"Nicht jede Debatte als 'Streit!' skandalisieren"
- Wissen Sie schon, wen Sie im Herbst wählen werden oder müssen Sie sich erst noch entscheiden?L. Keller: Ich denke: zu 60% steht es fest. Aber das Wahljahr ist noch lang.
- Wen würden Sie gerne einmal interviewen - und was würden Sie ihn fragen? L. Keller: Die Queen. In der Hoffnung, dass sie mir alles sagt, was sie noch nie jemandem erzählt hat.
- Wie können Sie als Journalist gegen Politik-Verdrossenheit vorgehen?L. Keller: Zuhören. Erklären, dass Politik wichtig ist, und kompliziert, weil die Welt kompliziert ist. Nicht jede Debatte als 'Streit!' skandalisieren. Bei notweniger Kritik im Einzelnen den Blick fürs Ganze nicht verlieren.
- Haben Sie jemals überlegt, selbst in die Politik zu gehen? L. Keller: Wäre ich kein Journalist und somit zur Neutralität verpflichtet, könnte ich mir ein Engagement in der Kommunalpolitik vorstellen.
- Was würden Sie tun, wenn Sie einen Tag lang Bundeskanzler wären?L. Keller: Vormittags im Hubschrauber eine Runde über Berlin drehen. Nachmittags durch eine Vertrauensfrage meine sofortige Abwahl einleiten.
Lothar Keller, Jahrgang 1965, ist seit über 20 Jahren für die Mediengruppe RTL tätig. Seine Arbeit beim Fernsehen begann er 1993 mit einem Volontariat beim damals jungen VOX. 1996 wurde er Redakteur bei «RTL aktuell». Seinen ersten Auftritt als Moderator der 18.45 Uhr-Sendung hatte der gebürtige Gummersbacher 13 Jahre später, am 11. November 2006. „Dieses Datum kann ich mir als Rheinländer gut merken. Da beginnt bei uns der Karneval“, fügt Keller mit einem Schmunzeln hinzu.
Beim gemeinsamen Termin wirkt Keller entspannt und gelassen. Er scheint sich in seiner Rolle gefunden zu haben und in seiner Position wohlzufühlen. Dabei sei es am Anfang durchaus überraschend gewesen, als er das Angebot zur Moderation von «RTL aktuell» erhielt. „Natürlich habe ich mich gefreut. Als Nachrichtenmoderator hat man es in manchen Belangen vielleicht leichter als in der Funktion des Reporters, aber man ist eben auch das Aushängeschild einer Sendung“, gibt Keller zu bedenken. In diese Rolle musste er erst einmal hineinwachsen.
Dass das Keller längst gelungen ist, wird bei der kleinen Führung durch die Redaktionsräume und das Nachrichtenstudio deutlich. Immer wieder wird Keller auf dem Gang von Kollegen aufgehalten und angesprochen. „Lothar, schön Dich nochmal zu sehen“. Kellers Lebensmittelpunkt ist Berlin, dort ist er als politischer Chefkorrespondent für RTL unterwegs. In Köln ist er eher selten. „Bist Du auch am Samstag noch hier?“, fragt eine andere Kollegin. Keller schüttelt den Kopf - «RTL aktuell» am Wochenende moderiert er seit kurzem nicht mehr.
Stattdessen ist Keller zum «Nachtjournal» gewechselt. Warum? Das habe viele Gründe, erklärt Keller. Zum einen sei nach zehn Jahren ein frisches Gesicht - in diesem Falle Maik Meuser - nicht schlecht gewesen. Zum anderen freut er sich, nun seltener am Wochenende arbeiten zu müssen. Das «Nachtjournal» wird nur werktags produziert.
Vielfältig sind Lothar Kellers Aufgaben in Berlin. Als politischer Chefkorrespondent beobachtet er den Politik-Betrieb in der ersten Reihe. Angela Merkel begleitete Ende des vergangenen Jahres auf ihrer Afrika-Reise. „Ich glaube, sie hat das Gefühl, dass bestimmte Probleme nicht gelöst sind“, sagt er angesprochen auf die Frage, warum Merkel noch einmal zur Bundestagswahl antrete. Bei der Suche nach Problemlösungen merke man Merkel an, dass sie Naturwissenschaftlerin sei.
Neben Köln und Berlin ist Keller auch regelmäßig in Brüssel und berichtet von den dortigen EU-Gipfeln. Als Spagat oder gar Belastung empfindet er das alles nicht. „Ganz im Gegenteil: Ich darf Nachrichten moderieren und bin zugleich nah am Geschehen im politischen Berlin. Das ist toll.“ Er könne sich gut vorstellen, diesen Aufgaben noch ein paar weitere Jahre nachzugehen. „Das, was ich da machen darf, ist ja auch keine sportliche Höchstleistung, sondern enorm interessant“, schiebt Keller mit einem Schmunzeln nach. Das Wort Spagat passt ihm nicht.
Auf den bevorstehenden Wahlkampf freut sich der RTL-Mann. Die Tatsache, dass neben der Großen Koalition womöglich auch andere Konstellationen möglich werden, könnte ehemalige Nicht-Wähler an die Urnen ziehen. „Ganz spannend wird es deshalb sicherlich auch in den Tagen und Wochen nach der Bundestagswahl werden, wenn es darum geht, wer mit wem regieren möchte“, sagt Keller.
Skeptisch zeigt er sich hingegen beim Thema Schulz-Effekt. Die stark gestiegenen Umfragewerte der SPD würden nur bis zum Herbst halten, wenn Kanzlerkandidat Martin Schulz mit Inhalten überzeuge. Wie stark die AfD abschneiden wird, dürfte unterdessen auch vom Erfolg des US-Präsidenten Donald Trump abhängen. „Wenn der in den USA versagt, dürfte das bei der AfD nicht unbedingt für Aufwind sorgen“, zeigt sich Keller überzeugt. Dass in der deutschen Parteienlandschaft im Moment aber einiges in Bewegung ist, würde auch Keller so unterschreiben.
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Wir haben uns in den letzten Jahren besonders darum bemüht, die Ereignisse in einer sehr komplizierten Welt zu sortieren und einzuordnen.
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Lothar Keller
Zum einen müsse sich die Politik genauso wie der Journalismus wieder zum Anwalt der Menschen machen. „Auch ich bewege mich ja oft in politischen Kreisen, aber dabei sollten wir die Sorgen der Bürger nicht vergessen.“ Keller führt einige Beispiele an und erzählt von Eindrücken, die er in ländlichen, strukturschwächeren Regionen der Bundesrepublik gesammelt hat. „In letzter Konsequenz müssen wir vielleicht auch mit Sprache bzw. unserer Wortwahl noch vorsichtiger, präziser und sachlicher werden“, fügt Keller hinzu.
Für die Berichterstattung rund um den anstehenden Wahlkampf habe man bei RTL schon viele Ideen gesammelt. Nah am Menschen wolle man auch diesmal bleiben, verspricht Keller. Was das konkret heißt, statt dagegen noch nicht fest. Für den Wahlkampf selbst wünscht sich Keller vor allem eines: dass die politischen Kontrahenten Auseinandersetzungen nicht laut, sondern mit sachlichen Argumenten führen.
Keller zeigt uns noch das Nachrichtenstudio, die „grüne Hölle“, wie auch er sie nennt. Er erzählt die eine oder andere Anekdote und bringt uns durch die verwinkelten Flure zurück zum Ausgang. Durch die Maske auf der rechten Seite huscht noch schnell Frauke Ludowig - es ist inzwischen kurz vor 18 Uhr und «Exclusiv» beginnt in einer guten halben Stunde. Zweimal rechts, dreimal links, dann sind wir am Ausgang angelangt. Wir verabschieden uns. „Aber geben Sie zu, alleine hätten Sie hier nicht mehr rausgefunden!“, sagt Keller zum Abschied lachend und geht zurück zu seinem Arbeitsplatz. Bis zum «Nachtjournal» in sechs Stunden ist schließlich noch einiges zu tun.
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