Der Spätabend von ProSieben: Große Montagsambitionen und große Enttäuschungen
Frischer Stoff am späten Montag
- «Studio Amani» (8 Folgen)
- «Duell um die Geld» (6)*
- «Applaus und raus!» (5)
- «In the Box», «10 Fakten» & «Mission Wahnsinn» (je 4)
- «Follow us!» (3)
- «HalliGalli»-Bestofs (2)*
*: Zwei «Duell um die Geld»-Folgen und beide «HalliGalli»-Bestofs starteten bereits deutlich vor 23 Uhr, umfassten allerdings die gesamte Sendezeit bis hin zur Nacht.
Das Gesamtergebnis dieses umfassenden Engagements fällt derweil durchwachsen aus. Respektabel schlug sich vor allem das im Sommerprogramm als informativer Nachschlag an das wirklich schöne Reportage-Format «Uncovered» programmierte «10 Fakten», das an zwei Abenden herausragende 15,1 und 14,0 Prozent der werberelevanten Zielgruppe verzeichnete, sich bei seinen anderen beiden Einsätzen mit nur knapp zehn Prozent jedoch weitaus schwerer tat. Das anschließende «Follow us!» war dagegen ein Totalausfall und kam nie über lausige 7,8 Prozent hinaus. Ganz ansehnlich waren auch die Performances von «Das Duell um die Geld» mit durchschnittlich gut elf Prozent und von Ingmar Stadelmanns ProSieben-Debüt mit «Mission Wahnsinn», das in drei von vier Fällen mit 10,6 bis 11,6 Prozent ordentlich abschnitt - und lediglich einmal mit nur 7,4 Prozent beim Publikum durchfiel.
Die größte Enttäuschung war dagegen das groß promotete «Studio Amani», das im Frühjahr gleich acht Folgen spendiert bekam und mit über einer Million Zuschauer sowie 16,8 Prozent Zielgruppen-Marktanteil auch furios startete. Die Anfangseuphorie war jedoch schnell verflogen, sodass bereits in Woche zwei nur noch 12,6 Prozent zu Buche standen - bevor die restlichen sechs Ausgaben mit 8,5 bis 9,7 Prozent ausnahmslos unterhalb der Norm rangierten. Mäßig mit leichtem Hang zur Enttäuschung lief im Februar bereits das dokumentarische Format «In the Box», während im letzten Quartal des Jahres Oliver Polaks ProSieben-Premiere mit «Applaus und raus!» in die Hose ging: Einzig die erste und die letzte Ausgabe liefen mit 8,0 und 8,9 Prozent zumindest einigermaßen hinnehmbar, die mittleren drei versagten mit nur rund sechs Prozent auf ganzer Linie. Sorgenfalten dürfte es aber mittlerweile auch und gerade im Bezug auf das um 22:10 Uhr gezeigte «Circus HalliGalli» geben, das seit September kein einziges Mal mehr den Senderschnitt erreichte und das Kalenderjahr sogar mit Allzeit-Tiefstreichweiten von 0,65 und 0,55 Millionen abschloss. Hier müssen Joko und Klaas in Bälde dringend liefern, denn die Formkurve zeigt derzeit klar nach unten.
Misere in Serie: Fiktionale Kost mundete fast nie
Am Dienstag und Mittwoch gab es dann viel Raum, um ganz neue oder altbekannte Serien mit neuen Folgen zu zeigen. Ersteren Abend nutzte man nach einem mäßig erfolgreichen Versuch, die Sitcom «Odd Couple» in Doppelfolgen an den Mann zu bringen, vornehmlich dafür, seinen lahmenden Superhelden neues Leben einzuhauchen. Im Falle von «The Flash», das fast ein halbes Jahr lang nach 23 Uhr auf Zuschauerjagd ging, klappte dies zumindest punktuell: Nach einem tollen Start mit 15,2 Prozent gelang es immer wieder mal, ordentliche Zahlen zwischen zehn und zwölf Prozent zu erreichen, in gut der Hälfte der Fälle tat man sich dagegen angesichts von nur rund acht bis neun Prozent auch ganz schön schwer. Das ab Mitte September schließlich eingesetzte «Gotham» verschärfte die Situation noch und verharrte ausnahmslos in der Einstelligkeit - an guten Tagen mit 9,4 und 9,9 Prozent nur knapp, doch mit sieben von 13 Folgen war die Zahl jener Episoden, die nicht einmal mehr sieben Prozent erreichten, klar dominant.
Ein Problemfall ist ohne jeden Zweifel auch und gerade der späte Mittwochabend, der schon zu «TV total»-Zeiten oftmals ziemlich in der Luft hing. Im Februar und März versuchte man sich nach einem eher belanglosen Jahresauftakt mit Spielfilmen und «TBBT» am Spätabend temporär mit Doppelfolgen von «Code Black», das jedoch schnell auf nur eine mies laufende Folge pro Abend um 22:10 Uhr reduziert und nach einem kurzen «Crisis»-Intermezzo durch alten Stoff von «Two and a Half Men» ersetzt wurde. Weil damit ebenfalls kein Blumentopf zu gewinnen war, versuchte man es im Sommer dann mit Spielfilmen und im August und September mit Doppelrationen der neuen «The 100»-Staffel - und kam schließlich doch wieder auf die allgegenwärtige Comedyserie zurück, weil mit nichts davon ein Blumentopf zu gewinnen war.
Ähnlich umtriebig verlief auch die Suche nach der rechten Spätabend-Rezeptur am Donnerstag, wobei man hier am Anfang und Ende des Jahres das Glück hatte, mit «Germany's Next Topmodel» und «The Voice» zwei echte Kassenschlager als Anlaufhilfe im Aufgebot zu haben. Dementsprechend ordentlich lesen sich auch die Zahlen des reichlich chaotisch bestückten Abends, der von verspäteten «red!»-Einsätzen, weiterem Füllmaterial von Sheldon Cooper, Walden Schmidt und diversen älteren Spielfilmen bis hin zu mäßig substanz- und erfolgreichen Tattoo- und Dokusoap-Formaten wie «Cover Up» und «Die Yottas!» viel zu bieten hatte - nur halt wenig Zugkräftiges. So wirklich sollte sich dies erst ab Ende Oktober im Schlepptau der Hit-Castingshow ändern, wo unter anderem auch Joko und Klaas mit ihrem «My Idiot Friend» sowie Enissa Amani mit «nissa - Geschichten aus dem Leben» moderate Erfolge feiern durften.
Spätabend-Fazit: Das selbstbewusste Bewerbungsschreiben fehlt
Wie lief eigentlich «TV total»?
Wer Stefan Raabs Urgestein als großen Quotenhit in Erinnerung hat, täuscht sich: Mit durchschnittlich 5,6 Prozent Gesamt- sowie 11,1 Prozent Zielgruppen-Marktanteil bei im Schnitt 0,72 Millionen Zuschauern war die Sendung zuletzt zwar für solide, aber keineswegs überragende Marktanteile gut - das jedoch verlässlich über viele Jahre hinweg.Mehr dazu in unserem Quotencheck aus dem Dezember 2015.
Ein weiterer offensichtlicher Verlierer des Raabschieds kam hier bislang noch gar nicht zur Sprache: Die Produktionsfirma Brainpool, die einst neben den Raab-Formaten auch mit Megahits wie der «Wochenshow», «Ladykracher», «Pastewka» oder «Stromberg» werben konnte, in diesem Jahr aber gerade einmal noch zwei Formate («Schlag den Star» und «Luke!») in den Top 100 der reichweitenstärksten TV-Shows in der werberelevanten Zielgruppe zu platzieren wusste. Der Druck auf dieses einstige Branchenunikat ist so massiv angewachsen, dass es sein Produktionsteam deutlich verkleinerte und inzwischen sogar verstärkt mit Adaptionen ausländischer TV-Shows aufwarten muss. Ein erstes Ergebnis kann man derzeit in Form der bislang nicht wirklich erfolgreichen ARD-Quizshow «Rate mal, wie alt ich bin» bewundern, weitere Projekte dieser Couleur sind mit der Sat.1-Gameshow «All Against 1» sowie dem für RTL II angedachten Nackt-Dating «Undressed» angedacht.
Das ProSieben-Jahr 2016: Jahr des Umbruchs, Jahr der Entbehrungen
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Das ProSieben-Team hat im Jahr eins nach Raab gezeigt, dass es großes Entertainment kann - und außerdem großartiges Factual: Mit seinen neuen Wissensprogrammen hat der Sender besonders intensive Akzente gesetzt. Gleichzeitig haben wir viele etablierte Programmmarken gut erneuert: allen voran «Germany's next Topmodel - by Heidi Klum», das einen regelrechten Quotensprung hingelegt hat.
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Wolfgang Link, Vorsitzender der ProSiebenSat.1 TV Deutschland-Geschäftsführung
Dass es ein Jahr der leichten Entbehrungen war, lässt sich aber auch am Vergleich der monatlichen Marktanteile ablesen: In sieben Fällen lief es bei den 14- bis 49-Jährigen 2016 schlechter als im Vorjahresmonat, nur ein einziges Mal - im April - besser. Noch etwas deutlicher fallen die roten Zahlen bei Betrachtung des Gesamtpublikums aus, wo im Januar ein leicht höherer Wert und im Oktober der identische Wert wie im Vorjahr verzeichnet wurden, während es in den restlichen zehn Monaten bergab ging. Das alles sollte keinen Anlass zur Panik geben, wohl aber zur erhöhten Vorsicht: Das Gebilde ProSieben ist nach dem Abgang des Jahrhundert-Entertainers deutlich fragiler geworden, der Bedarf an kompetenten Kräften, die zumindest einen Teil des Raab'schen Genies in sich tragen, ungleich höher. Und ein neuer Stern am Senderhimmel ist derzeit nicht wirklich in Sicht.
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