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Offiziell beschrieben wird das Genre von «Patriot» als Mischung zwischen Thriller und Komödie. Doch wer Spannung im Übermaß und einen Lacher nach dem nächsten erwartet, ist bei «Patriot» fehl am Platz. Das klingt erst mal nach „Thema verfehlt, 6, setzen.“ Es stellt sich nun die Frage: Welches Genre möchte «Patriot» wirklich sein? Denn was genau die Schreiber mit «Patriot» erreichen wollen, klärt sich, wie so vieles innerhalb der Serie, erst im Nachhinein.
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Im Vergleich dazu steht die BBC-Produktion «Sherlock». Der Zuschauer begleitet den Detektiv, wie er Hinweise sammelt, und rätselt mit. Doch oftmals hängt die Auflösung des Falles an einem Detail, einer Nebensächlichkeit, die der Zuschauer nicht nur nicht beobachtet hat, sondern gar nicht beobachten konnte. Das ist bei weitem keine Kritik an den Stilelementen von «Sherlock». Es ist vielmehr ein Kompliment an die Schreiber von «Patriot». Denn hier entgehen dem Zuschauer keine wichtigen Details. Alles ist ersichtlich, wenn man nur hinschaut, doch der Bezug zur Haupthandlung bleibt vorerst verborgen. Kleines Beispiel gefällig? Aber gerne.
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«Patriot» nimmt sich Zeit, schafft es aber trotzdem, den Zuschauer bei der Stange zu halten. Es meistert die feine Linie zwischen Dramatik, Humor und erzählerischen Kniffen. Der Humor der Serie ist schwarz, absurd und elegant. Zu keinem Zeitpunkt fühlt sich ein Witz erzwungen an. Stattdessen punktet die Serie mit Situationen, die echte Lacher hervorrufen.
Amazons Casting-Team fuhr für «Patriot» die schweren Geschütze auf: Michael Cernus («Orange Is the New Black»), Terry O’Quinn («Lost») und Kurtwood Smith («Die wilden 70er»). Zwar verkörpern sie alle nur Nebenfiguren, helfen dadurch aber Michael Dorman, der die Hauptrolle spielt, zu einer sehr authentischen Darbietung. Kurtwood Smith spielt die Rolle des Leslie Clarets. Das macht den Schauspieler zu Tavners Vorgesetztem. Eine Rolle die Kurtwood, bekannt als Familienvater Red Foreman, auf den Leib geschneidert scheint. Denn Claret, genau wie Foreman, ist nicht gut auf seinen Schützling zu sprechen. Er versucht Tavner zu integrieren, scheitert jedoch, da Tavner durch sein Doppelleben abgelenkt ist. Die Szene, in der Claret Tavner erneut die Hand der Freundschaft reicht, spielt Kurtwood überragend. Dies verhilft seiner Figur zu einer emotionalen Tiefe die nicht nur aufgesetzt wirkt. Doch auch Dorman brillierte in der Hauptrolle, als trauriger Mann im Anzug. Seine überragende Mimik vermittelt dabei, dass Tavner sichtbar unter der moralischen Last seiner Taten leidet.
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«Patriot» schafft etwas, dass in der modernen Fernsehlandschaft schon längst zur Rarität geworden ist: Clever zu sein, ohne den Zuschauer für dumm zu verkaufen. Es sind die kleinen, liebevollen Details, die das Gesamtbild so überzeugend erscheinen lassen. Diese wurden offensichtlich mit Sorgfalt und Bedacht platziert, wie zum Beispiel die wechselnden Endszenen des Vorspanns. Näher betrachtet ist «Patriot» ein durchaus cleveres Experiment in Sachen Erzählstruktur und Humor. Doch auch im Gesamtbild überzeugt die neue Amazon-Produktion. Schauspieler, Schreiber, Produzenten, Kameramänner und Komponisten arbeiteten bei «Patriot» auf ein gemeinsames Ziel zu. Die einzelnen Elemente fügen sich reibungslos zu einem runden Gesamtbild zusammen. «Patriot» ist erfrischend anders und gewagt. Bleibt nur zu hoffen, dass Amazon diesen Kurs beibehalten kann und so schnell wie möglich eine zweite Staffel in Auftrag gibt.
Ab 24. März steht das Amazon Original «Patriot» bei Amazon Prime Video in deutscher Synchronfassung zur Verfügung. Die Serie feierte ihre Weltpremiere am 14. Februar auf der Berlinale.
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25.03.2017 13:13 Uhr 1