Sonntagsfragen

Autor/Regisseur Friedemann Fromm: 'Mein Ziel ist es, die Leute zu fordern, ohne sie zu überfordern'

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Der Autor und Regisseur des sehenswerten ZDF-Films «Mörderische Stille» über die Schwierigkeiten, komplexe Themen an Sender heranzutragen, und darüber, was Newcomer tun sollten, wenn sie Idee bei den Rundfunkanstalten vorstellen.

Zur Person: Friedemann Fromm

  • 1963 in Stuttgart geboren
  • Studierte an der Hochschule für Fernsehen und Film München das Fach Dokumentarfilm
  • Machte zudem eine Schauspielausbildung im Actor’s Studio New York
  • Gewann 2003 einen Deutschen Fernsehpreis sowie einen Adolf-Grimme-Preis für Filme der «Unter Verdacht»-Reihe
  • Gewann 2009 einen International Emmy Award für «Die Wölfe», 2010 gewann der Dreiteiler zudem den Adolf-Grimme-Preis
  • Verantwortete den Sechsteiler «Die Stadt und die Macht» von 2016
Wie kam Idee zu «Mörderische Stille» zustande?
Durch eine zufällige Segelbekanntschaft, die zum Vorbild wurde für den KSK-Soldaten im Film: Ich lernte bei einem Törn jemanden kennen, der im Kosovo im Einsatz war und mir Geschichten über jene Zeit erzählt hat, die bei mir hängen geblieben sind. Wir sprachen auch viel über das Dilemma in seinem Job und darüber, weshalb er ausgestiegen ist. Da kam bei mir die Idee auf, mit dieser Figur eine Geschichte zu erzählen, nicht zuletzt, weil wir auch von seinen Erinnerungen an jene Zeit ausgehend auf eine allgemeine Diskussion über Schuldfragen gekommen sind. Fragen darüber, was wir in Krisengebieten eigentlich tun und wie es zu Kollateralschäden kommen kann, obwohl wir doch Gutes tun wollen.

Wie gestaltete sich die weitere Recherche zum Thema?
Ich wollte schon vor einigen Jahren, damals innerhalb der Reihe «Unter Verdacht», etwas zum Thema der sogenannten NATO-Huren machen. Ich bin damals nur über einen ganz kleinen Artikel auf das sonst verschwiegene Thema gestoßen, dass NATO- und UN-Soldaten während humanitärer Einsätze die Prostitution in den jeweiligen Einsatzgebieten massiv verschärfen. Die Geschichte war damals aus verschiedenen Gründen nicht umsetzbar. Nun, Jahre später, habe ich durch die Figur des ehemaligen Elitesoldaten eine Chance gesehen, mich dem Thema auf eine andere Art wieder zu nähern und es neu zu erzählen. Interessanterweise kamen in jüngerer Vergangenheit auch mit einem Mal zahlreiche Artikel zu der Problematik hoch, dass UN-Soldaten bei Einsätzen Frauen misshandelt und missbraucht haben – das hat mir die Recherche deutlich erleichtert, und ich finde es spannend, wie das Thema parallel zu meinen Ideen an die Oberfläche geraten ist.

Mit solch einem schweren, düsteren Thema wird man bei den Sendern nicht mit offenen Armen empfangen. In diesem spezifischen Fall hatte ich den großen Vorteil, dass ich im Vorfeld bereits Jan Josef Liefers ins Boot holen konnte, weil er die Rolle des Kommissars übernehmen wollte. Er sah darin eine große Chance, sich wieder von einer anderen Seite zu zeigen. Und solch einen Stoff im Paket mit einem beliebten sowie bekannten Schauspieler anzubieten, hilft ungemein
Friedemann Fromm
Wie haben sie das Thema an den Sender herangetragen?
Zunächst habe ich das Exposé der Produzentin Cornelia Wecker gezeigt, nach ihrer interessierten Reaktion dann Oliver Behrmann, der begeistert war und meinte, ich solle das Drehbuch schreiben, er werde es vorfinanzieren. Der nächste Schritt war, den Sender vom Stoff zu überzeugen – und mit solch einem schweren, düsteren Thema wird man bei den Sendern nicht mit offenen Armen empfangen. In diesem spezifischen Fall hatte ich den großen Vorteil, dass ich im Vorfeld bereits Jan Josef Liefers ins Boot holen konnte, weil er die Rolle des Kommissars übernehmen wollte. Er sah darin eine große Chance, sich wieder von einer anderen Seite zu zeigen. Und solch einen Stoff im Paket mit einem beliebten sowie bekannten Schauspieler anzubieten, hilft ungemein, wenn man Sender davon überzeugen will, dass ein Projekt beim Publikum ankommen wird. Dazu kam noch, dass ich in Pit Rampelt einen Redakteur hatte, der die Qualität der Geschichte sofort erkannte.

Es ist Ihnen in der Vergangenheit ja öfters gelungen, schwere Themen an Sender heranzutragen …
Ja, wobei ich auch oft genug gescheitert bin, so ist es nicht. (lacht) Ich hatte aber Glück, dass einige meiner Filme, die schwere Themen hatten, gute Quoten einfuhren. Das erleichtert es mir, wann immer ich für neue, komplexe Themen argumentieren muss, da man mir aufgrund dieser vergangenen Erfolge eher zutraut, mit solchen Stoffen die Zuschauer anlocken zu können. Die Quote ist nun einmal die Währung, mit der wir im Fernsehen handeln, deswegen muss ich mir auch dessen bewusst sein, dass ich nicht einfach daherkommen kann: „Oh, das Thema finde ich toll. Lasst uns das machen!“ Ich muss im Blick haben, wie wir es einem Publikum anbieten können und dass der Sender die Chance hat, mit meinen Filmen Reichweite zu generieren. Ich glaube, dass man mit einer starken Geschichte auch schwierige Themen erfolgreich erzählen kann. Mein Ziel ist es, die Leute zu fordern, ohne sie zu überfordern. Dabei hilft es oft, wenn man ein Thema innerhalb einer bereits etablierten Marke wie dem «Tatort» erzählen kann, was sich aber nicht immer anbietet – wenn es gelingt, fällt die Überzeugungsarbeit beim Sender jedoch leichter.

Die Quote ist nun einmal die Währung, mit der wir im Fernsehen handeln.
Friedemann Fromm
Und all diese Überzeugungsarbeit, es doch mit vermeintlich unattraktiven Themen zu versuchen, scheint manchmal unnötig – so oft, wie angeblich schwere Themen gut ankommen und vermeintlich attraktive Themen untergehen, sollte man denken, dass sich diese Kategorien auflösen …
Die Unberechenbarkeit ist das Tolle an dem Geschäft. Wäre es anders, wäre es ja langweilig. Dann gäbe es nur noch einen Schlag von Filmen. Es gibt natürlich schon Erfolgselemente, die zumindest die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass ein Film ankommt. Als Wolfgang Petersen für «Vier gegen die Bank» Schweiger, Herbig, Liefers und Schweighöfer besetzt hat, konnte man sich schon denken, dass da viele Kinogänger hellhörig werden. Und wenn man im deutschen Fernsehen ein komplexes, bedrückendes Thema in einer Kriminalhandlung erzählt, erleichtert dies erfahrungsgemäß die Zugänglichkeit.

Generell denke ich aber, dass das Publikum intelligenter und stärker gewillt ist, sich überraschen zu lassen, als es ihm viele Verantwortliche in den Sendern zutrauen. Zumal es im öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht so schlimm ist, wenn man mal ein Risiko eingeht und es sich in der Quote nicht bezahlt macht. Anders als im Privatfernsehen sind die Sender nicht so sehr von der Quote abhängig – auch wenn sie sich in der Tat sehr von ihr abhängig machen. Darum bin ich um jeden Redakteur froh, der es so sieht wie ich: Man soll und kann auch was wagen, denn diese Experimentiermöglichkeiten sind die Stärke hinter dem öffentlich-rechtlichen Konzept.

Aufgeschlossenheit ist altersunabhängig. Ich hatte schon mit vielen älteren Redakteuren zu tun, die ungeheuer mutig und experimentierfreudig sind, und dann gibt es Jüngere, an denen ich mir die Zähne ausgebissen habe.
Friedemann Fromm
Das Vorurteil sieht derweil so aus, dass die veralteten Strukturen und der hohe Altersdurchschnitt hinter den Kulissen eher verhindern, dass in den öffentlich-rechtlichen Sendern so viel experimentiert wird, wie es möglich wäre …
Wobei es ein Irrglaube ist, jüngere Redakteure wären mutiger. Die Aufgeschlossenheit ist altersunabhängig. Ich hatte schon mit vielen älteren Redakteuren zu tun, die ungeheuer mutig und experimentierfreudig sind, und dann gibt es Jüngere, an denen ich mir die Zähne ausgebissen habe.

Haben Sie Ratschläge für junge Autoren, die ebenfalls ein schweres Thema an Sender herantragen wollen, aber anders als Sie weder auf frühere Erfolge verweisen können, noch einen Star wie Jan Josef Liefers in der Hinterhand haben?
Es führt nichts an einer emotionalen, packenden Geschichte vorbei, ebenso ist ein gut geschriebenes, ein Gefühl für das vollständige Projekt vermittelndes Exposé unerlässlich. Und wer nicht Regie und Drehbuch zusammen übernimmt, hat direkt eine bessere Chance beim Sender, wenn er/sie zusammen mit einem Regisseur/Regisseurin, der/die den Stoff übernehmen will, auftritt. Generell ist es ein guter Ratschlag, im Team, etwa als Autor/Regisseur/in mit der Produktion, auf den Sender zuzugehen und sich als Paket zu verkaufen. Es erleichtert den Arbeitsprozess, so ist man schneller und effektiver, und es zeigt dem Sender von Beginn an, dass der Stoff mehre Leute zu überzeugen weiß. Und dann muss man die richtigen Leute für den richtigen Stoff finden, denn nicht jeder ist für jede Geschichte geeignet. Bei «Mörderische Stille» fand ich in Pit Rampelt genau den richtigen Redakteur für den Film, der ihn mit Herzblut beim Sender betreut hat.

Bringt es etwas, im Exposé die massentauglicheren Elemente der Geschichte stärker zu betonen als eigentlich geplant, um das Projekt so besser zu verkaufen?
Nein, das sollte man auf gar keinen Fall machen. So schnürt man nur ein Paket zusammen, das darauf wartet, in die Luft zu gehen.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

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