Sonntagsfragen

'Die deutschen Film- und Serienschaffenden müssen sich nicht mehr hinter Hollywood verstecken'

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Für UFA-Fiction-Geschäftsführer Nico Hofmann ist die Rechnung einfach: Eine gut gemachte deutsche Produktion mit entsprechend klarer künstlerischer Identität verkauft sich im Ausland besser als ein Kompromissprodukt. Mehr dazu in unserem interview.

Zur Person

Nico Hofmann ist seit Januar 2013 Vorsitzender Geschäftsführer der UFA Fiction. Seinen Anfang in der Branche machte er 1987 mit seinem Abschlussfilm seines Studiums an der Hochschule für Fernsehen und Film in München. 1998 verabschiedete er sich jedoch von der Regie, um die Produktionsfirma teamWorx zu gründen, die mittlerweile UFA Fiction lautet. Zu seinen Produktionen zählen «Der Tunnel», «Die Flucht», «Unsere Mütter, unsere Värer» und «Charité». Seit dem 1. September 2015 ist er Co-CEO der UFA.
In Ihrem Interview mit dem 'Handelsblatt' war neulich unter anderem Thema, dass fiktionale Stoffe die Gesellschaft beeinflussen können, und dies gerade vor dem aktuellen politischen Hintergrund wichtig sei. Um da nachzuhaken: Hat Fiktion in Ihren Augen sozusagen einen Bildungsauftrag?
Fiktion würde ich nicht direkt einen Bildungsauftrag zuschreiben. Aber Fiktion hat durch ihre Reichweite eine enorme Strahlkraft. Das gilt für sämtliche Programme der UFA, darunter zum Beispiel «Gute Zeiten, schlechte Zeiten», unser erfolgreichstes Daily Drama, das eine sehr junge Zielgruppe intensiv seit über 25 Jahren täglich anspricht. Aber natürlich auch Programme wie «Unsere Mütter, unsere Väter», die inklusive Wiederholung mit jedem Teil auf zirka neun Millionen Zuschauer kommen und eine beachtliche politische Strahlkraft haben. Man muss sich bewusst sein, welche Verantwortung man bei solchen Produktionen hat und natürlich auch, dass fiktionale Filmunterhaltung große Kontroversen auslösen und politische Debatten anschieben kann.

Auf die Gefahr hin, dass es da so läuft wie bei der Frage nach der Henne und dem Ei: Wo nimmt diese Einflussnahme auf den politischen Diskurs ihren Anfang? Finden Sie, dass UFA-Fiction-Großproduktionen Themen erst ins Augenmerk lenken? Oder ist es schon so, dass Sie nach Themen suchen, die im Begriff sind, wieder hoch zu kochen, und daher werden die Filme mit der Absicht produziert, diese zu kommentieren?
Wir machen mit unseren Produktionen keine Statements und können die mediale Meinung zu einem Programm nicht beeinflussen. Wir leben in einem Land mit freier Presse, und dazu gehört, dass jeder Kritiker, jeder Zuschauer seine eigene Meinung und Haltung hat. «Unsere Mütter, unsere Väter» ist dafür ein gutes Beispiel: Hier gab es im In- sowie im Ausland breit gefächerte Meinungen und Diskussionen, die kann man gar nicht beeinflussen oder gar manipulieren und ich möchte auch gar nicht beeinflussen oder manipulieren. Ich möchte vielmehr eine Debatte führen, die Kontroversen aufzeigt. Ich bin jemand, der sehr, sehr leidenschaftlich und gerne diskutiert. Solche Diskurse anzuschieben, das sehe ich gewissermaßen als meinen Auftrag.

Wir haben die Erfahrung gemacht, dass ein Programm dann besonders interessant für den Zuschauer ist, wenn es sich einem Thema annimmt, das bis dahin vernachlässigt wurde - sogenannte Tabu-Themen. Daraus kann sich dann ein Diskurs entwickeln.
Nico Hofmann, Produzent und UFA-Fiction-Geschäftsführer
Ist aber nicht allein schon die Themenauswahl ein Statement? Wenn UFA Fiction einen Zeitabschnitt oder ein Ereignis raussucht, um daraus eine große, mehrteilige Primetime-Produktion zu spinnen, sagt dies doch aus: "Hier, darüber sollten wir nochmal nachdenken …"
Bestimmt kann man das so sehen. Wir haben tatsächlich die Erfahrung gemacht, dass ein Programm dann besonders interessant für den Zuschauer ist, wenn es sich einem Thema annimmt, das bis dahin vernachlässigt wurde - sogenannte Tabu-Themen. Daraus kann sich dann ein Diskurs entwickeln. «Unsere Mütter, unsere Väter» war so ein Film. Alle wollten sich mit diesem Thema auseinandersetzen und austauschen – es entstand ein Gespräch zwischen den Generationen zum Thema Krieg. Das Interesse an dem Programm war sehr hoch und wir hatten damit auch einen unserer größten Quotenerfolge. Und das nicht nur in Deutschland, «Unsere Mütter, unsere Väter» war mit 138 Auslandsverkäufen das erfolgreichste deutsche Programm der letzten zehn Jahre.

«Der gleiche Himmel», unsere High-End-Drama-Serie, die in Kürze im ZDF ausgestrahlt wird, beleuchtet hingegen die deutsch-deutsche Teilung. Da es jedoch auch eine Spionagegeschichte ist, die stark durch die Nachwirkungen des Kalten Krieges beeinflusst wird, ist die Historie hier nur ein Teilaspekt. Allerdings hat die Thematik durch Donald Trump jetzt nochmal deutlich an Aktualität und Relevanz gewonnen – wenngleich unfreiwillig.

Wie international denken Sie mittlerweile bei der Auswahl Ihrer Stoffe? Ist das grenzüberschreitend umgesetzte Projekt «Der gleiche Himmel» eine Ausnahme oder ist es vielleicht der Anfang eines neuen Denkens im Zuge der globalen Reaktion auf «Deutschland '83»?
In der Radikalität wie bei «Der gleiche Himmel» haben wir es so zuvor in der Entwicklung noch nicht gemacht. Nach dem großen Erfolg von «Unsere Mütter, unsere Väter» im In- und Ausland haben Jan Mojto und ich darüber gesprochen, ob wir eine Produktion über deutsche Geschichte produzieren können, die durch internationale Schaffende und einen europäischen Cast gezielt andere Märkte anspricht. So ist zum Beispiel unsere Drehbuchautorin Paula Milne eine der bekanntesten und besten Autorinnen aus England, sie hat etwa «The Night Watch» geschrieben, des Weiteren wurde eine unserer Hauptrollen mit der Schwedin Sofia Helin, bekannt aus «Die Brücke», besetzt. Unser Regisseur Oliver Hirschbiegel ist ebenfalls im Ausland viel beachtet und arbeitet international.

«Ku‘damm 56» oder «Charité» sind im Gegensatz dazu rein deutsche Entwicklungen. Hier wurde vorrangig für den deutschen Markt produziert, die Verwertung im Ausland erfolgte dann auch sehr erfolgreich, aber in einem weiteren Schritt. Diesen internationalen Ansatz verfolgen wir aber jetzt auch bei anderen Produktionen, wie z.B. bei «Siegfried & Roy», was natürlich auch daran liegt, dass die beiden in Las Vegas leben und in den USA mindestens so bekannt sind wie in Deutschland, wenn nicht noch viel bekannter. Außerdem ist ihre Geschichte stark mit Amerika verknüpft.

Je kraftvoller ein deutsches Programm produziert wird, je stärker die eigene künstlerische Identität und Qualität, desto besser verkauft es sich auch ins Ausland. Das zeigen Kinofilme wie «Lola rennt» oder «Toni Erdmann» oder TV-Produktionen wie «Deutschland '83» und «Unsere Mütter, unsere Väter». Entscheidend ist die Qualität, und da haben wir längst zu den Amerikanern aufgeschlossen. Die deutschen Film- und Serienschaffenden müssen sich nicht mehr hinter Hollywood verstecken, so weit haben sich ihre Erzähltechniken entwickelt.
Nico Hofmann, Produzent und UFA-Fiction-Geschäftsführer
So, wie Sie das formulieren, klingt es fast, als müssten Sie sich gegen einen Vorwurf wehren (lacht). Dabei war es von meiner Seite aus nicht negativ gemeint. Ich hätte es ganz nüchtern für Branchenalltag gehalten, wenn nach dem Auslandserfolg von «Deutschland '83» die Analyse angestellt wird: "Wieso hat das so gut funktioniert? Wie können wir weitere deutsche Geschichtskapitel dem Weltmarkt dermaßen schmackhaft machen?"
«Deutschland '83» war eine durch und durch deutsche Produktion für RTL - zwar mit einer amerikanisch-englischen Drehbuchautorin, Anna Winger, die aber bereits über 10 Jahre in Deutschland lebt und gemeinsam mit ihrem Ehemann Jörg Winger als Showrunner und Creator fungiert. Die Serie wurde aber für den deutschen Markt entwickelt und erzählte aus ihrer Perspektive ein Stück deutsche Geschichte. Zu Beginn haben wir dabei überhaupt nicht ans Ausland gedacht, dann lief die Serie global herausragend. Diesen Erfolg hatten wir so aber erst einmal nicht erwartet.

Bei «Deutschland '86», der Fortsetzung, ist das schon etwas anders, hier haben wir RTL, Fremantle und Amazon als Partner, wobei Amazon den Löwenanteil trägt. Wir drehen in Berlin und Südafrika. Wenn die Serie fertig ist, wird sie im nächsten Jahr, nicht nur in Deutschland, sondern dann auch weltweit zu sehen sein. Das ist ein ungewöhnlicher Weg für eine deutsche Produktion. Aber auch sie wird aus Berlin heraus entwickelt und zuallererst dem deutschsprachigen Publikum bei Amazon vorgestellt.

Ein Erkenntnis für mich daraus ist: Je kraftvoller ein deutsches Programm produziert wird, je stärker die eigene künstlerische Identität und Qualität, desto besser verkauft es sich auch ins Ausland. Das zeigen Kinofilme wie «Lola rennt» oder «Toni Erdmann» oder TV-Produktionen wie «Deutschland '83» und «Unsere Mütter, unsere Väter». Entscheidend ist die Qualität, und da haben wir längst zu den Amerikanern aufgeschlossen. Die deutschen Film- und Serienschaffenden müssen sich nicht mehr hinter Hollywood verstecken, so weit haben sich ihre Erzähltechniken entwickelt.

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