Cast und Crew
- Showrunner: Noah Hawley
- Basierend auf: «Legion» von Chris Claremont, Bill Sienkiewicz
- Darsteller: Dan Stevens, Rachel Keller, Jean Smart, Aubrey Plaza, Jeremie Harris, Amber Midthunder, Katie Aselton, Bill Irwin
- Musik: Jeff Russo
- Produktion: Noah Hawley, Lauren Shuler Donner, Bryan Singer, Simon Kinberg, Jeph Loeb, Jim Chory, John Cameron, Brian Leslie Parker
Nach Jahrzehnten der aufwändigen Superheldenfilme und Jahren der ambitionierteren Superhelden-Realserien erfindet sich das Genre allerdings häufiger auch im Rampenlicht neu – ähnlich, wie es in den Comics schon längst immer wieder mutierte. Allein innerhalb der stetig wachsenden Riege an Fernsehserien, die auf Marvel-Comicschöpfungen basieren, wächst die gebotene Bandbreite neuerdings enorm an: War «Daredevil» noch eine typische Superheldengeschichte, nur langsamer und grimmiger als im Normalfall, präsentierte sich «Jessica Jones» als smarte Film-noir-Abwandlung, die sich elegant dem Thema des sexuellen Missbrauchs annahm.
Die neue FX-Serie «Legion» wiederum ist zwar von einer der Hunderten an X-Men-Figuren aus dem Marvel-Comic-Archiv inspiriert, hat tonal sowie inhaltlich jedoch nahezu gar nichts mit den bekannten Kinofilmen zu tun. Ebenso wenig bewahrheiten sich (wenigstens in den der Presse bislang vorliegenden Episoden) die Gerüchte, dass die in Zusammenarbeit zwischen Fox und Marvel Television entstandene Serie ins 'Marvel Cinematic Universe' gehört, der Film- und Kinoheimat der von Robert Downey Junior, Chris Evans und Co. gespielten «Avengers»-Versionen.
Noah Hawley, der Kopf hinter der gefeierten Anthologieserie «Fargo» und der Showrunner dieser Comicadaption, widmet der Mutantenfigur David Haller stattdessen eine (zumindest derzeit) völlig für sich stehende Serie, deren Genre irgendwo zwischen beklemmenden Thriller, desorientierender Stilübung und psychologischen Drama angesiedelt ist. Der von Dan Stevens («Downton Abbey», demnächst im Disney-Realfilm «Die Schöne und das Biest» zu sehen) gespielte Protagonist wurde in jungen Jahren als schwer schizophren diagnostiziert und daher von einer Psychiatrie zur nächsten weitergereicht. Nun in seinen frühen 30ern angelangt, ist er verschlossen, scheint mit seinem Schicksal abgeschlossen zu haben und lässt sich von der Routine in seiner Klinik zermürben.
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Die Serie eröffnet mit einer optisch brillanten, unter die Haut gehenden Montage, die in wenigen, eindrucksvollen Bildern zeigt, wie David aufwächst, anfängt, mit seinem Verstand zu kämpfen und letztlich den Lebensmut verliert. Diesen Mix aus beeindruckend und bedrückend behält Hawley, der in der mehr als einstündigen Auftaktfolge Regie führt, für den Rest der Serienpremiere bei. Er erzählt die Story sozusagen aus der Sicht seines verwirrten, sich selbst keine Chance auf ein lebenswertes Dasein gebenden Protagonisten, der mit den Stimmen in seinem Kopf und seinem verlorenen Zeitgefühl zu kämpfen hat. Und so erschafft Hawley einen der eindrucksvollsten Serienpiloten der jüngeren TV-Vergangenheit.
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Und so wird «Legion» in seiner ersten Stunde zu einem beklemmenden, dennoch sehr kurzweiligen, desorientierenden Kaleidoskop, einer fragmentarisch erzählten Story eines Psychiatriepatienten, der sich und sein Umfeld mehr denn je hinterfragen muss. Hawley experimentiert munter herum, sprenkelt zwischendurch sehr blutige Anblicke in seine Geschichte, streut dramaturgisch gerissen Hinweise, wie es weitergehen könnte. Wann immer die Story klarer wird, wirft Hawley an anderer Stelle brennende Fragen auf – von einer sehr künstlich aussehenden, aufgesetzten Action-Plansequenz kurz vor Schluss abgesehen, sind Regieführung und Erzählweise extrem versiert und auf verspielte Weise zielsicher.
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Aber auch nach dem Piloten bleibt sich «Legion» (wenigstens in den drei der Presse vorliegenden Folgen) insofern treu, als dass es nicht zu einer „Held jagt Schurken“-Serie wird. Stattdessen nimmt das Publikum unmittelbar an Davids schleichendem Prozess teil, seine psychische Verfassung neu zu sortieren – was erschreckende Erkenntnisse, traumatische Erinnerungen und auch aufmunternde Fortschritte beinhaltet. Das alles ist, auch wegen der sich ändernden Szenerie und einem Abflauen der Mindfuck-Momente, nicht mehr so atemberaubend wie im Piloten, allerdings noch immer weit über dem Durchschnitt für Superheldenserien. Und wer weiß, vielleicht wird es, sobald David sein volles Machtpotential ausschöpft, wieder auch ähnlich fesselnde Weise so irre wie zum Serienbeginn?
«Legion» ist beim deutschen Pay-TV-Sender FOX ab dem 9. Februar 2017 wöchentlich donnerstags um 21 Uhr zu sehen.
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