First Look

«Riverdale»: Das Best-Of der Teen-Dramaserien

von

Ein mysteriöser Mord, ein nebelverhangenes Dorf, Intrigen, jugendliche Liebe: Die neue Serie «Riverdale» vereint das Beste aus vielen Teen-Serien. Bleibt die Frage, ob die Zielgruppe nicht zu jung ist für so klassisches Fernsehen?

Cast & Crew

  • basiert auf den Charakteren der Archie-Comics
  • Idee: Roberto Aguirre-Sacasa
  • Darsteller: K. J. Apa, Lili Reinhart, Camila Mendes, Cole Sprouse u.a.
  • Regie (Pilot): Lee Toland Krieger
  • Ausf. Produzenten: Greg Berlanti u.a.
  • Produktion: Berlanti Prods., Archie Comics, CBS TV, Warner Bros. TV
  • Folgen: 13 in Staffel 1
Dorf, Wasser Mord: Bei diesen Stichworten denken Kenner zuerst an «Twin Peaks», die Serie, die Anfang der 90er Jahre eine narrative Revolution im Seriengeschäft begründete. Doch die drei Attribute gelten auch für «Riverdale», ein neues Teen-Drama des amerikanischen Senders The CW. Des Senders also, der im digitalen Streaming-Zeitalter weiter auf die klassische TV-Serie setzt und mit jungen Schauspielern und Superhelden («Arrow», «The Flash») zu punkten versucht.

«Riverdale» also ist auch Dorf, Wasser, Mord, ist auch «Twin Peaks». Wohl nicht rein zufällig spielt Mädchen Amick eine Hauptfigur in der Serie, als strenge Mutter. Sie tauscht damit die Rollen, damals bei «Twin Peaks» war sie das naive Teenager-Mädchen – diesen Part wiederum übernehmen Andere im Jahr 2017. Zum Beispiel Betty Cooper, die hoffnungslos in ihren besten Freund Archie verliebt ist und sich nur langsam traut, ihm ihre Gefühle zu gestehen. Archie wiederum hat eine heimliche Affäre mit seiner Musiklehrerin. Äffäre, Lehrer: Diese Konstellation finden wir fast passgenau wieder in der erfolgreichsten Teen-Serie der letzten Jahre, «Pretty Little Liars». Nächste Station sind «Gossip Girl» und «O.C., California»: Wie bei diesen Teen-Dramen gehört auch zu «Riverdale» die Ankunft einer neuen Person, die die bislang geschlossene Schulgemeinschaft aufmischt. Bei «Gossip Girl» war es das It-Girl Serena van der Woodsen, bei «O.C., California» war es der Abkömmling Ryan Atwood. In «Riverdale» kommt die selbstbewusste Veronica Lodge aus New York in die dörfliche Einöde und bringt viel Gesprächsstoff mit: Ihre reichen Eltern sind in einen Finanzskandal verwickelt.

«Riverdale» = «Twin Peaks» + «Pretty Little Liars» + «Gossip Girl». Ist dies also die Gleichung, die aufgestellt wird?Böse Kritiker könnten es genauso behaupten, dem faszinierenden Stoff wird diese Gleichung allerdings nicht gerecht. Die Serie ist mehr als die Summe bekannter Teile. Sie ist sozusagen Best-Of vieler Teen-Dramen der letzten Jahre und Jahrzehnte, aber gerade die intelligente Kombination macht «Riverdale» so reizvoll. Wie bei einem Rezept ergibt die richtige Mischung der Zutaten ein wohlschmeckendes neues Endergebnis, keine Zutat ist über- oder unterdosiert.

Dies beginnt dabei, dass mehrere Storyfäden in der ersten Folge ausgelegt werden, die sich gleichmäßig interessant entwickeln: Zuallererst ist da der mysteriöse Tod von Jason Blossom, der das Dorf in Atem hält. Mit seiner Schwester Cheryl macht er am 4. Juli – dem Unabhängigkeitstag der USA – einen Bootsausflog auf dem nahegelegenen Fluss. Zurück kehrt jedoch nur Cheryl, durchnässt und mit einem Nervenzusammenbruch. Bei einem Unfall soll Jason gestorben sein, seine Leiche wird jedoch nicht gefunden. Das Ereignis verändert Riverdale und seine Einwohner. Man fühlt sich plötzlich verwundbar, es scheint ein Ruck durch das Dorf zu gehen: Alle haben die Endlichkeit des Lebens vor Augen geführt bekommen, es ist also an der Zeit, die Dinge anzugehen. Oder Träume zu verwirklichen.

"Wer Teenager-Serien mag, wird «Riverdale» ins Herz schließen"


Archies Sinnfragen führen ihn zur Musik, seiner Passion. Der Schüler will seine Football-Karriere aufgeben und sich aufs Singen konzentrieren. Seine beste Freundin Betty wiederum hofft auf seine Liebe und lädt ihn zum Date auf dem nächsten Schulfest ein. Mit Veronica – der Neuen aus New York – will sie außerdem endlich in die Cheerleader-Mannschaft aufgenommen werden. Problem: Deren Anführerin ist Cheryl Blossom, die nicht nur kürzlich ihren Bruder bei dem Bootsausflug verloren hat. Cheryl ist außerdem selbstgefällig, manipulativ, reich, bösartig – von diesen Charaktereigenschaften hat sie auch nach dem vermeintlichen Tod des Bruders nichts eingebüßt.

Neben den Teenager-Geschichten drehen sich auch einige Handlungsfäden um die Erwachsenen in Riverdale. Vermutlich wird der Finanzskandal von Veronicas‘ Eltern eine wichtige Rolle in der Serie spielen, wie der Pilotfilm andeutet. Grundsätzlich schafft es das Format, den zahlreichen Hauptcharakteren genügend Entwicklungszeit zu geben, um dem Zuschauer vertraut zu werden. Nichts fühlt sich gehetzt oder unausgewogen an – im Gegenteil lässt sich «Riverdale» sogar Zeit für ruhige, intime, traurig-melancholische Momente. Gleichzeitig tritt das Format sehr selbstbewusst auf; es hat Dialoge mit Zeitgeist-Charakter und streut des Öfteren eine gute Portion Ironie in das sonst so selbstherrlich-ernste Genre der Teenie-Dramen. Wer diese sonst auch mag, wird «Riverdale» schnell ins Herz schließen. Schauspielerisch geben die vielen jungen, unbekannten Darsteller eine beeindruckend gute Figur ab; Bilder und Kameraführung imponieren besonders bei den (leider spärlich gesäten) Außenaufnahmen, zum Beispiel im nebelverhangenen Wald: Die Atmosphäre stimmt.

Bleibt also die Frage, wen man mit «Riverdale» ansprechen will? Teen-Dramen funktionieren schon immer hauptsächlich für die Zielgruppe unter 25 Jahren – doch im Zeitalter von YouTube, Snapchat und Netflix gibt es von ihnen immer weniger, die klassisches Fernsehen konsumieren. «Riverdale» wird dagegen traditionell als TV-Serie vermarktet und produziert – mit üblichen Cliffhangern, der normalisierten Serienlänge von 45 Minuten, der wöchentlichen Ausstrahlung. Da nützt es auch wenig, dass das Format außerhalb der USA von Netflix eingekauft wurde (hier aber ebenfalls nur mit einer wöchentlich neuen Folge online geht). Die Kritiken für «Riverdale» sind gut, die Quoten schlecht – zumindest bei Folge eins. Das Format könnte daher der Beweis dafür sein, dass eine bestimmte Art von Fernsehen, ein bestimmtes Genre, nicht mehr als klassische TV-Ware funktioniert – auch wenn es inhaltlich gut gemacht ist. Man könnte die Frage stellen: Was wäre gewesen, hätte man «Riverdale» als unkonventionelle Webserie geplant, produziert und vermarktet?

Eine neue Folge von «Riverdale» erscheint in Deutschland wöchentlich bei Netflix, parallel zur US-Ausstrahlung.

Kurz-URL: qmde.de/90885
Finde ich...
super
schade
96 %
4 %
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelFilmcheck: «Drag Me to Hell»nächster ArtikelEurosport bleibt dem Radsport treu
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel
Weitere Neuigkeiten

Optionen

Drucken Merken Leserbrief




E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung