Cast & Crew «Der gleiche Himmel»
- Buch: Paula Milne
- Regie: Oliver Hirschbiegel
- Kamera: Judith Kaufmann
- Musik: Walter Mair, Vesselina Tchakarova
- Schnitt: Alexander Dittner
- Besetzung: Tom Schilling, Sofia Helin, Friederike Becht, Ben Becker, Jörg Schüttauf, Hannes Wegener, Stephanie Amarell, Godehard Giese, Anja Kling, Claudia Michelsen
- Produktion: UFA Fiction , Beta Film und Mia Film unter Beteiligung von Rainmark Films
Der historische Spionagethriller ist trotzdem heute aktueller denn je. Deutschland dient dabei als idealer und bitterernster Spielplatz im Kampf zwischen kapitalistischen und kommunistischen Werten. Auch wenn die geopolitischen Machtverhältnisse mit den heutigen Machtverhältnissen nicht übereinstimmen, ist der Konflikt zwischen Ost und West leider wieder hochbrisant. Umso mehr lohnt es sich, einen Blick in die Machtspiele eines Regimes der Vergangenheit zu werfen und Erkenntnisse für die Gegenwart zu gewinnen. Insbesondere wenn sich die Geschichtsstunde so reizvoll gestaltet wie die vorliegende dreiteilige Regiearbeit von Oliver Hirschbiegel.
Wir schreiben das Jahr 1974. Der Kalte Krieg ist im vollen Gange. In Vietnam tobt noch der bittere und nicht zu gewinnende Stellvertreterkrieg der USA gegen den Kommunismus. Staatsoberhäupter Willy Brandt und Richard Nixon werden in Skandale verwickelt und treten zurück. Die Rote Armee Fraktion wird für Westdeutschland ein Problem. Vor diesem historischen Hintergrund lässt sich der junge Lars Weber (Tom Schilling) neben vielen anderen Offizieren zu einem sogenannten Romeo-Agenten ausbilden. Ein DDR-Geheimdienstzweig, der nie offiziell existiert hat, aber immerhin für «Der gleiche Himmel» eine interessante Story-Prämisse bildet. Romantik, Liebe und Sexualität wird zum Teil einer wissenschaftlichen und militärischen Ausbildungsstätte.
Weber erweist sich als besonders talentiert und kann das weibliche Geschlecht mit Leichtigkeit bezirzen: Er ist intelligent, kultiviert und spricht mehrere Sprachen, so dass ihn seine Vorgesetzten gleich mit einer der wichtigsten Missionen betrauen. Vom Führungsoffizier Ralf Müller (Ben Becker) wird er beauftragt, die britische Datenanalystin Lauren Faber (Sofia Helin) zu verführen. Diese arbeitet wiederum für den britischen Geheimdienst auf dem Teufelsberg. Hier ist sie entsprechend für sensible Informationen und Daten verantwortlich, die im Kampf gegen den kapitalistischen Westen von entscheidender Bedeutung sein könnten. Gesagt, getan. Agent Lars Weber weiß genau, welche Knöpfe er drücken muss. Zunächst freunden sich Weber und Faber auf der Grundlage ihrer gemeinsamen Liebe zu Charles Dickens an. Kurze Zeit später wird er zu einem wichtigen Vertrauten und Helfer in kleinen Notlagen für die alleinerziehende Mutter eines schwierigen 17-jährigen Sohnes. Der nächste Schritt scheint nicht mehr weit entfernt, auch wenn sich Lauren zunächst noch ziert.
In Ost-Berlin weiß einzig und allein Lars’ Vater Gregor (Jörg Schüttauf) über die Mission seines Sohnes Bescheid, während der Rest der Familie davon ausgeht, dass Lars in Moskau an der Universität studiert. Gregor ist selbst ein treuer Sozialist und Stasi-Mitglied, und achtet penibel darauf, dass die Kinder der Nachbarin kein Westfernsehen schauen. Kurz vor der Abreise seines Sohnes hämmert er ihm noch einmal ostdeutsche Propaganda ins Hirn, jedoch zweifelt er wenig später selbst daran. Nicht zuletzt weil auch seine soziale Umgebung immer regierungskritischer erscheint.
Gregors Bruder Conrad (Godehard Giese) wohnt im gleichen Viertel. Dessen Ehe ist eigentlich nur noch eine Fassade. Seine Frau Gita (Anja Kling) konzentriert sich dagegen voll und ganz auf ihre beiden Töchter, ob diese es nun wollen oder nicht. Während Juliane Weber (Muriel Wimmer) für das Medizin-Studium dressiert wird, trainiert Klara Weber (Stephanie Amarell) im Schwimm-Kader unter harter Hand und unter Staatsaufsicht für die olympischen Spiele. Nicht nur das Regime hat großes Interesse an einem Triumph, auch Mutter Gita sieht darin eine Möglichkeit, ihren Status in der DDR-Gesellschaft mit einer neuen Wohnung und einem neuen Auto zu verbessern. Klara wünscht sich nichts sehnlicher als die Anerkennung und den Stolz ihrer Mutter.
Dass Conrads Kollege, Axel Lang (Hannes Wegener) homosexuell ist, ist mehr oder weniger ein offenes Geheimnis im Lehrerkollegium, das gerade noch so geduldet wird. Die Tatsache, dass der Physiklehrer seinen Schülern allerdings die Prinzipien von Luftströmungen beibringt, wird gar nicht gerne gesehen. Schließlich kann dieses Wissen für eine Flucht mit selbstgebastelten Fluggeräten verwendet werden. Eine Idee, die absurd anmuten mag, aber eine feindliche Gesinnung gegenüber Wissenschaft und Fakten ist auch heute der Welt nicht fremd.
- © ZDF/Bernd Schuller
Axel Lang (Hannes Wegener, r.) erklärt seinen Schülern im Physikunterricht die Auftriebskräfte.
Ein Ost-Spion, der im Westen Frauen verführt und Regierungen ausspioniert - natürlich kann man zunächst annehmen, dass «Der gleiche Himmel» im Fahrwasser solcher Serien wie das eingangs genannte «Deutschland '83» oder des amerikanischen Dramas «The Americans» mit schwimmt. Allerdings sollte auch betont werden, dass gerade «Deutschland '83» auf einen bestimmten Action- und Thriller-Rhytmus ausgerichtet war und sogar den Spaß am Agentendasein hervorhob. Die neue UFA-Serie stimmt dagegen eine wesentlich ernsthaftere Tonlage an. Darüber hinaus bildet die Spionagegeschichte zwar den Kern der Erzählung, der Dreiteiler entwickelt sich jedoch vielmehr zu einem Ensemble-Drama, in dem die einzelnen Geschichten relativ dicht miteinander verwoben sind.
Und hierbei handelt es sich auch schon um die einzige Schwäche des Dreiteilers, denn jede der einzelnen Episoden hätte reichlich Stoff für einen eigenen Film oder Mehrteiler geboten. Dem Dreiteiler mangelt es gelegentlich an narrativen Fokus. Ab und zu wird es dem Zuschauer schwer fallen, sich emotional an eine der Figuren zu binden, wenn zwischen den einzelnen Handlungssträngen hin und her gewechselt wird. Dennoch fesselt Oliver Hirschbiegels Inszenierung von der ersten Minute an. Dabei pocht er allerdings nicht in jeder Minute auf Spannung. Vielmehr lässt er sich die Zeit, um die vielschichtigen Figuren in Stellung zu bringen.
Tom Schilling ist zwar schon 35 Jahre alt, hat aber eines dieser zeitlos-jugendlichen Gesichter, mit dem er auch als 25-Jähriger noch durchgehen kann. Aber nicht nur äußerlich kann er den ehrgeizigen und aufstrebenden Stasi-Agenten authentisch darstellen, der alles für den Staat tut. Sogar den Charme dreht er überzeugend auf, wenn es verlangt wird. Nur wenn er den Spion spielt, der im feindlichen Westen den verführerischen jungen Architekten geben muss, wirkt er gelegentlich etwas steif. Aber mal von der Komplexität dieser Rolle abgesehen, kann man dieses vermeintliche Manko noch logisch mit seiner Unerfahrenheit als Undercover-Agent erklären.
Der von Ben Becker gespielte Ralf Müller wäre dagegen mit seinem ständig unbeeindruckten Gesichtsausdruck, Schmierbauch, einer generell abgewrackten Attitüde und einer permanenten Fluppe in der Hand fast ein Klischee, wenn ihn eben nicht Ben Becker darstellen würde. Dieser bringt von Natur aus eine starke Präsenz mit, welche die Figur über das Bekannte und Allerlei hinaushebt. Auch als mit allen Wassern gewaschener Agent bewegt sich Becker absolut souverän durch das Geschehen und in der ersten Episode durch die Wohnung der Datenanalystin Lauren Faber, um diese zu verwanzen.
Die Besetzung ist durch die Bank weg solide und findet sich schnell in die Regime-Welt der ehemaligen DDR ein. Besonders hervorzuheben ist allerdings noch einmal die zurückhaltende Performance der jungen Stephanie Amarell, die eigentlich fast wortlos agiert und lediglich auf ihre Umwelt reagiert, aber mit einem wachen Gesicht und Verstand alles, was um sie herum geschieht, in sich aufnimmt. Nur mit wenigen Blicken kommuniziert sie die Sehnsucht nach einem normalen Teenager-Leben abseits des Schwimmtrainings, aber auch die Angst, die eigene Mutter zu enttäuschen.
Zu Beginn fällt es schwer, das Beziehungsgeflecht dieser Figuren zu erkennen und vor allem, welche Bedeutung sie für das zukünftige Geschehen haben werden. Aber man darf dem Dreiteiler hoch anrechnen, dass niemand den Zuschauer gönnerhaft an die Hand nimmt und jeden noch so kleinen Handlungsschritt erklärt. Das Publikum muss ein wenig selbst mitarbeiten, aber es ist Hirschbiegels Inszenierung zu verdanken, dass es sich nie wie Hausarbeit oder eine trockene Geschichtsstunde anfühlt.
Während andere hiesige und aufwendige Produktionen dieser Tage auf Teufel komm raus international konkurrenzfähig sein möchten, als würde sich um eine Art Bologna-Reform des deutschen Fernsehens handeln, ist «Der gleiche Himmel» fast schon eine angenehme Abwechslung. Regisseur Hirschbiegel ist in seinen Fähigkeiten, in seinem Inszenierungsstil offensichtlich selbstsicher genug, dass er seine Produktion nicht durchamerikanisieren muss. Zu dieser dezenten Regie gesellt sich die zurückhaltende Kamera von Judith Kaufmann. Beides ist mit technischer Fitness und Detailreichtum stetig präsent, ohne sich aufzudrängen. Hier punktet man nicht durch Überinszenierung, sondern geht eine gesunde Symbiose mit Plot und Charakteren ein.
Fazit: Ohne sich mit überhöhter Spannung anzubiedern, liefert «Der gleiche Himmel» ein reizvolles und gut gespieltes Gesellschafts- und Geschichtsporträt, das auch heutige Zeitbezüge nicht ausschließt.
Das ZDF zeigt «Der gleiche Himmel» am Montag, den 27.03, Mittwoch, den 29.03. und Donnerstag, den 30.03. jeweils um 20.15 Uhr.
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