Die Handlung
«The Revenant - Der Rückkehrer»
- Regie: Alejandro G. Iñárritu
- Produktion: Alejandro G. Iñárritu, Steve Golin, Arnon Milchan, Mary Parent, Keith Redmon, James W. Skotchdopole
- Drehbuch: Mark L. Smith, Alejandro G. Iñárritu
- Musik: Carsten Nicolai, Ryuichi Sakamoto
- Kamera: Emmanuel Lubezki
- Schnitt: Stephen Mirrione
- Erscheinungsjahr: 2015
- Laufzeit: 156 Minuten
- FSK: ab 16 Jahren
Winter-Wunderland oder frostige Höllenlandschaft?
«The Revenant - Der Rückkehrer» spielt in der frostigen Einöde der kanadischen Wildnis und wurde vom Regisseur Alejandro González Iñárritu auch an den entsprechenden Originalschauplätzen gedreht. Doch wo andere in den Wintermonaten die Schönheit der unberührten Natur genießen können, wird Hauptdarsteller Leonardo DiCaprio respektive sein Charakter Hugh Glass mit den Naturgewalten konfrontiert, die so ein Wintereinbruch in Kanada mit sich bringen kann. Dazu, das um ihn herum so einladende Winter-Wunderland zu genießen, kommt der Abenteuer nicht.
Je länger sich Hugh Glass durch die verschneite Ödnis kämpft, desto unwirtlicher erscheinen diese Lebensbedingungen. Die Wildnis wendet sich gegen die Jäger, die Kälte nagt an Leib und Seele und aus dem verschneiten Kanada wird so etwas wie der Vorort zu einer eisigen Hölle. Diesem Naturspektakel sind allenfalls noch die einheimischen Tiere gewappnet.
Die glorreichen 6 Aspekte von «The Revenant»
Oscar-Preisträger Alejandro González Iñárritu ist als einer der wenigen Regisseure stets darum bemüht, sich und sein Schaffen von Werk zu Werk neu zu erfinden. Nach der verspielten Hollywoodsatire «Birdman oder (die unverhoffte Macht der Ahnungslosigkeit)», mit welcher der Filmemacher zum Rundumschlag gegen Kritiker, Insider und die Branche selbst ausholte, besinnt sich der 52-jährige Regievirtuose in «The Revenant – Der Rückkehrer» auf eine Art filmische Ursuppe. Dies bezieht sich bei Weitem nicht bloß auf die Tatsache, dass sein 156-minütiges Survival-Epos vollständig ohne künstliches Licht auskommt und damit einzig und allein von dem zehrt, was die Natur für das eigenen Angaben zufolge wochenlang geschundene Filmteam bereithält. Auch die Geschichte selbst ist so alt wie die Kunst an sich; gleichwohl wäre es ein vollkommen falscher Ansatz, aus dieser vermeintlichen Beliebigkeit zu schließen, «The Revenant» sei inhaltlich wenig substanziell und würde sich ausschließlich auf seine Schauwerte verlassen – im Gegenteil. Alejandro González Iñárritu kennt die Wechselwirkung von Technik und Storytelling ganz genau und sorgt dafür, dass sich diese beiden entscheidenden Elemente herausragend ergänzen. So wird sein von Westernfilmeinflüssen geprägter Überlebenstrip eines – im wahrsten Sinne des Wortes – um sein Leben spielenden Leonardo DiCaprio («The Wolf of Wallstreet») zu einer rauen Ode an die Schönheit, die in allem steckt. Und damit meinen wir wirklich: in allem!
Die Besinnung auf diesen Grundgedanken ist sogleich die treibende Kraft von «The Revenant», einem Film, der im Kern von drei Säulen getragen wird. Da wäre zum Einen die atemberaubende (!) Leistung von Leonardo DiCaprio – er gewann dafür endlich auch seinen ersten Oscar! Zum Zweiten erweist sich Kameramann Emmanuel Lubezki als fast noch maßgeblicher am famosen Gesamteindruck des Films beteiligter Faktor, denn jene Bildgewalten, die der «Gravity»-Filmer hier einfängt, sind von pulsierender Kraft. Bereits innerhalb der ersten zwanzig Minuten wird der Betrachter Zeuge eines brutalen Kampfes, inszeniert als wuchtige Plansequenz («Birdman» lässt grüßen), in der Morbidität und Ästhetik zu einer Einheit von purer Schönheit verschmelzen, die einen die bisweilen schwer erträglichen Bilder auf groteske Weise genießen lassen. Als dritte Säule funktioniert die Szenerie selbst. Gedreht an Originalschauplätzen ist die spröde Einöde der kanadischen Wildnis goldwert für die durch und durch beklemmende Atmosphäre dieses existenziellen Überlebenskampfs eines Mannes, der trotz der ausladenden Lauflänge von 156 Minuten keine Sekunde zu lang geraten ist.
Was DiCaprios Hugh Glass in seiner auch für den Zuschauer schmerzhaften Odyssee durch diese klirrend-kalten Winterlandschaften für schier unmenschliche Taten begehen und Momente überstehen muss, lässt beim Zuschauer bisweilen durchaus die Frage aufkommen, wie genau es der Regisseur wohl damit genommen hat, die dieser Geschehnisse zugrunde liegende Geschichte 1:1 auf die Leinwand zu übertragen. Hinzu kommen an die philosophischen Träumereien von Terrence Malick («Knight of Cups») erinnernde Rückblenden, die in ihrer überhöhten Stilistik als direkter Kontrast zur unverfälschten Thriller-Atmosphäre funktionieren. Doch auf die Frage „Braucht man das?“ kommt man schon sehr bald zu der Erkenntnis, dass «The Revenant» ohne derartiges Beiwerk weitaus weniger eindringlich geraten wäre. Der Film nimmt mit Hugh Glass als mitunter einzigem zur Identifikation einladenden Charakter die Sichtweise eines dem Tode geweihten Siedlers an, der an der Schwelle zwischen Dies- und Jenseits Opfer ebenjener Sinneseindrücke wird, wie sie seit Generationen übermittelt und mittlerweile in der Gesellschaftsfähigkeit angelangt sind. Menschen, die dem Tod knapp von der Schippe gesprungen sind, berichten zuhauf von Visionen des eigenen, an einem in diesem Moment vorbeirauschenden Lebens; dass auch Hugh Glass Derartiges zu berichten weiß, erweist sich darüber hinaus als für die Charakterisierung wichtiger Bestandteil. Die als simple Rückblendungen getarnten Visionen schließen grobe Wissenslücken über seine Herkunft und bilden mit der Zeit das Profil eines Mannes, der nicht mehr bloß Opfer ist, sondern auch Täter.
«The Revenant – Der Rückkehrer» bleibt sämtlicher ruhigen Töne zum Trotz immer ein Film, dem man eine Oberflächenspannung anmerkt, die zu jeder Zeit reißen könnte. Alejandro González Iñárritu provoziert zu jeder Sekunde. Doch ein derartiges Kitzeln an den Sehgewohnheiten des Zuschauers hat anders als bei Filmen wie etwa Gaspar Noés «Love», bei dem Provokation zum Selbstzweck wird, nichts mit gewollter Auseinandersetzung mit dem Zuschauer zu tun. Stattdessen geht Iñárritu ganz einfach über all die Grenzen hinweg, die sich viele Filmemacher setzen, um möglichst wenig anzuecken und ein breites Publikum zufriedenzustellen. Der «Birdman»-Macher sagt sich von all dem los und geht – so sehr es auch nach einer Floskel klingen mag – dahin, wo es weh tut und noch weit darüber hinaus. Seinen faszinierend-brutalen Bildern, die den Zuschauer mehr als einmal zu erschlagen drohen, fügt Iñárritu zwischen den Zeilen immer wieder Elemente hinzu, die sich auf den ersten Blick mit dem Tonfall des Filmes beißen. «The Revenant» spielt sich Hart an der Grenze des Erträglichen ab und setzt in entscheidenden Momenten trotzdem auf eine Prise von groteskem Humor, der eine Emotionalität forciert, die noch mehr am Zuschauer nagt. Nein, «The Revenant» ist keine Spazierfahrt. Der Film konfrontiert den Zuschauer mit unmenschlichen Ereignissen und der Frage: „Was würdest Du tun?“ Und sich allein dieser Frage zu stellen, erfordert vom Zuschauer mehr Mut, als das Ansehen der schon jetzt berüchtigten Bären-Szene, die in ihrer Authentizität die Perfektion unterstreicht, mit welcher Alejandro González Iñárritu seinen Film inszeniert hat.
«The Revenant - Der Rückkehr» ist als DVD und Blu-ray erhältlich sowie via iTunes, Sky Ticket, Sky Go, maxdome, Watchever, Wuaki, JUKE, Sony, CHILI, Google Play und Videoload als Stream abrufbar.
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel