Interview

«Jäger & Sammler»: investigativ, konfrontativ, informativ - auf Facebook

von

What the funk?!: Das Investigativformat darf auf einen Grimme-Preis 2017 hoffen. Wir sprachen mit Friedemann Karig über die Tücken der Plattform Facebook und die Mission des Formats.

Zur Person

Friedemann Karig langweilt sich schnell. Deswegen sucht er Geschichten, die niemals langweilen. Und erzählt sie niemals langweilig. Als Moderator oder als Journalist ist er immer auf der Suche nach der richtigen Geschichte – geschrieben oder gesprochen.
funk
Worum geht es in Ihrem Format und wer ist daran beteiligt?
«Jäger & Sammler» ist ein investigatives Format auf Facebook - für junge Leute zwischen 20 und 25 Jahren. Wir suchen Missstände und decken auf. Wir gehen Themen auf den Grund und scheuen auch die Konfrontation nicht. Wir kümmern uns um Neonazi-Rapper, radikale Christen oder die Bundeswehr, Facebook, die Pille und Aleppo – dass wir dabei auch mal anecken, gehört dazu. Und macht das Format besonders.

Beteiligt sind als Hosts vor der Kamera meinungsfreudige Netz-Persönlichkeiten wie Nemi El-Hassan, die über ihre eigenen Kanäle (Blogs, YouTube oder Facebook) schon vor «Jäger & Sammler» deutlich Stellung bezogen haben.
Produziert wird das Format vom UFA Lab im Auftrag des ZDF. Die verantwortliche Redaktion ist «Frontal21», die uns mit ihrer langjährigen Erfahrung im investigativen Journalismus unterstützt.

Wie kam die Idee zum Format zustande?
Es gab so ein Format schlicht und einfach noch nicht. Wir haben die Lücke gesehen und sind davon überzeugt, dass junge Leute entgegen aller Vorurteile gut recherchierten Journalismus zu schätzen wissen – wenn er mit ihnen unerschrocken hinter die Dinge und Themen schaut, die sie berühren.

Warum gehört das Format zu funk und zur Zielgruppe, die FUNK ansprechen will?
funk will diejenigen ansprechen, die von den linearen Angeboten von ARD und ZDF immer seltener erreicht werden. Wo findet man die? In den sozialen Medien. Egal auf welchem Endgerät: Unabhängiger, kritischer Journalismus ist genau das, was den öffentlich-rechtlichen Rundfunk stark macht. Daher ist ein Format wie «Jäger & Sammler» bei funk für mich fast schon ein Muss.

Interviewreihe 'What the funk?!'

Die Interviewreihe "What the funk?!" von Quotenmeter.de befasst sich alle zwei Wochen mit der öffentlich-rechtlichen Internetplattform funk. Welche Formate sind bei funk abrufbar? Wer steckt dahinter? Und wie arbeitet es sich eigentlich beim neuen Angebot? Die Teams der funk-Formate beantworten je einen Katalog aus standardisierten und individuellen Fragen.
Welche Vorteile bietet Ihnen persönlich die Plattform funk und wie unterscheidet sich die Arbeit mit funk von Ihrer bisherigen Arbeit?

funk, das gefühlt wichtigste Medienprojekt seit der Einführung des Volksempfängers, hat natürlich zu Beginn viel Aufmerksamkeit auf unser kleines, neugeborenes Format gelenkt. Das war schön, weil jeder doch letztlich gerne beachtet werden möchte. Und anstrengend, weil noch vor dem ersten Dreh ein gewisser Druck herrschte. Aber wen man so alles auf den funk-Partys kennengelernt hat und wie stark sich diese große Welle, die wir ein bisschen mitabsurfen können, unter unseren anfangs noch wackeligen Brettern angefühlt hat, das war schon gut. Ansonsten unterscheidet sich relativ wenig. Ich muss und will abliefern.

Wo sehen Sie das Format inhaltlich in einem Jahr?
Wir haben noch sehr viel Luft nach oben. Es gibt unzählige Themen, an die wir uns bald herantrauen wollen. Wir werden sicher auch mal danebenliegen. In einem Jahr seltener als jetzt. Alles wird gut, würde ich mal sagen?

Es liegt an den Zuschauern, die Lust auf ein gewisses Niveau und eben auch Konfrontation haben müssen. Und nach einem halben Jahr wissen wir: Sie haben.
Friedemann Karig
Die Beiträge von «Jäger & Sammler» sind zwar auch über die funk-Website abrufbar, das Format wurde jedoch speziell für Facebook entwickelt. Facebook hängt der Ruf nach, wesentlich zur Verbreitung von Fake-News und Hetze beizutragen und daher für sachliche Beiträge häufig kaum empfänglich zu sein – ein Aspekt, den Sie selbst in einem Beitrag thematisierten. Sind Investigativformate überhaupt geeignet für diese Art von Plattform oder vielleicht gerade deshalb besonders wichtig?
Auf Facebook steht grundsätzlich vieles nebeneinander. Was sich durchsetzt und verbreitet, hängt aber nicht von irgendwelchen bösen Robotern im Facebook-Hauptquartier auf der dunklen Seite des Mondes ab. Sondern von uns. Von den Machern der Inhalte, die nunmal leider nicht mehr per Einbahnstraße in die Wohnzimmer senden, sondern sehr genau und direkt an den Zahlen merken, was ankommt und was nicht. Und es liegt an den Zuschauern, die Lust auf ein gewisses Niveau und eben auch Konfrontation haben müssen. Und nach einem halben Jahr wissen wir: Sie haben. Nicht alle, nicht immer. Aber genug. Pauschal über die Inhalte auf Facebook zu meckern ist deshalb für mich immer ein bisschen wie den Spiegel anschreien. Kann man machen. Bringt aber nix.

Wer politische Themen macht und so tut, als sende er nicht mindestens immer auch eine gewisse Perspektive mit, hat seinen Job nicht verstanden.
Friedemann Karig
Schon vor «Jäger & Sammler» haben Sie in Blogs, auf YouTube oder auf Facebook klar Stellung zu gesellschaftlichen Themen bezogen. Auch in vielen Beiträgen von «Jäger & Sammler» schwimmen klare, teilweise politische Botschaften mit. Befinden Sie sich mit dem Format auf einer Mission?
Eigentlich wollte ich sagen: nein. „Mission“ weckt das Bild eines Eiferers, der gar nichts mehr merkt. Aber eigentlich stimmt es. Wir wollen etwas vermitteln. Wer politische Themen macht und so tut, als sende er nicht mindestens immer auch eine gewisse Perspektive mit, hat seinen Job nicht verstanden. Nur kennt unsere Mission keine politische Agenda, kein Heilsversprechen und keine Ideologie. Sondern eher den Optimismus, dass guter Journalismus heute auch und gerade im Netz funktioniert, wenn er nur unterhaltsam ist. Und dass wir vielleicht gerade als Gesellschaft an einem Punkt sind, wo wir alle wieder mehr diskutieren, mehr denken und mehr dazu stehen müssen.

Was steckt hinter dem Titel «Jäger & Sammler»?
Knallharte Zielgruppenanalyse und SEO-Optimierung. Diese „Jugendlichen“ fahren voll auf die Steinzeit ab. Im Ernst: Wir saßen einfach länger herum und hatten keine wirklich zündenden Ideen. Mir persönlich war es sehr wichtig, das Ding nicht so zu nennen, wie so viele öffentlich-rechtliche Formate für U30 dann heißen. Sprich: Keinen Anglizismus, keinen angestrengten Neologismus oder gar alles klein und mit Punk.ten get.rennt zu schreiben, wie das Stadtmarketingagenturen im Hunsrück inzwischen sehr gerne tun. Am Ende war «Jäger & Sammler» nicht nur irgendwie unbenutzt, sondern auch einigermaßen treffend für das, was wir wollen. Und dass uns wirklich nur selten jemand auf den Namen anspricht, ist das beste Zeichen, dass er okay ist, finde ich.

Für den Grimme-Preis 2017 sind Sie in der Kategorie „Kinder & Jugend“ nominiert. Wie haben Sie auf die Nominierung reagiert und worin sehen Sie persönlich den besonderen Wert von «Jäger & Sammler», der das Grimme-Institut zu einer Nominierung verleitete?

Wir haben uns sehr, sehr gefreut. Es gibt in Deutschland einfach nicht so viele Preise für solche Sachen, und der Grimme-Preis ist vielleicht der wichtigste, so vom Prestige her. Dass wir dabei sind, als blutjunges, noch lange nicht fertiges Format, hat uns doppelt gefreut. Und: Wir sind sehr politisch und dabei sicher nicht immer für jedes fünfzigjährige Jury-Mitglied leicht zu verdauen. Eine mutige Wahl, möchte ich fast sagen. Jetzt wollen wir ihn natürlich auch gewinnen. Wo kann man eigentlich für uns voten?

Vielen Dank für das Interview!

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