Wenn selbst «Grey's Anatomy» zum Serienpatienten wird
Noch bis Sommer 2014 fand sich in der Mittwochs-Primetime bei ProSieben unter anderem die Heimat des Sitcom-Hits «How I Met Your Mother», das langfristig Zuschauer band, zum Ende hin aber bereits mit deutlichen Quotenverlusten zu kämpfen hatte und ohnehin nie wirklich ein Quoten-Niveau erreichte, das seinem popkulturellen Status entsprach. Eine feste Stellung am Mittwochabend hat außerdem seit 2007 «Grey’s Anatomy» inne, so etwas wie der Fels in der Brandung auf diesem Programmplatz. Während etliche Formate am Mittwochabend kommen und gingen, überlebten die jungen Ärzte alle Experimente, die ProSieben am Mittwoch unternahm, gaben ihnen zeitweise Starthilfe oder kompensierten zumindest deren Verfehlungen. Die US-Serie stellte über Jahre hinweg die einzige Konstante am ProSieben-Mittwoch dar, die auf ihre Stammzuschauerschaft vertrauen konnte. Dass selbst die in Deutschland so beliebte und langlebige Arztserie 2016 erstmals auf besorgniserregende Marktanteile fiel, ist das Symptom einer größeren Krankheit, die sich ab Sommer 2016 bei ProSieben verschärfte.
Keine Frage: der ProSieben-Mittwoch brachte auch nach «How I Met Your Mother», das den Programmplatz am Mittwochabend immerhin knapp dreieinhalb Jahre für sich einnahm, ehe die Serie im August 2014 endete, vereinzelt Erfolge hervor. Der gesuchte langfristige Erfolg blieb jedoch abgesehen von «Grey’s Anatomy» am ProSieben-Mittwoch aus. Mit «Under the Dome» feierte ProSieben ab Juni 2013 einen Überraschungserfolg, der bis in die dritte Staffel der CBS-Serie hinein, sehenswerte Zahlen einfuhr. Auch hier kam das Serienende ProSieben im Sommer 2015 ungelegen, hatte man doch endlich ein Format gefunden, das längerfristig ansehnliche Werte zustande brachte. Dass ein generelles Interesse an neuer Serienware vorhanden war, zeigte sich häufig an starken Zahlen zum Start der Formate, die jedoch schnell abgaben. So geschehen bei «Zoo» Anfang 2016 oder im Rahmen von «The 100», das ab Sommer 2015 in Staffel eins einen kleinen Lichtblick darstellte.
Eine Reihe von Fehlgriffen
Mit dem Genremix aus Drama- und Thriller-Serie um eine Gruppe FBI-Rekruten, setzte ProSieben auf ein Format, das im Herbst 2015 in den USA auf Anhieb sowohl Zuschauer als auch Kritiker überzeugte. Die Quoten in Deutschland zeichneten ein anderes Bild: Erneut unter den Augen einer interessierten Zuschauerschaft mit Quoten zwischen 11,2 und 12,0 Prozent im Rahmen der ersten drei Folgen gestartet, fiel Quantico schon in Woche drei auf lediglich 8,9 und 8,7 Prozent, nachdem ProSieben schon ab dem 10. August auf Doppelfolgen setzte. «The 100», das bereits im Rahmen von Staffel zwei im Herbst 2015 enorm viele Zuschauer verloren hatte, enttäuschte unterdessen sogar direkt von Beginn der dritten Staffel an. Beide Serien waren im September 2016 bei katastrophalen Zielgruppenmarktanteilen um die fünf Prozent angelangt.
«Grey’s Anatomy» fand den ProSieben-Mittwoch im Herbst 2016 jedoch in gänzlich anderer Verfassung vor, als das Format ihn im Mai verließ. Am 5. Oktober mit noch ordentlichen 10,0 Prozent gestartet, rutschte «Containment» selbst nach «Grey’s Anatomy» in Episode zwei gleich auf insdiskutable 6,1 Prozent. Die zwölf verbleibenden «Grey’s Anatomy»-Folgen aus Staffel zwölf hielten sich in der Folge zwar auf einem deutlich besseren Niveau als ihre Vorgänger im Sommer, mit durchschnittlich nur noch 9,8 Prozent musste die Shonda-Rhimes-Serie jedoch einen schweren Schlag einstecken, nachdem im Frühjahr im Mittel noch 12,6 Prozent möglich waren. Im Anschluss verzeichnete «Containment» jeweils magere 6,9 Prozent.
Tiefrote Zahlen also für ProSieben am Mittwochabend. Reichlich ungelegen kam dem Privatsender da ab dem 16. November die sechste und letzte Staffel «Mike & Molly», die ProSieben nach bereits ausbaufähigen Zahlen in den Staffeln davor zu Ende brachte. Aufgrund der ohnehin prekären Lage am Mittwoch, setzte ProSieben sogleich Mehrfachprogrammierungen der Sitcom an, die jedoch dennoch krachend scheiterte, in Woche zwei bereits Werte um die sechs Prozent einfuhr und am 7. Dezember schließlich nur noch etwa fünf Prozent. Schon angesichts des schwächelnden «Containments» entschied sich ProSieben ab dem 9. November dazu, Reruns von «Two and a Half Men» ins Programm zurückzuholen. Misserfolge der Sitcom um Jon Cryer würden immerhin aufgrund von Wiederholungen nicht ganz so schwer wiegen. Trotz wenig ansprechender Leistungen der «Two and a Half Men», erhielt die Comedy-Serie auch aufgrund des deutlich schwächeren «Mike & Molly» plötzlich immer mehr Programmplätze am Mittwoch, ehe das Jahr 2016 endete.
Gute Vorsätze für 2017?
Neues Jahr, neues Ich, dachte sich ProSieben und gab mit «Limitless» ab dem 4. Januar einem neuen Format eine Chance. Auch im Zuge der CBS-Serie zeigte sich erneut, dass ein grundsätzliches Interesse an neuen Produktionen beim Fernsehpublikum bestehen zu scheint. 11,2 Prozent zum Start lasen sich im Vergleich zu den teilweise katastrophalen Zahlen an den Mittwochabenden der zweiten Jahreshälfte mehr als ordentlich. Nachdem ProSieben «Limitless» ab Woche zwei Doppelfolgen zugestand, nahm jedoch auch hier der Quotenverfall wieder seinen Lauf, sodass die Serien-Adaption des gleichnamigen Bradley-Cooper-Films am 18. Januar bereits auf 9,7 und 8,5 Prozent der jungen Zuschauer kamen. Angesichts der jüngeren Vergangenheit des ProSieben-Mittwochs sind weitere Quotenverluste nicht unwahrscheinlich.
Das vergangene halbe Jahr war für ProSieben am Mittwochabend also zum Vergessen. Auch abseits der roten Sieben setzte sich der bedauernswerte Trend im deutschen Fernsehen fort, dass Serien immer mehr leisten müssen, um ein großes deutsches Publikum anzusprechen. Zwar ist ProSieben aufgrund der bestehenden Rechteverträge auch eingeschränkt, was neue Formate angeht und kann nur aus einem begrenzten Pool auswählen, mehrfach wirkten die neuen Programme am Mittwochabend jedoch ungünstig gewählt, wobei ein grundsätzliches Sehinteresse aufgrund ordentlicher Zahlen zum Start erkennbar war.
Mit «The 100» ließ man ein Format zurückkehren, dass schon in Staffel zwei nicht mehr überzeugte, auch «Mike & Molly» musste ProSieben eher hinter sich bringen, als dass der Privatsender sich ernsthafte Chancen auf einen Quotenerfolg ausrechnete. «Containment» verzeichnete neben schlechten Kritiken auch schon in den USA niedrige Marktanteile und auch «Limitless» ereilte bereits nach einer Staffel in den USA die Absetzung. Im Umfeld der Rohrkrepierer läuft ProSieben derzeit sogar Gefahr, sein jahrelanges Aushängeschild «Grey’s Anatomy» in ernsthafte Quotenprobleme zu stürzen. ProSieben muss sich in naher Zukunft am Mittwochabend also unbedingt neu ausrichten. Nie wurde dringender ein Serienhit gesucht.
Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
19.01.2017 13:44 Uhr 1
19.01.2017 14:20 Uhr 2
19.01.2017 18:52 Uhr 3
Außer die PayTV Sender von Pro7Sat1 die sind größtenteils auch zu vergessen