Die Kritiker

«Mörderische Stille»

von

Jan Josef Liefers zeigt sich von seiner ernsteren Seite: Im ZDF-Film «Mörderische Stille» ermittelt er als introvertierter Kommissar in einem Fall, der ihn über Kriegsverbrechen im Kosovo sinnieren lässt.

Cast & Crew

  • Regie und Drehbuch:
  • Darsteller: Jan Josef Liefers, Sylvie Testud, Peter Lohmeyer, Ivan Anderson, Franziska Brandmeier, Peter Franke, Idil Kocadag, Ole Fischer, Achim Buch
  • Kamera: Michael Wiesweg
  • Schnitt: Vessela Martschewski
  • Musik: Edward Harris
  • Produktionsfirma: AMP Aspekt Medienproduktion
Obwohl Jan Josef Liefers ein vielseitiger Schauspieler ist, wird er gerne auf seine exzentrische Paraderolle beschränkt, den Rechtsmediziner Professor Dr. Karl-Friedrich Boerne aus dem Münster-«Tatort». In «Mörderische Stille» erhält der Dresdener Mime wieder auf prominentem Programmplatz die Möglichkeit, sich von einer ganz anderen Seite darzustellen, ohne den populären Rahmen einer Kriminalgeschichte zu verlassen: Als Kommissar Jan Holzer tritt Liefers in einer introvertierten Rolle auf, die psychisch angeschlagen ist und mit diesem Problem selbstanalytisch umgeht.

Dass er als ruhiger, von einem Tinnitus geplagter Ermittler an der Seite einer temperamentvollen sowie redseligen Deutschtürkin (Ivan Anderson als Amal Catack) arbeitet, mag ein Genreklischee sein: Zwei komplett gegensätzliche Personen müssen an einem Strang ziehen. Was in diversen öffentlich-rechtlichen Krimis klischeehaft und am Reißbrett erfunden daherkommt, stellt in diesem Neunzigminüter jedoch dank der nuancierten Charakterisierung und der genüsslichen Chemie zwischen Anderson und Liefers eine zugängliche Basis für eine komplexe Geschichte dar.

Denn Regisseur und Autor Friedemann Fromm («Die Stadt und die Macht») entwirft mit diesem Krimidrama eine Geschichte über Schuld und Sühne, die eher in Richtung eines etwas schlichteren Dostojewski geht als ins Metier des typischen öffentlich-rechtlichen, politischen Problemfilms. Dafür sind die ethischen Verwerfungen, die sich auftun, zu ausgefeilt und dramatisch; zudem gewinnt der Film durch einen gefühlvollen, trotzdem schnörkellos-schlicht vermittelten Subplot an Flair: Elena (Sylvie Testud), die Frau des Hauptverdächtigen im Mordfall eines ehemaligen Offiziers, ist gehörlos – und versteht sich bestens mit dem wenig sagenden, um sein Hörvermögen besorgten Ermittler Holzer …

Während das stumme, filigrane Mienenspiel zwischen der wunderbar-ausdrucksstarken Sylvie Testud (die hier wieder an ihre Performance aus «Jenseits der Stille» anschließt) «Mörderische Stille» eine besonnen vermittelte, zwischenmenschliche Dramatik mitgibt, trifft der zentrale Mordfall einen weiterhin offenliegenden, somit schmerzlichen politischen Nerv: Kriegsverbrechen während humanitärer Einsätze.

In der Bucht von Wilhelmshaven wird vor dem Segelboot von Segellehrer Michael Kühnert (Peter Lohmeyer) eine Wasserleiche gefunden. Dabei handelt es sich um einen ehemaligen Offizier der niederländischen KFOR-Truppen, die im Kosovo aktiv waren. Der Mann wurde erstochen und war ein Bekannter einer Gruppe gehörloser Segler aus der Gegend. Holzer freundet sich mit Segellehrer Kühnert sowie dessen gehörlosen Frau Elena an, da sie dem Introvertierten mit ihrer stummen Kommunikation ein Gefühl der Geborgenheit geben. Dass Michael Kühnert einst als KSK-Soldat im Kosovo tätig war, macht Holzer stutzig – der Segellehrer betont zu sehr, das Opfer nicht zu kennen. Dieses auffällige Verleugnen stürzt Holzer in einen Gewissenskonflikt:

Es ist seine Aufgabe, zu ermitteln, doch sollte Kühnert der Mörder sein, so hat er einen Menschen umgebracht, der sich während seines Kriegsdiensts des Menschenhandels und der Vergewaltigung schuldig gemacht haben soll. Und als Ermittler mit einem eigenen, dunklen Geheimnis hätte Holzer durchaus Nachsicht für Selbstjustiz, so falsch sie auch sein mag. Zudem kommt ihn Kühnert zu nett für solch eine Tat vor … Holzers Zweifel an Kühnerts Vermögen, jemandem Schaden zuzufügen, könnten sich aber zerstreuen. Denn es kommt zu einem zweiten Mord – und Kühnert hat ein noch besseres Alibi als schon bei der ersten Tat …

Fromm führt diese Plotebenen und charakterlichen wie moralischen Dilemmata souverän zu einem konzentrierten Strang zusammen, während Kameramann Michael Wiesweg («Silvia S. − Blinde Wut») die Handlung in Bildern einfängt, bei denen er intensiv mit dem Fokus spielt: Der Hintergrund und auch der Vordergrund verschwimmen sehr häufig, so dass ausschließlich das Wesentliche klar zu erkennen ist – und dies verstärkt in dieser grau-grauen Gefühlswelt der handelnden Figuren die Melancholie des Films. Anderson dient als aufgeweckte Powerfrau da als willkommenes, behutsam eingesetztes Gegengewicht – so hat man die krimitypischen Gegensätze innerhalb von Ermittlerteams zu verwenden!

«Mörderische Stille» ist am 9. Januar 2017 ab 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.

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