«Claudia Schiffer - Close Up» wurde am 05. Dezember 1995 bei RTL 2 geboren und entstand zu einer Zeit, als die Top-Models Naomi Campbell, Cindy Crawford, Linda Evangelista, Tatjana Patitz und Christy Turlington mit ihrem gemeinsamen Cover auf der Modezeitung Vogue, ihren Werbeverträgen und nicht zuletzt durch ihren Auftritt in George Michaels Musikvideo („Freedom“) zu internationalen Stars aufstiegen und mit der Bezeichnung „Supermodels“ eine eigene Gattung zugesprochen bekamen. Bald sollte in diese Riege der sogenannten „Big Five“ die aus Deutschland stammende Claudia Schiffer aufrücken und dadurch Tatjana Patitz an der Spitze des Business verdrängen. Begonnen hatte Schiffers Karriere erst kurz vorher in einer Düsseldorfer Disco, wo sie entdeckt wurde und direkt eine Fotoserie in der „Elle“ bekam. Schließlich wurde sie zum Gesicht der Modemarke Chanel sowie zur Muse von Karl Lagerfeld auserkoren und erlangte durch ihre Beziehung mit dem amerikanischen Magier David Copperfield noch zusätzlichen Ruhm. Ohne zu übertreiben, lässt sich sagen, dass sie damals die im Ausland bekannteste Deutsche gewesen sein dürfte.
Ihr tadelloses, skandalfreies Image und ihr fleißiger, disziplinierter Ruf machten sie zu einem der gefragtesten Werbegesichter der Welt, wurde doch jede Veranstaltung und jedes Produkt, das mit ihr in Verbindung stand, automatisch als edel, glamourös und hochwertig wahrgenommen. In diesem Glanz wollte nun auch der deutsche Sender RTL 2 erstrahlen und verpflichtete Schiffer für eine eigene Reihe, in der sie bekannte Stars und Hollywood-Größen treffen und exklusiv interviewen sollte. Dabei war es nicht der erste Versuch, ein Model regelmäßig eine Fernsehsendung präsentieren zu lassen. Etwa führte Cindy Crawford seit 1989 im Wechsel mit anderen Kolleginnen durch das MTV-Magazin «House Of Style».
“Längst nicht so hässlich…“
Natürlich war es unwahrscheinlich, dass Schiffer, in deren bisherigem Berufsleben das Sprechen eher eine untergeordnete Rolle einnahm, in ihrer neuen Funktion investigative und psychologisch tiefgehende Enthüllungen abliefern würde. Das stellte sie vorab selbst klar: "In meiner Sendung geht es mehr um Begegnungen und lockere Gespräche als um ein extravagantes Frage- und Antwortspiel." Ähnlich argumentierte ihr Manager, der im Vorfeld eher ihre „frische und natürliche“ Art lobte, als ihre überzeugende Fähigkeit, Diskussionen gut führen zu können. Und auch der verantwortliche Produzent Christian Seidel schraubte die Erwartungen an das Resultat herunter, in dem er darauf hinwies, dass darin kein „einfaches Presse-Interview“ geführt würde, stattdessen „reden zwei Stars miteinander“.
Wirkliche Innovationen versprachen all diese Formulierungen nicht. Vielmehr erinnerte der Ansatz an das Projekt «Franzi trifft…», in der die damals populäre Schwimmerin Franziska van Almsick ebenfalls Prominente traf und befragte. Dieses Experiment endete schnell wieder, nachdem es von der Presse zerrissen, vom Publikum gemieden und selbst vom verantwortlichen Kanal Sat.1 als „nicht sendefähig“ eingestuft wurde. (Die ganze Geschichte hinter der Show kann in einer eigenen Ausgabe des Fernsehfriedhofs nachgelesen werden.)
Als ganz so fatal stellten sich Schiffers Plaudereien am Ende nicht heraus, sie waren allerdings auch weit entfernt davon, meisterhaft zu sein. Das ließ sich sogar zwischen den Zeilen in einem Statement von Harry Goering, dem Chefredakteur von RTL 2, erahnen: „Eigentlich bewegt sie sich […] recht natürlich, und wenn sie das öfter macht, wird sicher auch ihre Sprache besser - ich bin zufrieden." Euphorie und rückhaltlose Unterstützung klingen sicherlich anders.
Schwer erträglich waren jene wiederkehrenden Momente, in denen sie überfordert und unbeholfen oder naiv und einfältig wirkte. Momente, in denen sie zu Schauspieler Dennis Hopper sagte: „Du bist längst nicht so hässlich, wie es die Leute immer von dir behaupten“ oder, in denen sie Melanie Griffith von ihrer gemeinsamen Trainerin ausrichten ließ, dass sie (Griffith) die schönsten Beine Hollywoods habe. Etwas emotionaler, aber kaum tiefgründiger ging es im Treffen mit Formel 1-Pilot Michael Schumacher zu, den sie fragte, ob er denn weinen könne. Die Süddeutsche Zeitung fand zur Beschreibung dieser Unterhaltungen die treffende Bezeichnung: „Small Talks ohne Talk“.
High Class
Eine Aufzeichnung in einem schnöden TV-Studio war für die glamouröse Claudia Schiffer und ihre zweifellos hochkarätigen Gäste selbstverständlich nicht angemessen genug, weswegen ein wesentlicher Bestandteil des Konzepts darin bestand, die exklusiven Gespräche mit den exklusiven Stars an ebenso exklusiven Locations zu drehen. So traf sie sich mit Michael Schumacher beispielsweise auf einem Helikopter-Landeplatz in Monte Carlo, fuhr mit Dennis Hopper im edlen Jaguar (der auf einen Sattelschlepper montiert war) über den Berliner Kudamm oder sprach mit Melanie Griffith im Turmrestaurant der „Space Needle“ in Seattle. Ein Ort, der von Griffith angeblich erst nach mehreren Vetos akzeptiert wurde.
All dieser Luxus, die aufwendigen Drehorte, die Honorare für die Stars und nicht zuletzt die Gage für Schiffer machten die eigentlich simple Idee zu einem außerordentlich teuren Programm. Allein die Kosten für Flüge hätten mit 70.000 DM zu Buche geschlagen. Insgesamt sollen sich für die erste Ausgabe, die aus den bereits erwähnten, jeweils rund 15minütigen Gesprächen mit Hopper, Schumacher und Griffith bestand, Kosten in Höhe von 400.000 DM aufsummiert haben. Ein stolzer Betrag für eine Bruttosendezeit von einer Stunde – erst recht für den noch jungen und kleinen Kanal RTL2. Dieser knüpfte an das Projekt jedoch große Quoten-Hoffnungen und eine Aufwertung des eigenen Images, denn der Sprung in die erste TV-Liga (und damit der Anschluss an RTL, Sat.1 und ProSieben) wäre nun endlich fällig gewesen, so der hauseigene Marketing-Manager und spätere Geschäftsführer Rudolf-Markus Reischl.
„Claudia Schiffer hat uns doch einige graue Haare beschert''
Aufgehen sollte dieser ehrgeizige Plan nicht, dafür zeigte das Publikum zu wenig Interesse. Obwohl man in der Vorwoche mit einem Backstage-Special kräftig Werbung für die bevorstehende Premiere machte, schalteten diese am Dienstagabend um 22.05 Uhr nur etwa 1,15 Millionen Menschen ein. Von denen gehörten zwar Zweidrittel zur werberelevanten Zielgruppe, dennoch reichten es lediglich für einen mäßigen Marktanteil von 7,6 Prozent. Für ein Format mit solchen Aufwänden und Ausgaben schlicht zu wenig. Spätestens als bei der Wiederholung des vermeintlichen Events am darauffolgenden Samstag um 19.10 Uhr die Gesamt-Reichweite auf 0,53 Millionen Zuschauende sowie der Zielgruppenmarktanteil auf 2,7 Prozent absackten, war das Vertrauen seitens des Senders deutlich angeschlagen.
„Claudia Schiffer hat uns doch einige graue Haare beschert“, lautete nach Beendigung der Dreharbeiten das leicht verzweifelt klingendes Fazit von Harry Goering. Zu den enormen Ausgaben und den mäßigen Quoten kam nämlich ein weiterer Faktor hinzu, der das Vorhaben letztlich fehlschlagen ließ. Da sowohl Schiffer als auch ihre Gäste viele Verpflichtungen hatten, seien die Treffen zeitlich nur äußerst schwierig zu koordinieren gewesen, wodurch sich die Fertigstellung der gewünschten Aufnahmen stark verzögert hätte. Am Ende sollten daher jene „Terminschwierigkeiten“ nicht bloß für den um sechs Monate verspäteten Start, sondern ebenso für die endgültige Einstellung der Produktion verantwortlich gewesen sein.
«Claudia Schiffer - Close Up» wurde bereits am 05. Dezember 1995 wieder beerdigt. Neun bereits konkret geplante Interviews unter anderem mit Nastassja Kinski, Sharon Stone und Hugh Grant, mit denen zwei weitere Ausgaben gefüllt werden sollten, blieben unrealisiert. Mit ihrer einzigen ausgestrahlten Ausgabe trat die Show immerhin dem exklusiven Club der Sendungen, die nach nur einer Folge abgesetzt wurden.
Möge die Show in Frieden ruhen!
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