Filmfacts «Die irre Heldentour des Billy Lynn»
- Regie: Ang Lee
- Produktion: Simon Cornwell, Stephen Cornwell, Marc Platt, Tom Rothman, Rhodri Thomas, Ang Lee
- Drehbuch: Jean-Christophe Castelli basierend auf dem Roman von Ben Fountain
- Darsteller: Joe Alwyn, Kristen Stewart, Chris Tucker, Garrett Hedlund, Vin Diesel, Steve Martin, Makenzie Leigh
- Musik: Jeff Danna, Mychael Danna
- Kamera: John Toll
- Schnitt: Tim Squyres
- Laufzeit: 112 Minuten
- FSK: ab 12 Jahren
Es ist irgendwo zwischen Poesie und bitterer Ironie zu verordnen, wie sehr sich diese Aussage am Exempel von «Die irre Heldentour des Billy Lynn» bewahrheitet. Denn stückweise ist die Adaption eines Ben-Fountain-Romans durchaus bemerkenswert. So ist die Struktur des Films einprägsam: «Life of Pi»-Regisseur Ang Lee und Kameramann John Toll verfolgen in semidokumentarischen, gestochen scharfen Bildern den Titelhelden Billy Lynn auf Schritt und Tritt.
Es ist fast so, als sei man Lynns stummer Kompaniekamerad, der sich ihm unbemerkt an die Fersen heftet, um mitzuerleben, wie Lynn bei seiner Heimkehr von seiner Familie begrüßt wird und wie er gemeinsam mit dem Rest seiner Truppe ohne größere Vorwarnungen in die Halbzeitshow einer wichtigen Footballpartie eingebunden wird. Die nüchternen Beobachtungen, wie Passanten anno 2004 in den Vereinigten Staaten auf ihre Soldaten reagieren und wie sich die auf kurzem Heimurlaub befindlichen Jungs geben, werden durch Rückblenden auf Billy Lynns Zeit im Irak aufgebrochen

Eine grau-graue Weltsicht mit wenigen tiefschwarzen, schwer zu verurteilenden Randerscheinungen und ebenso wenigen, hell scheinenden Beispielen des tragischen, aber strahlenden Heroismus: «Billy Lynns irre Heldentour» eröffnet zwar keine neuen Erkenntnisse, macht sie aber dank der originellen Präsentation auf ungewöhnliche Form spürbar. Dabei hilft auch der lakonische Humor – etwa, wenn Lee süffisant die Doppelzüngigkeit vorzeigt, mit der die USA ihren Kriegshelden begegnet oder wenn der Regisseur mit jeder Menge Spektakel vorführt, wie absurd feierliche Events zu Ehren von Militärhelden sind. Obendrein bekommt «Tron: Legacy»-Hauptdarsteller Garrett Hedlund mehrere Schmunzler zugeschustert: Als Sgt. Dime übernimmt er auf augenzwinkernd-übertriebene Weise den Part des taffen, keinerlei Sentimentalität duldenden Vorgesetzten, der eine eher machohafte Sicht der Dinge hat – wenn er nicht gerade spitzbübisch Zivilisten verschaukelt. Gelegentlich lässt er auch seine einsichtsreiche und nachdenkliche Seite aufblitzen, womit er die rundeste Figur dieses Films ist.
- © 2016 Sony Pictures Releasing GmbH
Überwältigt: Soldat Billy Lynn (Joe Alwyn)
Stattdessen experimentiert Lee halbseiden mit der Vermittlung seiner Filmbilder: Gelegentlich driftet Lee aus der semidokumentarischen Ästhetik ab, hin zum Erzählen aus direkter Egoperspektive. Wenn die Kamera das Kinopublikum jedoch wortwörtlich in Billy Lynns Position versetzt, bricht die Illusion zusammen: Sein Gegenüber ist stets zu nah, zu akkurat drapiert und mit zu hoher Zielstrebigkeit auf ihn fokussiert, als dass es sich nicht echt anfühlt. Es gleicht eher einer Egoshooter-Zwischensequenz – also dem Gegenteil dessen, was dem Tonfall dieser geknickten Heldentour zugutekäme. Obwohl Lee nur eine Handvoll solcher Einstellungen verwendet, zieht ihre Wirkung große Kreise: Diese so glaubhafte, bodenständige, unspektakuläre Erzählung mit ihren plausiblen Kommentaren zum Irakkrieg (und Militärhandlungen sowie -feiern generell) kommt letztlich falsch und gekünstelt daher, so dass sie eher fluffig, denn dramatisch wirkt.
Fazit: Gute Einzelaspekte machen nicht immer einen guten Film: Ang Lees Drama über den Umgang mit und die Gedankenwelt von Kriegsveteranen hat reizvolle Ansätze, verpufft aber ohne denkwürdigen roten Faden. Für Lee-Komplettisten und alle, die das Thema fasziniert, dennoch ein solider Film.
«Die irre Heldentour des Billy Lynn» ist ab dem 2. Februar 2017 in ausgewählten Kinos zu sehen – in 2D und 3D.
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