Deal or no Deal? Geschichte wiederholt sich
Hätte man es ahnen müssen? Bereits vor zwei Jahren klagten ARD und ZDF über die unbefriedigenden bis frustrierenden Verhandlungen mit BeIn Sports, Al-Jazeera-Tochter sowie damaliger und aktueller Rechteinhaber an der Handball-WM. Mit den Scheichs ließ es sich einfach nicht verhandeln, doch auch deren Position war zu verstehen: BeIn Sports, das die Handball-WM in Frankreich über eine eigene Pay-TV-Plattform zeigt, brachte viel Finanzkraft auf, um sich die Exklusiv-Rechte am Sportereignis zu sichern. Aus strategischer Sicht war der Deal hochattraktiv: Man sicherte sich nicht nur die Rechte an der WM im Heimatland Katar, mit Blick auf die in Frankreich stattfindende Handball-WM 2017 würde das Interesse an den Spielen im französischen Pay-TV explodieren. Ungelegen kämen BeIn Sports dabei Rundfunkveranstalter wie ARD und ZDF, die ihr Programm unverschlüsselt veranstalten und sogar frei in Teilen Frankreichs empfangen werden können. Schon 2015 gerieten die Übertragungen der Handball-WM zur Hängepartie – mit letztlichem Quasi-Happy End, als sich Sky kurz vor Jahresende und Beginn des Wettbewerbs mit BeIn Sports doch einigen konnte.
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So muss man sich die Frage stellen, ob bei aller Grundversorgung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks nicht doch die geringere wirtschaftliche Attraktivität der Handball-Weltmeisterschaft eine Rolle spielte. Nach wie vor ist der Handball noch lange nicht so kommerziell wie der Fußball, es lässt sich beim Hallensport auf Seiten der Sponsoren und Werbepartner einfach deutlich weniger Geld verdienen. Übertragungen der Handball-Bundesliga erreichten zuletzt meist nur Reichweiten unter 500.000 Zuschauern auf Sport1, ein Testspiel der Nationalmannschaft kam bei Sky Sport News HD am 4. Januar gerade mal auf 80.000 Zuschauer. Dem gegenüber stehen der Status der deutschen Handball-Bundesliga als stärkste Liga der Welt, 4.414 Vereine mit 767.326 Mitgliedern in Deutschland – und der Triumph der deutschen Handballer im Rahmen der Europameisterschaft im Vorjahr mit bis zu 8,5 Millionen Zuschauern. Welche Faktoren bestimmen also die Dringlichkeit, nach der sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk nach medialen Angeboten von breitem nationalen Interesse streckt? Richtet sich das (fehlende) Angebot etwa zu einem gewissen Teil doch nach der deutlich geringeren Nachfrage am Handball abseits der großen Turniere?
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Die Notlösung gerät zum zwischenzeitlichen Totalausfall
Zum deutschen Auftakt am Freitagvorabend bestätigte sich zunächst, was die DKB bereits vorher ankündigte: Auf eine Rahmenberichterstattung in Form einer Anmoderation oder gar Vorberichten wird ganz verzichtet – auch bei Spielen mit deutscher Beteiligung. 15 Minuten vor Spielbeginn begrüßte der DKB-Stream seine Zuschauer, sechs Minuten davon hatten Zuschauer die Möglichkeit auf ein Standbild der Halle zu blicken, Disco-Pop und dem Hallen-Moderator zu lauschen, ehe Schiedsrichter und Mannschaften einliefen. Knapp fünf Minuten vor Anpfiff begrüßte schließlich auch Kommentator Markus Götz die Zuschauer, der allerdings erst mitten im Satz zugeschaltet wurde.
Letztlich offenbarte sich den Zuschauern zum Start der Partie ein über YouTube vergleichsweise leicht empfangbarer Stream in ordentlicher Bildqualität mit einem soliden Kommentator – nicht mehr nicht weniger. 300.000 Zuschauer zählte der Stream zum Anpfiff, schnell stieg die Zahl nach fünf Minuten Spielzeit auf 350.000 Interessenten, dann 370.000, dann…nichts. „Dieses Video ist nicht verfügbar“ flimmerte es den Handball-Fans in Deutschland um etwa 17.52 Uhr entgegen. Hatten sich einige zu diesem Zeitpunkt schon mit der rudimentären Live-Berichterstattung abgefunden und ihr in den sozialen Medien teilweise sogar einen „erfrischenden“ Charakter bescheinigt, kehrte nun der Ernstfall ein, den Handball-Deutschland noch bis vor einer Woche befürchtete: Deutschland schaute in die Röhre. Dabei hatte man es nicht nur mit kurzfristigen Problemen zu tun – knapp 20 Minuten entgingen den Zuschauern. Als Grund nannte die DKB die hohe Anfrage seitens der Internetnutzer. Eine Herausforderung, die man dem Internetriesen Google mit seinem Videoportal YouTube eigentlich zugetraut hätte.
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Ein Bärendienst für den Handball
Neben BeIn Sports, dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk und letztlich dem Angebot der DKB ließ jedoch auch die Internationale Handballföderation deutsche Handball-Fans hängen. Zwar genießt der Weltverband noch nicht den zweifelhaften Ruf seines Fußball-Pendants, auch bei der Rechtevergabe der je zwei Weltmeisterschaften der Männer und Frauen nach Doha roch die IHF jedoch das große Geld und blendete dabei mögliche Folgen aus. Mittlerweile 80 Millionen Euro reicher zog die IHF den kurzfristigen Geldsegen vor und gefährdete damit eine nachhaltige Entwicklung des Sports, zu der sicherlich auch nicht eine Weltmeisterschaft in Katar mit umstrittenen Leistungen des Gastgeberlandes beiträgt. Dem Image des Handballs in aller Welt erwies die IHF damit einen Bärendienst.
Schon seit Jahren versucht der Deutsche Handballbund den Popularitätsschub des Handballs, etwa durch die Weltmeisterschaft 2007 in Deutschland oder eben durch die Europameisterschaft 2016 zu nutzen, um ihr mediales Standing und das Bild des Sports langfristig zu verbessern. Trotz des Erfolgs der deutschen Handballer im vergangenen Jahr und der hohen Präsenz durch die Olympia-Teilnahme im Sommer, warfen ausgerechnet die Weltmeisterschaften die Bestrebungen des DHB wieder deutlich zurück. Wohl bei keinem Sport in Deutschland besteht eine derart große Kluft zwischen privat gelebter Leidenschaft und televisionärer Entsprechung. Auch 2017 wird der Handball es verpassen, medial aufzuschließen.
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