Sülters Sendepause

M. Night Shyamalan - Kinomagier á la Hitch oder narzisstisches Kassengift?

von

Es begann mit einem Knall, ging munter weiter und verpuffte schließlich in einem Dunst aus Sturheit und fehlgeleitetem Selbstvertrauen. Die Rede ist von der Karriere eines der auf vielfältige Weise spektakulärsten Regisseure unserer Zeit: M. Night Shymalan, dem sein Raketenstart mehr Bürde denn Hilfe wurde…

Es gibt Menschen, denen fallen die Namen der Regisseure in Kino & TV gar nicht auf. Einige Könner ihres Fachs erledigen ihre Arbeit auf eine derart unaufdringlich kompetente Art und Weise, dass man erst nach vielen Filmen von ihnen feststellt, für was sie alles verantwortlich gezeichnet haben.

Ausnahmen, die sich als Markennamen in die Gehirne der Zuschauer eingebrannt haben sind sicher Größen wie Alfred Hitchock, Woody Allen oder Steven Spielberg. Wie bei einem bekannt-beliebten Schauspieler lässt sich mit ihnen ein neues Produkt über den Namen vermarkten. Auf dem Weg in diese Riege war im Jahr 1999 ein gewisser M. Night Shyamalan, riss in der Folge sein frisches Denkmal jedoch im Eiltempo wieder ein und befindet sich seitdem auf Wiedergutmachungstour. Wie steht es um das einstige Hollywood-Wunderkind? Welche Stationen haben sein Schaffen geprägt? Und was macht die Filme dieses Mannes im Kern aus? Klarer Fall für die Sendepause.

Gänsehaut


Am schönsten sind im Leben die kleinen Wunder, die man vorher nicht kommen sieht. Die Momente, in denen man vollkommen unbedarft in etwas schlittert, was sich als Kernerinnerung auf ewig in das eigene, kleine Gedächtnis einprägen wird. Emotional wie inhaltlich. So geschehen, als der Film «The Sixth Sense» ein damals noch weniger zynisches und noch nicht durch Overkill verdorbenes Menschenkind in seinen Bann riss.

«The Sixth Sense» war ein atmosphärisch dichter, wenn auch zeitweise schwergängiger, aber immer auch mitreißender Film über einen Mann und einen Jungen, der in den letzten Minuten eine Fahrt aufnahm, der sich niemand entziehen konnte. Ein Gänsehautfeuerwerk. Tausend Gedanken, Fragen, Rückschlüsse. Shyamalan war mit seinem Hollywood-Debüt nicht nur ein ganz starker, besonderer Film gelungen, vielmehr begründete er ein Genre, das er in der Folge zu seinem Markenzeichen machen sollte. Den Film, dessen Twist am Ende das vorher Gesehene neu definierte.

Auch mit seinem zweiten Werk «Unbreakable» schuf er kurz danach etwas Großes: Einen Mystery-Film, der eine Superheldengeschichte mitten hinein in unsere Lebensrealität verlegte, düster und spannend erzählte und gar noch kongenial auflöste. Auch hier waren am Ende wieder Wellen von Gänsehaut vorhanden – verdientermaßen.

An dieser Stelle begannen auch die Vergleiche mit Alfred Hitchcock, die Shyamalan selbst nicht zuletzt durch seine Auftritte als Schauspieler in seinen eigenen Filmen befeuerte.

Sekundenschlaf


Auf dem Höhepunkt seines Schaffens und seiner Bekanntheit kam dann «Signs» – ein Science-Fiction-Thriller, der sich geschickt dem Thema der Kornkreise anhand eines Mikrokosmos annahm. Shyamalan erzählte die Geschichte mit der Dimension einer weltumspannenden Krise nämlich eher ungewöhnlich, anhand einer Familie mitten im Nirgendwo. Eine Handvoll Charaktere, alleine auf einer Farm. Auch hier funktionierten die vielen kleinen Hinweise auf die spätere Auflösung, doch wollte sich der große Aha-Effekt nicht mehr einstellen. Die religiös verbrämte Handlung schlich im Schneckentempo voran viel mehr als ein gesunder Ruhepuls war nicht zu holen. Man erwartete den Twist förmlich, suchte nach Hinweisen, um frühzeitig dahinter zu kommen, und ließ sich so viel weniger auf das ein, was eigentlich gezeigt wurde. Trotz des kommerziellen Erfolges mehrten sich hier bereits die kritischen Stimmen.

Nur vier Jahre nach seinem großen Debüt war der Regisseur somit auf einen neuen Hit angewiesen. Doch lieferte er mit «The Village» genaugenommen zum vierten Mal das gleiche in Grün ab: Eine undurchsichtige Situation, die am Ende vermeintlich clever umgedreht wurde. Leider fehlten dem Film jedoch diesmal sogar die geschickten Hinweise der Vorgänger, das Tempo und die Story ließen zu wünschen übrig und der Twist selbst verpuffte schal. Shyamalan war Opfer seines selbsterzeugten Subgenres geworden. Die Frage, ob er endlich mal einen Film ohne den typischen Twist würde machen können war spannender geworden, als die nach dem Wieso und Warum seiner Stories.

Fluchtreflex


Seine Geldgeber hatten ihn jedoch noch nicht ganz abgeschrieben, gaben ihm 70 Millionen Dollar an die Hand, ließen ihn eine Gute-Nacht-Geschichte verfilmen, die er immer seinen Kindern erzählt hatte und erlaubten sogar, dass er diesmal eine Hauptrolle übernahm. So ist das eben, wenn man einem freidrehenden Ego den Schlüssel zum Safe gibt. «The Lady in the Water» wurde zum teuren Rohrkrepierer, fiel vollkommen verdient bei Zuschauern, Kritikern und an der Kinokasse durch und verschaffte dem Regisseur ein Stigma, das er noch heute mit sich herumträgt. Wenn «The Sixth Sense» sein Make-Moment war, war dieser hier definitiv sein Break-Moment.

Leisetreter


Shyamalan war acht Jahre nach seinem Aufstieg zum Supermann wieder ganz unten angekommen. Man warf ihm Selbstverliebtheit, ein durchgehendes Ego, Narzissmus und Schlimmeres vor. Im Duden hätte man zu diesem Zeitpunkt beim Begriff Kassengift mit relativer Sicherheit sein Konterfei finden können.

Doch kam mit «The Happening» zwei Jahre später heimlich still und leise noch ein weiterer Versuch heraus. Mit reduziertem Budget führte Shyamalan nicht nur das erste Mal einen Film ins Feld, der auf einen übermäßig abstrusen Twist verzichtete, sondern kam auch wieder zurück in die kommerzielle Gewinnzone – wenn auch nur dezent. Doch eines blieb ihm erhalten: Die Kritikerstimmen waren zum Großteil negativ. Der Aufschrei war jedoch schon deutlich geringer geworden – man erwartete schlicht nichts Weltbewegendes mehr vom einstigen Wunderkind.

In der Folge tauchte er ein wenig ab. Mit der Romanverfilmung «Die Legende von Aang» macht er tatsächlich einmal etwas vollkommen anderes und holte einen kleinen kommerziellen Achtungserfolg, wenngleich der Film keine Begeisterungswelle auslöste. Es war auch der erste Film, bei dem Shyamalan nicht alleine am Drehbuch schrieb und bei dem die Story nicht von ihm stammte.

Mit «After Earth» ging er dann sogar noch einen Schritt weiter zurück. Man bewarb den Film nicht mal mehr mit Shyamalans Namen. Der Regisseur wurde somit endgültig zum reinen Handwerker innerhalb der Produktion. Dass dem Werk Scientology-Nähe unterstellt wurde und erneut viele Kritiker nichts als böse Worte übrig hatten, half wenig. Kommerziell war das Will-Smith-Vehikel eine Enttäuschung. Auch dieser Weg führte Shyamalan also nicht ans Ziel.

Comeback


Was folgte war eine Art Reboot. Shyamalan machte die längste Pause zwischen zwei Filmen seit «The Sixth Sense» (immerhin drei Jahre) und änderte erneut seine Herangehensweise. Mit dem cleveren Horrorvehikel «The Visit» präsentierte er eine Low-Budget-Produktion, die aus fünf Millionen Dollar Kosten rund 100 Millionen Dollar Einspielergebnis generierte und viele positive Besprechungen erhielt, trotz oder sogar wegen des erneut typischen aber definitiv schlauen und überraschenden Twists.

Zwischendurch betreute er noch die TV-Serie «Wayward Pines», die er zwar nicht erdacht, aber atmosphärisch und mitreißend produziert hatte. Vielleicht auch für die Zukunft ein neues Spielfeld für den bisherigen Kinomann?

Den ganz großen Knaller aber setzte er Ende 2016. Mit «Split» brachte er einen Film an den Start, der erneut mit einem Minimalbudget von neun Millionen Dollar auskam, aber bisher schon rund 240 Millionen Dollar weltweit eingespielt hat. Auch die Tatsache, dass erneut ein Twist den Film beendete, wurde nicht negativ aufgenommen. Viel zu groß war die Begeisterung über die inhaltliche Ausrichtung dieser Enthüllung, die Shyamalan nun auch die Tür für sein nächstes Projekt geöffnet hat. Um niemandem die Überraschung zu verderben, belassen wir es an dieser Stelle jedoch dabei.

Conclusio


Steckbrief

Björn Sülter ist bei Quotenmeter seit 2015 zuständig für Rezensionen, Interviews & Schwerpunkte. Zudem lieferte er die Kolumne Sülters Sendepause und schrieb für Die Experten und Der Sportcheck.
Der Autor, Journalist, Podcaster, Moderator und Hörbuchsprecher ist Fachmann in Sachen Star Trek und schreibt seit 25 Jahren über das langlebige Franchise. Für sein Buch Es lebe Star Trek gewann er 2019 den Deutschen Phantastik Preis.
Er ist Headwriter & Experte bei SYFY sowie freier Mitarbeiter bei Serienjunkies, der GEEK! und dem FedCon Insider und Chefredakteur des Printmagazins TV-Klassiker und des Corona Magazine.
Seine Homepage erreicht ihr hier, seine Veröffentlichungen als Autor auf seiner Autorenseite.
M. Night Shyamalan ist ein Opfer. Allerdings weder das eines verrückten Comic-Nerds, Aliens oder von aggressiven Topfpflanzen, noch das von Geistern oder amoklaufenden Großeltern. Er wurde schlicht zum Sklaven seines Erstlings und verrannte sich in die Idee, immer einen noch größeren Twist bringen zu müssen.

Vielleicht lag es aber auch am Druck durch die Studios. Doch wie dem auch sei: Shyamalan hätte sich viel früher trauen müssen, etwas völlig anderes zu machen und zu zeigen: Ich kann auch ohne Twist! Ich kann auch einfach nur unterhalten! Dann wäre er unter Umständen nie in diese Mühle aus Vorurteilen und enttäuschten Erwartungen geraten, hätte aber auf der anderen Seite vielleicht gar auch nicht derart viele Chancen erhalten.

Auch fühlte er sich lange missverstanden. Oft wiederholte er in Interviews, seine Filme hätten nicht immer einen unerwarteten Twist oder wären nicht per se immer unheimlich. Dass er diesen Eindruck jedoch selber erzeugt und gepflegt hatte, dämmerte ihm erst, als es fast zu spät war.

Letztlich zählt jedoch nur die Gegenwart. Mit seinen letzten Werken hat Shyamalan bewiesen, dass er eines ganz sicher immer noch ist: Ein starker Geschichtenerzähler und ein kompetenter Regisseur. Er hat seine Stärken analysiert, sich von großen Budgets gelöst und scheint sich auf das zu besinnen, was funktioniert. Nun schwimmt er wieder auf einer kleinen Erfolgswelle und könnte sein angekratztes Image nach und nach geraderücken.

Wenn sein Ego diesmal nicht freidreht und er uneitel und ohne Größenwahn einfach weiterhin gute Filme macht, stehen ihm sicher noch lange alle Türen offen. Und das ist ja dann irgendwie auch wieder ein netter Twist.

Der Sülter hat für heute Sendepause, ihr aber bitte nicht – Wie sind eure Erfahrungen? Welche Filme desw Regisseurs mögt ihr? Welche nicht? Wie seht ihr seine Zukunftsaussichten? Hat er noch die Chance in die Riege der ganz großen Filmemacher aufzusteigen? Denkt darüber nach und sprecht mit anderen drüber. Gerne auch in den Kommentaren zu dieser Kolumne. Ich freue mich drauf.

«Sülters Sendepause» kehrt in vierzehn Tagen zurück.

Die Kolumne «Sülters Sendepause» erscheint in der Regel alle 14 Tage Samstags bei Quotenmeter.de und behandelt einen bunten Themenmix aus TV, Film & Medienlandschaft.

Für Anmerkungen, Themenwünsche oder -vorschläge benutzt bitte die Kommentarfunktion (siehe unten) oder wendet euch direkt per Email an bjoern.suelter@quotenmeter.de.

Kurz-URL: qmde.de/91725
Finde ich...
super
schade
100 %
0 %
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelDie glorreichen 6 XXL: Exzessive Laufzeit, enormer Filmgenuss (Teil VI)nächster ArtikelVOX bewegt sich zwischen drei Quoten-Traumreisen und «Schrankalarm»-Tränen
Schreibe den ersten Kommentar zum Artikel
Weitere Neuigkeiten

Optionen

Drucken Merken Leserbrief




E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung