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ProSieben im Jahr nach Raab: Wie verlief die Mission Schadensbegrenzung?

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Mit vielen neuen Shows, Dokus und Serien versuchten die Unterföhringer, den Verlust ihres Superstars zu kompensieren - einige dieser Versuche sind längst wieder Geschichte, andere dagegen wecken Hoffnung. Wir blicken Zurück auf die Erfolge und Enttäuschungen des wohl bewegtesten ProSieben-Jahres seit langer Zeit.

Ob man ihn und seine Form der Unterhaltung nun mag oder nicht: Kaum jemand dürfte bestreiten, dass Stefan Raab bei ProSieben eine Position bekleidet hatte, die in der heutigen Fernsehära beispiellos war. Über Jahre hinweg dominierte der gelernte Metzger das Unterhaltungssegment des Privatsenders nach Belieben, konzipierte neben etlichen Eventshows mit «Schlag den Raab» den wohl letzten Superhit im Bereich der Samstagabend-Show aus deutscher Schmiede und besaß mit «TV total» nach dem Niedergang Harald Schmidts überdies auch noch ein Quasi-Monopol auf tägliche Latenight-Unterhaltung. Die Kehrseite dieser One-Man-Show bekam das Team um Senderchef Daniel Rosemann dann in diesem Jahr zu spüren, wo man nach Raabs Abgang zahlreiche Baustellen zu beackern hatte - und sich alles in allem erfreulich umtriebig dabei zeigte, dieser Herausforderung nicht bloß durch weitere Sitcom-Reruns zu entfliehen. An welchen Stellen der Arbeitseifer besonders groß war und erste Früchte trug, soll an dieser Stelle ebenso analysiert werden wie die noch immer zahlreichen Problemzonen und Momente, in denen man dann doch zu äußerst inspirationslosen Lösungen griff.


Die Zugpferde am Samstagabend: Ein neues altes Raab-Projekt - und Joko und Klaas


Einer der beiden zentralen Slots von Stefan Raab war in den vergangenen Jahren stets die Primetime am Samstagabend, wo alleine «Schlag den Raab» und der kleinere «Star»-Ableger im Jahr 2015 neun Abende abdeckten - hinzu kamen mit Stock Car, Turmspringen Wok-WM und Eisfußball vier sportliche «TV total»-Events und der «Bundesvision Song Contest». Das alles alleine schon rein quantitativ zu kompensieren, war ein Mammutakt, der ProSieben in beachtlicher Art und Weise gelang: Die Zahl der mit Show-Formaten bestückten Samstage ging nur sehr moderat von 23 im Jahr 2015 auf 19 (bzw. 20, wenn man großzügig ist und die Zusammenstellung der «Besten TV-Streiche» hinzu nimmt) zurück, die Zahl der unterschiedlichen Formate reduzierte sich von 13 auf neun (bzw. zehn). Bemerkenswert: Die im Zuge des Raabschieds nicht selten geäußerte Erwartungshaltung, dass Joko und Klaas nun signifikant mehr zu tun bekommen dürften, trat keineswegs ein - die beiden bestückten sogar einen Abend weniger als im Vorjahr (fünf statt sechs), was in erster Linie daran lag, dass ihr «Duell um die Welt» lediglich in Form eines Best-Ofs über die Fernsehgeräte flimmerte, wo hingegen 2015 noch drei frische Ausgaben zu sehen waren.

Für den wichtigsten Anker sorgte dagegen mit «Schlag den Star» eine Show, die sichtbar noch den alten Raab-Spirit in sich trug und konzeptionell weniger verändert als viel mehr enger an das große Vorbild angelehnt wurde: Live sollte sie nun laufen, knackige 15 Spiele umfassen und internationale Musikacts einladen. Was fehlte, war neben dem von Elton einigermaßen adäquat ersetzten Steven Gätjen und einem Normalo-Kandidaten insbesondere: Raab - und das war nicht wenig. Mit durchschnittlich 1,73 Millionen Zuschauern und 8,0 Prozent Gesamt- bzw. 14,9 Prozent Zielgruppen-Marktanteil war man ein vergleichsweise kleines Licht gegenüber «Schlag den Raab», das zuvor in seiner fast zehnjährigen Geschichte durchschnittlich mehr als drei Millionen Menschen begeisterte und fast immer oberhalb der 20-Prozent-Marke rangiert hatte. Und doch überraschte es kaum, als ProSieben die Fortsetzung der Sendung für 2017 verkündete - was auch damit zusammenhing, dass es kaum erfolgreichere Alternativen gab.

Quoten der Show-Serientäter 2016 (14-49)

  1. «B. Show der Welt» (2): 16,4%
  2. «Schlag den Star» (6): 14,9%
  3. «Mein b. Feind» (2): 11,7%
  4. «Teamwork» (2): 11,6%
  5. «Deutschland tanzt» (3): 7,5%
Durchschnittliche Werte aller ausgestrahlten Folgen. In Klammern: Zahl der 2016 gezeigten Folgen.
Das "Kaum" lässt sich darin begründen, dass «Die beste Show der Welt» zwar ihrem selbstbewussten Titel nicht unbedingt gerecht wurde, bei ihren beiden Einsätzen aber sehr wohl zu begeistern wusste: Nach tollen 17,1 Prozent Zielgruppen-Marktanteil zum Auftakt im April blieb der große Absturz für die zweite Ausgabe mit noch immer sehr guten 15,7 Prozent aus, beim Gesamtpublikum lag man nur leicht hinter dem «Schlag den Star»-Niveau. Dank des Neustarts retteten Joko und Klaas ihre Jahresbilanz, die nicht nur aufgrund des deutlichen Aderlasses für «Circus HalliGalli» am Montag lediglich durchwachsen ausfiel. Auch mit zwei Folgen von «Mein bester Feind» im Januar und Februar sowie dem Besten aus vier Jahren «Das Duell um die Welt» war samstags nicht mehr zu holen als solides, aber ebenso biederes Mittelmaß. Selbiges lässt sich auch über «Teamwork» sagen, das mit zwei weiteren Ausgaben auf erneut unspektakuläre 10,8 und 12,3 Prozent des jungen Publikums gelangte.


«Deutschland tanzt» reichlich verhalten, liebt aber Völkerball


Und dann wären da auch noch vier Neustarts, die weder in guter alter Raab-Tradition standen noch maßgeblich von den Herrschaften Winterscheidt und Heufer-Umlauf verantwortet wurden. Das ambitionierteste Projekt verantwortete unter anderem Elton bei seinem «Auswärtsspiel», das jedoch Ende September lediglich auf Höhe der Sendernorm rangierte und bei dem die angebliche Luxus-Villa der Kandidaten stärker im Fokus stand als das mit viel Mühe und beachtlichem Aufwand auf die Beine gestellte Projekt. Ein noch größerer Reinfall war dann im September das unglücklicherweise auf gleich drei Abende verteilte «Deutschland tanzt», bei dem das in den vergangenen Jahren nur noch leidlich erfolgreiche «BuViSoCo»-Voting-Prinzip auf eine eher spießig-zähe Promi-Tanzerei ausgelagert wurde. Die Quittung des Publikums für dieses weitgehend alberne und viel zu aufgeblähte Spektakel waren desolate 7,1 bis 8,3 Prozent Zielgruppen-Marktanteil bei zum Schluss hin nicht einmal mehr eine Million Zuschauer. Es war der einzige kapitale Flop des Senders auf diesem Sendeplatz.

Und dann gab es auch noch einen Überraschungserfolg, als man Mitte April die «Völkerball-Meisterschaft» austrug und trotz schlechter Kritiken sehr starke 14,9 Prozent bei insgesamt 1,77 Millionen Zuschauern erzielte - kein Wunder also, dass man auch im April 2017 wieder auf das Live-Event setzt. Weitaus ruhiger ist es dagegen um das «ProSieben-Länderspiel» geworden, das im Juni kurz vor dem Start der Fußball-Europameisterschaft lediglich auf mittelprächtige Einschaltquoten gelangte.


Samstagabend-Fazit: Die Show lebt weiter, doch ihr Glanz erblasst


ProSiebens Top-Filme am Samstag 2016 (14-49)

  1. «DHdR - Die zwei Türme»: 14,0%
  2. «Stirb langsam 5»: 11,2%
  3. «Werner - Eiskalt»: 10,8%
  4. «Spieglein Spieglein»: 10,1%
  5. «Gran Torino»: 9,5%
Berücksichtigt wurden nur Filme, die um 20:15 Uhr starteten.
Bei Berücksichtigung sämtlicher Show-Abende in diesem Kalenderjahr ergibt sich ein alles in allem doch noch recht ordentliches Bild, gelangte ProSieben doch auf klar überdurchschnittliche 6,0 Prozent Gesamt- und 12,6 Prozent Zielgruppen-Marktanteil bei im Mittel 1,43 Millionen Fernsehenden. Maßgeblichen Anteil daran hat vor allem «Schlag den Star», ohne das die Gesamtbilanz mit 5,4 und 11,6 Prozent schon deutlich moderater ausfiele. Doch selbst hiermit läge man noch immer oberhalb des Niveaus, das selbst die erfolgreichsten Spielfilme des Jahres mit Ausnahme eines alten «Herr der Ringe»-Films am Heiligabend verzeichnen konnte (siehe Infobox). Von welch enormer Bedeutung die Shows für den Privatsender sind, lässt sich auch anhand des Umstands ablesen, dass 18 Primetime-Blockbuster gerade einmal einstellige Marktanteile verzeichnet hatten und gerade einmal vier überhaupt den Sprung in die Zweistelligkeit schafften. Mit anderen Worten: Die Shows und «Galileo Big Pictures» sind derzeit alternativlos für ein erfolgreiches ProSieben an diesem Sendetag.

Über einen deutlichen Aderlass gegenüber dem Vorjahr kann dies alles jedoch nicht gänzlich hinwegtäuschen: Trotz der leicht höheren Gesamtzahl von 23 statt 20 berücksichtigten Abenden lief es 2015 mit 8,4 Prozent aller und 16,0 Prozent der jüngeren Konsumenten bei im Schnitt 1,93 Millionen Zuschauern noch klar besser für das Unterhaltungsangebot der Unterföhringer - ein Umstand, von dem nicht zuletzt das RTL-«Supertalent» profitierte, das sich in Durchgang zehn über leicht steigende Einschaltquoten freuen durfte. Ein Großteil des Erfolges deckten damals fraglos die Raab-Formate ab, doch auch an den neun Abenden ohne sie erreichte man noch ziemlich respektable 5,8 und 12,9 Prozent bei 1,47 Millionen. Die Programmverantwortlichen werden sich also recken und strecken müssen, um 2017 zumindest den Status Quo zu manifestieren, der von wenigen handfesten Flops ebenso geprägt war wie von wenigen wirklich neuen Hits.


Lesen Sie auf der zweiten Seite, wie ProSieben auf den Wegfall von «TV total» unter der Woche reagierte und Brainpool ohne seine letzte feste Größe gegen den Bedeutungsverlust ankämpft. Außerdem: Wie hat sich der Raabschied auf die Jahres-Gesamtbilanz von ProSieben ausgewirkt?

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