Popcorn & Rollenwechsel

Die nervigsten Sätze vor, während und nach Pressevorführungen

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Kritiker kritisieren mitunter selbst dann, wenn noch gar nichts passiert ist: Unser Kolumnist zählt zehn nervige Meckersätze auf, die er bei Pressevorführungen so oft gehört hat, dass es ihm langsam reicht.

In jedem Beruf gibt es sie – diese lästigen Klischeesätze. Alle, die im Einzelhandel arbeiten, werden wohl den witzigen Spruch zum Halse raushängen haben, den Kunden bringen, wenn auf einem Produkt die Preisdeklaration fehlt: "Dann ist das wohl umsonst!“ Alle, die im Metzgerbetrieb arbeiten, werden die Frage, ob sie überhaupt noch Fleisch essen können, wenn sie doch dauernd hinter die Kulissen gucken, garantiert zum Kotzen finden. Niemand, der Raser anhält, will weiterhin vorgeworfen bekommen: "Jagt doch mal lieber richtige Kriminelle!" Und Kritiker? Die brauchen nicht einmal fachfremde Personen, um ein Sammelsurium an nervigen Standardsätzen um die Ohren gehauen zu bekommen.

Ein Besuch einer Pressevorführung genügt, um ein Feuerwerk der Klischeeaussagen zu erleben. Nervige Floskeln warten im Foyer sowie im Kinosaal in rauen Mengen. Dies sind nur einige davon.

"Boah, wie unrealistisch!"
Wir haben eben «Iron Bat and the Furious Transformers of the Caribbean: Rising Rebel Revenge» gesehen, einen Film über einen 16-jährigen Jungen, der in einer Eisenlunge liegt und vom Blitz getroffen wird, während ihn eine radioaktive Fledermaus beißt, woraufhin er zum Superhelden wird, der vom jamaikanischen Geheimdienst darum gebeten wird, etwas gegen die im Untergrund zunehmende Gewalt durch systemkritische Alienautos zu unternehmen. Doch als er sich in eine 17-jährige Ex-Hure in Hotpants verliebt, die ein dunkles Geheimnis hat (Spoiler: Sie ist eine verstoßene Marsprinzessin), erkennt er, dass der Lebenssinn nicht in Gehorsam, sondern in Rebellion liegt, woraufhin er sich zusammen mit Stripperschildkröten dem Widerstand gegen den Fabrikanten von Weltuntergangsgeräten (beliebtestes Modell: Ein Ding, das einen blauen Strahl gen Himmel schießt) anschließt. Aber, ja. Ich hör dir liebend gern zu, wenn du dich über unrealistische Dinge aufregst. Sehr angebracht, dieser Kritikpunkt!

"Was, ehrlich, es läuft die Synchro? Was soll der Scheiß!?"
Kürzlich fragte einer unser Quotenmeter.de-Leser in der Rubrik "Die Experten", ob es nicht unsinnig sei, wenn Kritiker einen Film in der Originalfassung gezeigt bekommen, wenn daraufhin die meisten Kinobesucher doch die synchronisierte Fassung sehen werden. Nun, sollte besagter Leser mal Lust haben, eine wild brennende, wütende Debatte mitzuerleben, darf er die Frage liebend gerne im unmittelbaren Vorfeld einer Pressevorführung stellen. Oh, das Geschrei wird groß sein. Denn unter Kritikern gibt es einen prozentual überdurchschnittlich großen Anteil an Synchronisationsgegnern, die jedes einzelne Mal, wenn ein Film als Synchro vorgeführt wird, mit den Augen rollen, wütend aus der Nase schnauben und grummeln. Und manche fahren die (meistens weibliche) Vertretung der Presseagentur an: "Wieso tust du mir das an, bist du denn des Wahnsinns?!"

"Was, wieso bitte nicht in der Synchro, Mensch …"
Ist das nicht reizend? Ganz gleich, was passiert, es wird im Vorfeld einer jeden Pressevorführung rumgewimmert und rumgestänkert. Läuft die Synchro, toben die Synchronisationsgegner. Läuft keine Synchro, wird auch geklagt. Dann meldet sich die, meistens etwas verschüchterter auftretende, Gruppe unter den Kritikern zu Wort, die "aber doch jedes Wort verstehen will" und "die Version besprechen möchte, die die Besucher auch sehen werden". Und wenn ein englischsprachiger Film in untertitelter Fassung gezeigt wird, heißt's zudem: "Aber, dann sieht man doch nicht das ganze Bild!" Ach, übrigens: Was die meisten nicht wissen werden, die diese Kolumne hier lesen … Üblicherweise ist in den Einladungen für die Pressevorführungen vermerkt, welche Fassung gezeigt wird. Es ist als wahrlich nicht so, als könnte sich niemand vorab darauf einstellen, was sie oder ihn erwartet. Und jede gute Diskussion über Übersetzungsgewohnheiten in Ehren – vor jeder verfluchten PV dieselbe Debatte? Nein, danke!

"Der läuft nicht in 3D? Na, was für ein Glück, diese verdammte Abzockscheiße kann mal endlich langsam sterben!"
Sobald ein Film mit hohem Budget keine 3D-Fassung spendiert bekommt («Logan – The Wolverine» oder «Power Rangers» lassen grüßen), oder aber eine 3D-Fassung hat, er der Presse aber in 2D gezeigt wird, lässt sich ein Trinkspiel spielen. Man nehme seinen Flachmann, stelle sich unauffällig in die Nähe der Anwesenheitsliste, und lausche dem Kollegium. Aber Vorsicht: Wer daraufhin bei jedem passiv-aggressiven Aufschrei, wie schön es sei, sich nicht "diese 3D-Scheiße" antun zu müssen, einen Schluck nimmt, sollte besser nicht mit dem Auto zum Kino fahren.

"Was, wieso zeigst du den nicht in 3D, was soll das denn?"
Wann immer ein 3D-Film nicht in 3D gezeigt wird, ist große Debattierzeit. Denn während die Einen jubeln, klagen die Anderen. Wenn der Film eine 3D-Version hat, dann müsse sie auch gezeigt werden – wie sonst will man das komplette Kinoerlebnis besprechen? Wie gesagt – in den PV-Einladungen steht normalerweise, was einen erwartet. Aber das hält die Redseligen im Kritikerzirkel nicht davon auf, sich immer und immer wieder in dieselben Gespräche zu verheddern. Faustregel: Jung fordert 3D, Alt hasst es. Und der Sarkast steht daneben, rollt mit den Augen und denkt sich: "Und täglich grüßt das Murmeltier …" Zum Glück denkt er es nur. Würde er es sagen, kämen nämlich die Reaktionen … "Ja, siehste, der lief auch nicht in 3D! 3D ist überflüssig!" Oder auch: "Ja, Mann, den will ich auch gern mal in 3D sehen!"

"Was sollte denn das ganze Gesinge?!"
Es lief ein Musical, verflucht noch eins! Regst du dich auch bei Actionfilmen auf, wenn Dinge in die Luft fliegen? Ach, verflixt, was frage ich, ja, das hast du gestern getan … Natürlich …

"Wenn ich den Scheiß schon lese … 'Produziert vom ZDF – Das kleine Fernsehspiel' … Pah, ich dachte, wir sind hier im Kino! Diese Fernsehkleinproduktionen haben hier keinen Platz!"
Eine steile These, die seltsamerweise bevorzugt von erfahreneren Kollegen kommt: Wenn auf dem Filmplakat, dem Presseheft oder im Abspann vermerkt wird, dass unter anderem die Redaktion 'ZDF – Das kleine Fernsehspiel' an der gezeigten Produktion beteiligt war, wird behauptet, der Dreck habe keine Berechtigung, auf der Leinwand gezeigt zu werden. Seltsamerweise passiert dies auch wirklich nur bei 'ZDF – Das kleine Fernsehspiel'. Das "echte" ZDF, die verschiedenen ARD-Anstalten, die BBC, Canal+, arte und Co. können munter in Kinofilme investieren. Aber irgendwas an der Wortkombination "klein" und "Fernsehspiel" lässt Gehirnwindungen durchbrennen. Fun Fact: Die experimentierfreudige Nachwuchsredaktion des ZDF ist im Kino wahrlich nicht untätig und verantwortete solche Glanzstücke wie «Händler der vier Jahreszeiten» von Rainer Werner Fassbinder, David Wnendts Neonazidrama «Kriegerin» oder den unter die Haut gehenden Cannes-Beitrag «Tore tanzt». Aber, ja, meckern wir lieber aus rein semantischen Gründen den ganzen Film zu Boden …

"Sag mal, wollt ihr mich vergackeiern? Es ist gerade einmal 10.15 Uhr, und der beschissene Film läuft schon?"
Ach, halt die Fresse, Zuspätkommer-Uwe. Wir wurden für 10 Uhr eingeladen, dennoch ging der Film erst um 10.10 Uhr los. Jetzt sind wir im Saal und es läuft eine emotionale Dialogszene. Musst du wirklich uns allem mitteilen, dass du auch angekommen und sauer bist, dass wir nicht geschlagene 15 Minuten zu spät angefangen haben? Wenn du Pünktlichkeit so bescheuert findest, dann verpiss dich aus dem Saal und heuere bei der Bahn an – und sei jetzt still, verflixt noch eins!

"Das kann ja gleich nichts werden, ich kenne ja nichtmal das Buch!"
Genau. Denn alle guten Filme basieren auf berühmten Romanvorlagen, und alle Filme, die auf eher unbekannten Romanen basieren, sind totaler Schrott. Gut erkannt, Mr. Scharfsinn!

"Ich hab keinen Bock mehr auf diesen Scheiß: Es kommen ja auch nur noch Fortsetzungen und Remakes raus …"
Ich kann solche Sätze von Gelegenheitskinogängern ja noch dulden. Wer vier Mal im Jahr ins Kino geht, und sich 2016 etwa für «Findet Dorie», «The Jungle Book», «Batman v Superman: Dawn of Justice» und «Rogue One: A Star Wars Story» entschieden hat, kann diesen Eindruck gewinnen. Aber wer sich beruflich mit Filmen beschäftigt, sollte nicht so tun, als gäbe es keinerlei Originalität mehr. Entweder deutet es darauf hin, dass sich da wer vom digitalen Gezeter mitreißen lässt oder darauf, dass den vielen, kleinen, innovativen Projekten keine Beachtung geschenkt wird. So oder so: Ein Kritiker sollte differenzierter denken, nicht wahr?

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