Filmfacts: «Die rote Schildkröte»
- Kinostart: 16. März 2017
- Genre: Animationsfilm/Abenteuer
- FSK: o.Al.
- Laufzeit: 80 Min.
- Musik: Laurent Perez Del Mar
- Buch: Pascale Ferran, Michael Dudok de Wit
- Regie: Michael Dudok de Wit
- OT: The Red Turtle (FR/BEL/JP 2016)
Der niederländische Regisseur und Autor Michael Dudok de Wit, für den dieser Film nicht bloß die aller erste, eigene Inszenierung eines Langspielfilms, sondern auch die erste Zusammenarbeit mit dem weltberühmten japanischen Zeichentrickstudio Ghibli bedeutet, hält sich mit «Die rote Schildkröte» viele Interpretationstüren offen. Sein vollständig ohne einen gesprochenen Satz auskommendes Animationsabenteuer ist die knapp eineinhalbstündige Beobachtung eines Mannes, die als minimalistische Abwandlung einer klassischen «Robinson Crusoe»-Geschichte beginnt und nach etwa der Hälfte zu einem melancholisch-romantischen Märchen wird. Das erfordert Aufgeschlossenheit, doch als Belohnung winkt das Gefühl, Zeuge von etwas Magischem gewesen zu sein.
Gestrandet auf einer einsamen Insel
Ein Schiffbrüchiger strandet auf einer einsamen Insel. Zum Überleben gibt es dort genug, Gefahren lauern jedoch überall. Er baut sich ein Floss, um von der Insel fortzukommen, wird jedoch jedes Mal von einer roten Schildkröte, die sein Holzgefährt zerstört, daran gehindert. Als die Schildkröte eines Tages an Land kommt, versucht der Mann, sie zu überwältigen, so dass seine Flucht endlich gelingen möge. Doch das Tier entpuppt sich als eine magische Kreatur…
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Wurde das Disney-Meisterwerk «Bambi» 1942 zum Meilenstein lebensechter Zeichenkunst, gelingt es den Machern, ebenjene Tricktechnik hier noch zu perfektionieren. Kleinste Bewegungen von Krebsen, die Bewegungen von Wasser und Wolken und natürlich auch die Darstellung der menschlichen Hauptfigur verschmelzen zu einer naturalistischen Einheit. Und es ist umso erstaunlicher, dass dieser lebensnahe Eindruck selbst dann bestehen bleibt, als fantastische Elemente Einzug in die Geschichte erhalten.
Von Hand gezeichnete Kinomagie
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Dieser Wechsel vom zunächst fast schon dokumentarisch anmutenden Erzählverlauf, hin in eine ebenso märchenhafte wie symbolisch stark aufgeladene zweite Hälfte, könnte manch einen Zuschauer vor den Kopf stoßen, doch letztlich geht das Eine nicht ohne das Andere. «Die rote Schildkröte» entwickelt sich gerade durch diese sehr unterschiedlichen Ideen zu einem Gesamtkunstwerk, das auf ganz unterschiedliche Art und Weise gelesen werden kann. Am Ende nimmt wohl jeder das aus diesem Film mit, was für ihn wichtig erscheint. Genau diese alles andere als starrsinnige, dem Zuschauer die Interpretation eben nicht aufdrängende Inszenierung, erweist sich Michael Dudok de Wit schon mit seinem Spielfilmdebüt als einer der letzten großen Kinopoeten.
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Was sich der Regisseur am Ende genau bei der Inszenierung gedacht hat, lässt er übrigens tatsächlich offen. Ob Darstellung eines Tagtraumes oder klassische Fabel über das Zusammenleben zwischen Mensch und Natur – man weiß es nicht und das ist auch ganz gut so. Denn nur so kann sich am Ende jedes Detail in «Die rote Schildkröte» völlig entfalten. Von den wohl lustigsten Sidekick-Krebsen der Filmgeschichte über die titelgebende, stumme und doch so viel aussagende Schildkröte bis hin zum Menschen, bei dem nie ganz klar ist, wie lang er nun eigentlich schon auf der Insel verweilt, greifen die einzelnen Elemente wie Zahnräder ineinander, die eine filmische Kunstinstallation kontinuierlich am Laufen halten. Faszinierend!
Fazit
«Die rote Schildkröte» ist die sanfte, feinfühlige Erzählung über einen Schiffbrüchigen, der sich mit dem Leben auf einer einsamen Insel arrangieren muss. Ohne ein gesprochenes Wort lässt diese Studio-Ghibli-Produktion die lebensecht gezeichneten Bilder ganz für sich allein sprechen und lässt aus ihnen etwas Märchenhaftes emporsteigen. Ein minimalistisch, aber absolut atemberaubendes Konzept.
«Die rote Schildkröte» ist ab dem 16. März in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.
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