebt. Auch die Panik, die eine solche Mordserie in einer Gesellschaft auslöst, kann der Zweiteiler nicht überzeugend seinem Publikum näher bringen. Der Versuch, so etwas wie einen politischen Unterton in dem Plot zu finden - denn notwendige Sicherheitsmaßnahmen könnten schließlich zur Einschränkung der Bürgerrechte führen (was irgendwann in einem Nebensatz erwähnt wird) - verliert ebenfalls schnell wieder an Relevanz.

Übliche und bekannte Genre-Zutaten, psychologische Täterprofil-Klischees werden ohne besonderes Können halbgar gekocht. Die Hintergründe des Falles wirken gleichzeitig vorhersehbar sowie konstruiert und doch irgendwie an den Haaren herbei gezogen. Viele dieser Probleme spiegeln sich auch in den Haupt- und Nebencharakteren wieder: kaum Ecken oder Kanten, Exzentrizitäten oder Sinn für Humor. Frage: „Was hast du gefrühstückt?“ Antwort: „Müsli! Sonst noch was?“ Humor… schätzungsweise, der sich gern als trocken und sarkastisch verkaufen möchte, allerdings wenig überzeugend und vor allem erzwungen bleibt. Auch die Sinnkrise des Ermittlers von Bodenstein, der überlegt das Beamtenleben an den Nagel zu hängen und Vermögensverwalter seiner reichen Schwiegermutter zu werden, mutet da nicht besonders interessant an. Selbst die exzentrischen Eigenarten des Andreas Neff sind schnell ermüdend. Und die Beziehung zwischen Ermittlerin Pia Kirchhoff und ihrer Schwester bleibt kaum in Erinnerung. Mühselig arbeitet sich das Drehbuch ab, um dreidimensionale Figuren zu schaffen, hält aber gerade einmal den kleinen Zeh in die zweite Dimension.

Die Inszenierung von Marcus O. Rosenmüller schießt währenddessen übereifrig über das Ziel hinaus. Hier ist der böse Killer, dort die Musik voller Suspense, harte Schnitte, Rückblenden, die mit den Aussagen von Zeugen unterlegt sind. Mit den bekanntesten und abgenutztesten Methoden versucht Rosenmüller eine spannende Atmosphäre zu schaffen, verheddert sich allerdings immerzu in inszenatorischen Klischees. So möchte der Film zu jeder Sekunde vermitteln, dass gerade etwas unheimlich Spannendes geschieht, anstatt solche Momente sparsam auf die knapp drei Stunden zu verteilen. Die Spannungsmomente haben sich schnell abgenutzt. Was bliebt, sind Kopfschüsse in Zeitlupe und Blut, das symbolträchtig auf 50 Euro-Scheine spritzt. Also nicht viel.

Fazit: Unausgegorener Thriller, der ein paar interessante Themen nur oberflächlich und klischeehaft anschneidet, blasse Figuren abliefert und inszenatorisch überambitioniert daher kommt, ohne Spannung aufzubauen.

«Die Lebenden und die Toten - Ein Taunuskrimi» ist am Montag, dem 02.01. und am Mittwoch, dem 04.01. jeweils um 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.

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