Die deutschen Film- und Fernsehpreise werden mit wenigen Ausnahmen von einem Problem durchzogen: dem Problem des „Es kommt nicht so darauf an“.
Die Fehlentscheidungen des Deutschen Fernsehpreises, bei ihren Nominierungen eher auf populäre denn auf gut gemachte Formate zu setzen, haben ihn so stark diskreditiert, dass auch eine Kurskorrektur in den letzten Jahren hin zu einem seriöseren Nominierungsgebaren seine Reputation nur marginal besserte. Gleiches gilt für den Bambi, der chauvinistische und homophobe Texte für eine gelungene Integration in die deutsche Gesellschaft hielt.
Und nun die Goldene Kamera, die ihre jüngste Show grandios vergeigte. Der Skandal ist dabei nicht einmal, dass es einer Comedy-Show gelang, ihr einen Doppelgänger als Ryan Gosling unterzujubeln. Der Skandal ist, wie dort hinter den Kulissen entschieden wird, wer einen Preis bekommen soll. Kurz: Ausgezeichnet wird jeder, der hingeht. Solange er ein bekannter amerikanischer Schauspieler ist, natürlich. Eine größere Verachtung für die geistige Arbeit einer Fachjury oder für ein Mindestmaß an Integrität hätte der Funke-Verlag nicht zeigen können.
Vielleicht bleiben mitunter deshalb die in Deutschland vergebenen Film- und Fernsehpreise in ihrer internationalen Breitenwirkung so weit hinter denen aus dem anderen nicht-englischsprachigen Ausland zurück. Es wird Gründe haben, warum Frankreich seine Goldene Palme hat und wir nur den Goldenen Bären, der freilich nach meilenweit seriöseren Kriterien vergeben wird als die Dilettanten von der Goldenen Kamera ihre Statuen unters Volk bringen, aber hinsichtlich seinem internationalen Renommee hinter anderen zurücksteht.
In Hollywood dürfte sich herumgesprochen haben, dass man in Deutschland oft nur ankündigen muss, hingehen zu wollen, und schon bekommt man einen Preis überreicht. Dass das den Wert einer Auszeichnung zu einer Teilnahmeurkunde bei den Bundesjugendspielen verwässert, dürfte man bei der Goldenen Kamera intellektuell sogar verstehen. Nur: Es kommt nicht so darauf an.
Eine Mischung aus Kurzsichtigkeit, Blauäugigkeit und einem völlig dilettantischen Geschäftsgebaren haben «Circus Halligalli» eine hochkarätig gemeinte Preisverleihung unterlaufen lassen. Dazu war auf Seiten von Joko und Klaas nicht einmal sonderlich viel Raffinesse nötig. Sie kamen auch mit der planerischen Feinfühligkeit einer Brute-Force-Attacke an ihr Ziel. Das ist das eigentlich Erstaunliche.
Dass die Show ansonsten nur noch mit den rassistischen Witzen von Annette Frier und Matthias Matschke für Schlagzeilen sorgen konnte, passte sogar ins Bild. Die anwesenden Angelsachsen (Nicole Kidman, Colin Farrell und Jane Fonda) machten gute Miene zum bösen Spiel. Tipp fürs nächste Jahr: Viele Ausländer aus ehemaligen Kolonialmächten haben landläufig ein etwas distanzierteres Verhältnis zu ihrer Kolonialgeschichte als die Deutschen, die sich mit ihrer in Form von bestialischem Ignorieren beschäftigen. Wenn man also damit aufhören würde, zwei Deutsche auf der Bühne afrikanische Tänze verarschen zu lassen, wäre schon viel gewonnen.
Es ließen sich noch einige weitere offensichtliche konstruktive Vorschläge machen: In den USA vergeben Academies, also über tausendköpfige Zusammenschlüsse von Branchenschaffenden, oder der elitäre Zusammenschluss der Auslandspresse Hollywoods die bekannten Preise. In Deutschland werden die Goldene Kamera und der Bambi dagegen von Verlagen verliehen, deren Interessen – das muss man ihnen wegen der mangelhaften Qualität ihrer Auszeichnungspraktik vorwerfen – nicht in erster Linie in einem integeren Nominierungs- und Auszeichnungsverfahren liegen. Wer eines gehaltvollen, wertvollen Preises würdig ist, entscheidet am besten eine wie auch immer besetzte Fachjury, die unabhängig von wirtschaftlichen Interessen zu halten ist. Weder sollte sie, wenn auch nur durch sanften Druck, zur besseren Breitenwirkung nur möglichst große oder schlagzeilenträchtige Namen auszeichnen, noch sollen ihr neue Kategorien aufgehalst werden, weil zufällig gerade Ryan Gosling in der Stadt ist.
Eigentlich eine Selbstverständlichkeit.
Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
10.03.2017 19:32 Uhr 1
1. Der Termin mitten in der Awards Season. Da ist Cannes im Mai einfach viel besser plaziert und Venedig im Spätsommer, kurz vor Beginn der Awards Season, ebenfalls.
2. Dieter Koßlick und seine betont politische Festival-Ausrichtung. Bei Koßlick kommen überdurchschnittlich viele exotische und/oder sperrige Filme in den Wettbewerb, zudem sorgt seine Jury-Zusammensetzung sehr zuverlässig dazu, daß die bekannten Namen weitgehend leer ausgehen (ich erinnere an das Jahr, in dem Schlingensief in der Jury saß und schon vor Beginn klipp und klar sagte, daß ein Film keine Siegchance hat, wenn er keine deutliche gesellschaftliche/politische Botschaft habe). Gewinner, die keiner kennt, helfen natürlich nicht bei der internationalen Aufmerksamkeit, gleichzeitig sind sie aber eben auch ein gewisses Alleinstellungsmerkmal, das von vielen in der Branche durchaus gewürdigt wird.
Und was Goldene Kamera, Bambi und Co. betrifft: Pff, das waren, sind und bleiben letztlich Witzpreise, die sowieso keiner wirklich ernst nimmt, da lohnt keine Aufregung ...