Hingeschaut

«Boomarama 3000»: Viel Aufwand mit großen Namen - für reichlich Mittelmaß

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Trotz starker Quoten im Vorjahr modifizieren Aurel Mertz und Tele 5 ihre Late-Night-Show auch in der dritten Staffel wieder an vielen Eckpunkten. So recht gefunden hat man sich dabei noch immer nicht - und das, obwohl sogar Matthias Schweighöfer, Joko Winterscheidt und Nicolas Paalzow zum Gelingen des Projekts beitragen sollen.

Themen und Gäste

  • Anziehungskraft: Nikeata Thompson (Tänzerin und Choreographin)
  • Scheitern: Pierre M. Krause (Fernsehmoderator / Comedian)
  • Provokation: Idil Baydar (Schauspielerin und Kabarettistin) als „Jilet Ayse“ (Ghettobraut ausBerlin)
  • Würde: Kat Kaufmann (Film- und Theaterkomponistin / Schriftstellerin) und Julian F.M. Stöckel(Designer / Model)
  • Kunst: Milo Moiré (Schweizer Performance-Künstlerin)
  • Blau: Olexesh (Rapper) und Samir Yazidi (Rapper)
  • Autorität: Christopher Lauer (SPD-Politiker)
  • Fleisch: Luna Love (Amateur-Pornodarstellerin & Youtuberin)
  • Tierchen: Manuel Möglich (Gonzo-Journalist)
  • Apokalypse: Simon Gosejohann (Moderator / Comedian)
An diesem Freitag startet die zehnte Staffel von «Let's Dance» - zum fünften Mal in Folge mit derselben Jury, denselben Moderatoren und einem quasi unveränderten Konzept. Die einzigen zu erwartenden Veränderungen der seit Jahren erfolgreichen RTL-Tanzshow beziehen sich im Kern darauf, den Erfolg noch länger auszukosten: Sei es in Form des kürzlich schon ausgestrahlten «Kennenlernens» oder zusätzlicher «Explosiv - Spezial»-Ausstrahlungen (wir berichteten). Klingt auf dem ersten Blick nach einem klassischen "Thema verfehlt, 6"-Einstieg für einen Artikel, der sich doch mit der Auftaktsendung zur dritten «Boomarama 3000»-Staffel befassen soll, hat aber einen Hintergedanken.

Denn obwohl sich die von Aurel Mertz seit 2015 auf Tele 5 präsentierte Late-Night-Show im vergangenen Jahr zu einem beeindruckenden Quotenerfolg gemausert hat und in der Spitze auf über vier Prozent Zielgruppen-Marktanteil gelangt war - was im Vergleich zum Senderschnitt von derzeit nicht einmal mehr einem Prozent ein stolzer Wert ist, versuchen er und sein Sender bei den neuesten zehn Folgen nicht einfach nur in typischer Privatsender-Manier, den Status quo zu manifestieren und auszureizen, bis das Publikum übersättigt ist. Das ist löblich und verdient Anerkennung - daraus resultiert aber ein weitaus mittelmäßigeres Stück Fernsehkunst, als man sich wohl erhofft hatte.


Neues Konzept: Der Anspruch ist Wissen, die Realität Flachwitz


Jede der zehn neuen Folgen soll sich einem festen Thema widmen - in der Auftaktfolge etwa der "Anziehungskraft". Und neben der unterhaltsamen Aufbereitung aktueller gesellschaftlicher Themen wird im offiziellen Trailer sogar explizit der Anspruch artikuliert, "die Komponente Wissen dazu zu holen". Wie die Verknüpfung dieser Aspekte aussehen soll, zeigt bereits der Prolog zum Staffeldebüt: Zwei junge Damen sitzen auf einem Bett, starten eine Kissenschlacht und nachdem das Stichwort "Anziehungskraft" fällt, referiert eine der beiden eine geschlagene Minute im wissenschaftlichen Duktus über die Gravitation. Joar, kann man so machen, nimmt aber insgesamt schon einmal zwei von gerade einmal rund 23 Minuten Gesamt-Sendezeit weg - und das auf gar nicht mal so hohem komödiantischen Niveau.

Auch im Studio selbst reitet der einstige Zögling der respektabel besetzten Frank-Elstner-Masterclass weiter auf dieser Schiene, nutzt die Vokabeln Anziehungskraft sowie ihr Pendant Fliehkraft aber auch für eine Verknüpfung mit bekannten Persönlichkeiten aus der Politik - etwa Erika Steinbach, wobei an dieser Stelle noch nicht vorweg genommen werden soll, in welche Richtung sie einkategorisiert wird. In einem Einspieler hält Mertz um die Hand von Beatrix von Storch an, schreibt ihr einen Brief und verweilt sogar (angeblich) stundenlang mit Zelt bepackt vor ihrer Haustür, um schließlich gesagt zu bekommen, dass sie sich derzeit in Straßburg aufhalte.

Und so schleppt sich die Sendung über Koordinatensysteme, Auflistungen und dem mindestens ebenso trivialwissenschaftlichen sowie bestenfalls leidlich unterhaltsamen "Mertz-Experiment", in dem der zuvor noch nicht einmal tausendfach televisionär beantworteten Frage nachgegangen wird, ob ein Mensch mit Klebeband an eine Wand angeklebt werden kann, zum Gast der Sendung: Nikeata Thompson. Und zusammen mit der wahrlich dankbaren und über jeden noch so infantil-bemühten Flirt-Versuch und Flachwitz lachenden Choreografin kommt dann ganz am Ende doch einmal so etwas wie Stimmung im ansonsten eher verhalten ausgefüllten Studio auf: Eine Art Kofferpacken mit Tanzmoves bringt Schwung in die schlaffen Glieder und Lachmuskeln und sorgt dafür, dass der Zuschauer zumindest nicht gelangweilt aus dem Halbstünder hinausgeht.

Geht da nicht mehr oder soll nicht mehr gehen?


Dabei fragt man sich mit Blick auf die Verantwortlichen von «Boomarama 3000» schon, an welchen Stellschrauben es noch hakt, um nicht über die graue Maße des Mittelmaßes hinauszukommen. Immerhin wartet das Produktionsunternehmen Creative Cosmos 15 mit der Expertise von Matthias Schweighöfers Pantaleon Entertainment AG, Joko Winterscheidts PeJay GmbH sowie einem hochrangigen Gesellschafterkreis auf, zu dem unter anderem Ex-Sat.1-Geschäftsführer Nicolas Paalzow gehört. An der nötigen Medienkompetenz dürfte es also eigentlich nicht scheitern und audiovisuell weiß die Sendung auch durchaus Akzente zu setzen, ja in ihren lichtesten Momenten gar an die Grandiosität der bildundtonfabrik'schen Schöpfungskraft des «Neo Magazin Royales» anzuknüpfen.

Wirkt also die im Vorfeld so eifrig beworbene Fokussierung auf jeweils ein Thema pro Folge, das dann auch bitte noch in irgendeiner leicht aufgesetzt wirkenden Form wissenschaftlich aufbereitet werden sollte, so hemmend? Klingen die großen Namen auf dem Papier größer, als sie dann in der Praxis kooperieren? Muss sich das neue Team mit der neuen Ausrichtung des Formats erst noch finden? Oder ist vielleicht gar nicht mehr gewollt, als eine nette Late-Night mit einigen Kalauern und kurzweiligen Unterhaltungssegmenten zu produzieren, die beim breiten Publikum auch bessere Chancen hat als die große Wunderküche, in der die btf ihre Zutaten immer wieder auf innovative, damit aber eben auch gerne mal etwas sperrige und gewöhnungsbedürfte Art und Weise zu Kritikern äußerst gut mundenden Menüs zusammenbrutzelt? Letzteres wiederum würde aber mit Blick auf Sender und Verantwortliche schon ein wenig überraschen.

Schaust du «Boomarama 3000» - und wenn ja, wie?
Ja, ich werde die Sendung voraussichtlich online schauen.
35,8%
Ja, aber ich warte auf die Ausstrahlung im linearen Fernsehen.
9,0%
Nein, das Format interessiert mich nicht.
55,2%


Denn gewöhnlich ist auch das, was Tele 5 im Anschluss an die um 22 Uhr laufende Show zeigen wird, nicht gerade: Die hochgelobte, aber hinsichtlich ihrer Einschaltquoten stets unglücklich performende US-Serie «Dexter» ist da ab 22:30 Uhr mit Doppelfolgen zu sehen, gegen 0:50 Uhr folgt mit «Californication» sogar noch ein weiterer serieller Leckerbissen von reichlich spezieller Couleur. Alleine dafür werden viele Serienfans Kai Blasberg und dessen Team völlig zurecht feiern, denn beides steht für große Marken, die im quotenfixierten Privatfernsehen aber keine Chance mehr haben - und bei denen es umso erfrischender ist, wenn ihnen dann doch jemand eine Heimat gibt, schlichtweg aus inhaltlichen Gründen. Deren Vorprogramm allerdings wird sich noch stark steigern müssen, um von den TV-Gourmets auch nur in ansatzweise ähnlicher Art und Weise gefeiert zu werden.

Tele 5 zeigt zehn Folgen von «Boomarama 3000» jeweils freitags gegen 22 Uhr. Auf der Website des Senders werden sie immer schon vorab am Donnerstag um 18 Uhr zu sehen sein.
Lesen Sie hier unser brandaktuelles Interview mit Aurel Mertz.

Kurz-URL: qmde.de/91872
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