Cast und Crew
- Regie: Tobias Ineichen
- Darsteller: Stefan Gubser, Delia Mayer, Joel Basman, Yelena Tronina, Jevgenij Sitochin, Natalia Bobyleva, Ivan Shvedoff, Jean-Pierre Cornu, Brigitte Beyeler, Johanna Bantzer
- Drehbuch: Stefan Brunner, Lorenz Langenegger
- Kamera: Michael Saxer
- Schnitt: Isabel Meier
- Musik: Fabian Römer
- Produktionsfirma: Hugofilm
Wie sich zeigt, recherchierte das Opfer intensiv eine Geschichte zu den Gräueltaten der Tschetschenien-Kriege nach. Hauptverdächtiger am Mord des Journalisten ist daher Ramzan Kaskanov (Jevgenij Sitochin), ein Kriegsverbrecher, der in der Schweiz mit neuer Identität untergetaucht ist. Aber auch die aus Tschetschenien stammenden Geschwister Nura (Yelena Tronina) und Nurali (Joel Basman), die derzeit in der Schweiz unterwegs sind, verhalten sich auffällig …
Der elfte «Tatort» aus Luzern beginnt mit Versatzstücken: Von treibender, kühler Elektromusik von Fabian Römer untermalt spielen sich in einer Parallelmontage mehrere Ereignisse ab, die bruchstückhaft erzählt werden und sich erst nach und nach zu einem Ganzen fügen. In etwas sterilen, dennoch atmosphärischen Bildern mit Grauschleier eingefangen, stellt dieser Einstieg einen vielversprechenden Auftakt für einen Krimi dar, der sich danach nicht nur in der Kameraarbeit Michael Saxers, sondern auch in der Dramaturgie allmählich wieder der Konvention annähert.
Die Drehbuchautoren Stefan Brunner und Lorenz Langenegger tun sich keinen Gefallen damit, den bislang weitestgehend von den obligatorischen "Das holprige Privatleben der Ermittler wirkt sich auf die Polizeiarbeit aus"-Subplots befreiten Schweiz-«Tatort» ausgerechnet in dieser Ausgabe mit genau solch einem Handlungsfaden zu versehen. Retos Liebelei mit einer Verheirateten bremst das Storytelling aus und verwischt den Fokus dieses Krimis, der vor allem dann zündet, wenn Nura im Mittelpunkt steht. Die von Yelena Tronina einnehmend gespielte, gerissene junge Frau, die perfekt darin ist, das leicht verdorbene Unschuldslamm zu mimen, ist die wahre Triebfieder des Films:
Nicht nur, dass ihr plausibel begründeter Rachefeldzug als berührendes Exempel dient, was die Opfer des in der Medienöffentlichkeit gern vergessenen Tschetschenienkonflikts durchmachen, er fügt diesem «Tatort» auch einen interfamiliären Konflikt hinzu. Denn ihre restliche Familie wird von Nura willentlich in einen Teufelskreis hineingezogen – dieser treibt Tronina und Joel Basman zu gelungenen verbalen Gefechten an.
- © ARD Degeto/SRF/Daniel Winkler
Reto Flückiger (Stefan Gubser, kniend) verhaftet einen Verdächtigen (Vladimir Korneev, liegend). Im Hintergrund: Flückigers Kollegin Liz Ritschard (Delia Mayer).
Abseits dessen drücken schablonenhafte Charakterisierungen und sprunghafte narrative Entwicklungen jedoch das Gesamtniveau des Neunzigminüters enorm. Dies ist besonders ärgerlich, da vor allem alle weiteren Figuren aus dem Inventar blass sind, mit dem die Autoren die politische Dimension ihres Films bestücken. Delia Mayer wiederum bekommt die undankbare Aufgabe, ihre Rolle dieses Mal als recht sture Ermittlerin anlegen zu müssen, damit die Story in Gang bleibt, während das letztlich verpuffende Drama um Reto Flückigers Liebesleben dem Handlungsverlauf unnötig Sand ins Getriebe streut.
Fazit: Atmosphärischer Anfang, eine interessante weibliche Hauptfigur, doch auch viele schablonenhafte Nebenrollen und eine holprige Dramaturgie: Dieser «Tatort» hat arge Höhen und Tiefen.
«Tatort: Kriegssplitter» ist am 5. März 2017 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.
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